report 77
Die kapitalistische Krise und die neue globale Machtverteilung
Conrad Schuhler, Richard D. Wolff, Walter Baier, Peter Strutynski
28 Seiten, Juni 2009
Das 17. isw-Forum hat sich mit der Frage beschäftigt, welche Auswirkungen die weltweite Wirtschaftskrise auf die sich verschiebende globale Machtverteilung hat.
Das 17. isw-Forum stellte sich das Thema: “Die Kapitalistische Krise und die neue globale Machtverteilung”. In seinem einleitenden Referat vertritt Conrad Schuhler die These, dass der Westen seine weltpolitische Dominanz verliere und dass die Krise diesen Prozess noch beschleunige. Die großen Schwellenländer, allen voran China, Indien, Russland und Brasilien, seien neue Global Player, ohne deren Kooperation keine wirksame Regulierung des globalen Kapitalismus mehr stattfinden könne. Auch unter der neuen Konstellation bleibe es bei der globalen Dominanz der Transnationalen Konzerne, die immer mehr auch von den Investitionen der Staatsfonds der Schwellenländer und deren eigene Transnationale Konzerne geprägt würden. Im Zueinander von Konflikt und Kooperation zwischen den Nationalstaaten würden die konfliktorischen Elemente zunehmen. Als Hauptkontrahenten stünden sich die USA und China gegenüber, was Schuhler anhand der Konflikte in Zentralasien und im Indischen Ozean darlegt.
Rick Wolff untersucht die Strategie der Obama-Regierung. Das vorrangige strategische Ziel Obamas sei es, die ernste Krise des neoliberalen Kapitalismus dadurch zu überwinden, dass er den Übergang von der “privaten Variante” des Kapitalismus zu einer staatlich gelenkten oder staatskapitalistischen Variante zu organisieren versuche. Die neue US-Regierung sei von den Problemen innerhalb der USA so beansprucht, dass sie der globalen Position der USA im Verhältnis dazu eine geringere Priorität einräume. Dennoch habe das Vorgehen der USA große Auswirkungen auf die internationalen Verhältnisse. Denn die vorgesehene Lösung der Probleme des US-Kapitalismus sei nur auf Kosten des Rests der Weltwirtschaft möglich.
Walter Baier nimmt sich der Frage an, wie sich die europäische Linke in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise schlägt. Wenn die Krise die Theorie der Linken über den Charakter des Kapitalismus bestätige, warum drücke sich das nicht in einer politischen Linksentwicklung in Europa aus. Es treffe zurzeit eher das Gegenteil zu. Baier sieht die Gefahr einer Rechtsentwicklung und fragt, ob der Versuch, eine neue, linke Hegemonie zustande zu bringen, auf die Schwierigkeit stoße, die in die Alltagskultur eingedrungenen neoliberalen Wertorientierungen zu überwinden. Könne es sein, dass der Neoliberalismus sich als Wirtschaftspolitik in der gegenwärtigen Krise der Weltwirtschaft blamiere, er aber als im Alltag wirksame Weltanschauung weder praktisch noch theoretisch überwunden sei.
Den Zusammenhang von Wirtschaftskrise und einer weiteren, gefährlichen Militarisierung der Weltpolitik spitzt Peter Strutynski zu der These zu, dass die Welt an der Schwelle eines neuen Kalten Krieges stehe. Auch er sieht als die entscheidenden weltpolitischen Gegenspieler die USA und China. China sei in eine Reihe von Konflikten involviert, die über die Region hinauswiesen und die “pazifische Hegemonialmacht USA” auf den Plan riefen. Auch unter Obama setze die USA auf globale “leadership”, müsse aber, wie zum Beispiel in Afrika, feststellen, dass überall, wo die USA Fuß zu fassen versuchen, sich herausstelle, dass China bereits da sei. Anhand des Personals der Obama-Regierung belegt Strutynski die große Kontinuität in der Außen- und Militärpolitik der USA.
- Conrad Schuhler: Der Westen verliert seine Dominanz – Kooperation und Konflikt in der neuen Weltordnung
- Richard D. Wolff: Die Obama-Strategie: Amerikas neue Rolle in der Weltwirtschaft
- Walter Baier: Die europäische Linke und die Krise
- Peter Strutynski: Gefährlicher als Terrorismus? Der Wirtschaftsabsturz und die weitere Militarisierung