report 26
”Faites vos jeux!” – ”Machen Sie ihre Einsätze – das Spiel geht weiter. Setzen Sie diesmal auf Aktien!” Das Jahr 1996 stilisieren Finanzblätter und BörsenGurus zum ”Jahr der Aktie” hoch. Blendende Gewinnaussichten der Konzerne, noch höhere Einsätze im Übernahme-Monopoly würden die Bullen an der Börse erst richtig losmachen. Den Bär, das Symbol von Baisse und Crash hören nur wenige tapsen. Steigende Arbeitslosenzahlen beeindrucken die Stimmung der Börsianer ohnehin nicht. Im Gegenteil. Arbeitsplätze, die der Rationalisierung zum Opfer fallen, lassen die Kurse steigen. Stärkeres Unbehagen bereiteten da schon die Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten im vergangenen Jahr: Mexikanische ”Tequila-Krise’: Achterbahnfahrt des US-Dollars, Abwertungswettlauf europäischer Währungen, japanische Bankenkrise – und dann natürlich der Crash der renommierten Baring-Bank – beinahe hätte die Queen einen Teil ihrer Schätze verloren. Da kam dann doch kurz “Götterdämmerung in der Londoner City” und an anderen Börsenplätzen ob der Störanfälligkeit des modernen Finanzsystems auf, um dann aber wieder der Hektik irdischer Geldgier an den Finanzmärkten zu weichen. “Business as usual”. In Deutschland verabreichten Finanzexperten zudem Beruhigungspillen. Ein GAU wie bei der Baring- Bank oder gar ein Super-GAU des Bankensystems sei hierzulande nicht möglich. Denn wir haben nicht nur die sichersten AKWs, die sicherste Währung, sondern auch ein ”ausgebufftes Kontrollund Überwachungssystem” im Bankwesen, wie uns der oberste Aufseher des Kreditgewerbes, Wolfgang Artopoeus, versichert. Die Pleite der HerstattBank infolge Devisenspakulation liegt ja immerhin schon über zwanzig Jahre zurück. Die Havarie der Metallgesellschaft unter VerantVO(ortung der Deutschen Bank ist allerdings jüngeren Datums. Der Handel mit derivativen Ölkontrakten hatte zur Beinahme-Pleite geführt, kostete zwei Milliarden Mark an Verlust und hunderten Beschäftigten den Arbeitsplatz. Für die Deutsche Bank aber waren es wie bei der Schneider-Verspekulation wieder einmal nur ”peanuts”. Schwinde/erregende Drehzahlen des Finanzkarussells, spekulative Aufblähung der Geldmärkte kennzeichnen heute die kapitalistische Weltwirtschaft. Während der Konjunktur-Lokomotive nach dem schwächsten Aufschwung der Nachkriegszeit bereits wieder der Dampf ausgeht, brummen die Finanzmärkte. Sparkassen-Präsident Horst Köhler stellte im Oktober 1995 am Rande der Jahresversammlung von IWF und Weltbank fest: ‘1m Gegensatz zur Realwirtschaft expandieren die Finanzmärkte weiter mit einem exorbitanten Tempo und koppeln sich damit von der Realwirtschaft immer mehr ab. Wurden Anfang der 90er Jahre an den Devisenmärkten weltweit noch täglich 1000 Milliarden Dollar gehandelt, beläuft sich der Umsatz inzwischen auf börsentäglich ca. 1500 Milliarden Dollar. Das entspricht in etwa dem 70fachen des täglichen weltweiten Exportes von Waren und Dienstleistungen”. (Redemanuskript, 7.10.95, S.2). Spekulativ üb·erdrehte Börsen bei vergleichsweise dahindümpelnden Gütermärkten, relative Verselbständigung der Geldakkumulation gegenüber der Realakkumulation, wachsender Anteil von Zins- und Rentierseinkommen am gesamten Kapitaleinkommen – mit diesen Merkmalen könnte man in etwa den Casino-Kapitalismus skizzieren. Was sind die Gründe für das immer stärkere Auseinanderdriften von Realwirtschaft und Finanzsektor? Was sind die Folgen dieses krebsartigen Geldwuchers und Finanz-Überwucherns?
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