Auf seinem 16. Forum hat das isw den Zusammenhang von Neoliberalismus, Demokratieabbau und Neofaschismus wie auch die Frage untersucht, welche Antworten Demokraten auf diese Entwicklung geben können.
Der neoliberale, marktradikale Kapitalismus hat in den letzten Jahren immer mehr seine autoritären Tendenzen entblößt, was er in der jetzigen Phase des Bröckelns seiner “Hegemonie”, seiner ideologischen Vorherrschaft und damit der Zustimmung oder Hinnahme von Seiten der Bevölkerung, noch verstärkt. Einerseits werden die sozialen Funktionen des Staates drastisch beschnitten, andererseits wird – damit korrespondierend – der “Sicherheitsapparat” ständig weiter ausgebaut. Wir sind auf dem Weg zum permanenten Ausnahmezustand, einem dichten Überwachungsstaat, der jeden möglichst exakt kontrollieren will und dem solche, die sich der Kontrolle entziehen wollen, erst recht verdächtig sind.
Der globale Marktradikalismus sorgt für eine schnelle Verbreitung der Armut und eine wachsende Angst vor der Zukunft, ökonomische und politische Grundlagen der Zustimmung zu rechtsextremistischen Politikoptionen. Der Sozialstaat alter Prägung ist geborsten, das rechtsextremistische Angebot einer “solidarischen Volksgemeinschaft” kommt bei immer mehr Verlierern dieser Art von Globalisierung an.
Conrad Schuhler analysiert zunächst die weltanschaulichen Grundlagen des Neoliberalismus anhand der Aussagen seines “theoretischen Ahnherrn” von Hajek. Für diesen muss der Markt absolut uneingeschränkt sein, der Staat hat sich aus dem “Siebungsvorgang” auf den Märkten strikt herauszuhalten. Nur so könne es zur optimalen Auslese von Oben und Unten kommen. Der Demokratie müssten dort Grenzen gesetzt werden, wo die politische Mehrheit in diesen Ausleseprozess eingreifen wolle. Das höchste Ziel sei nicht die Demokratie, sondern die Freiheit der Marktteilnehmer. Schuhler ortet die Schnittstellen zwischen diesem “autoritären Kapitalismus” und dem Rechtsextremismus/Faschismus, der mit seiner erklärten Demokratie- und Ausländerfeindlichkeit und seiner anthropologisch begründeten Vorstellung einer prinzipiellen Ungleichheit dem Marktradikalismus zuarbeitet. Der behauptete “Antikapitalismus” der NPD sei in Wahrheit ein “völkischer Kapitalismus”, der von konsequenten systemsprengenden Lösungen sozialistischer Qualität abhalte.
Christina Kaindl zeichnet nach, wie Parteien der Rechten in Europa sich seit den 1990er Jahren wandelten von Vertretern radikaler neoliberaler Positionen zu Kritikern von Kapitalismus und Globalisierung. Vielerorts ist es der extremen Rechten gelungen, mit ihren Vorstellungen eines “völkischen Wohlfahrtsstaatsbewusstseins” als “die” Systemopposition zu erscheinen. Diese Position könne die Linke nicht zurückdrängen, indem sie selbst das Nationale besetzen wolle oder zu einer völlig aussichtslosen Verteidigung des Nationalstaates gegen die Globalisierung antrete. Es gebe auch kein Zurück zum fordistischen Wohlfahrtsstaat, sei er nun sozialistischer oder sozialdemokratischer Prägung. Vielmehr müsse die Linke solidarische Vergesellschaftungsformen auf globalem Niveau formulieren. Dies dürfe nicht auf den Versuch hinauslaufen, den früheren Korporatismus von Deutschland nun auf die EU zu verlagern. Wolle man auf der Höhe der aktuellen kapitalistischen Produktionsweise argumentieren, dann gehe es um eine Perspektive der Organisation von Kämpfen entlang der über den Globus gestreuten Verwertungsketten.
Ulla Jelpke beschreibt den sich beschleunigenden Demokratieabbau und die wachsende Bedrohung durch den organisierten Neofaschismus. Dass die Trennung von Polizei und Militär und auch die von Polizei und Geheimdiensten nach und nach abgebaut wird, liege nicht zuletzt daran, dass Deutschland die Heimatfront des so genannten Kriegs gegen den Terror sei. Wer der Meinung sei, Deutschland werde am Hindukusch verteidigt, wer keine Landesgrenzen für den Einsatz seiner Armee respektieren wolle, warum sollte der ausgerechnet vor der eigenen Landesgrenze halt machen. Dass faschistische Vorstellungen von einem “starken Staat” mittlerweile bis in die Mitte der Gesellschaft reichen, belegen neue empirische Untersuchungen. Für Jelpke ist auch die Linke mit eigenen Versäumnisse dafür verantwortlich. Wenn Linke sich z.B. in neoliberale Regierungspolitik einspannen ließen, dürfe man sich nicht wundern, wenn sich Neofaschisten als einzige Opposition gegen die neoliberale Globalisierung aufspielen können. Wenn die Linke konsequent antikapitalistisch auftrete und die soziale Frage wieder zu ihrem Kernthema mache, habe sie den Kampf gegen den Faschismus schon zur Hälfte gewonnen.
- Conrad Schuhler: Neoliberalismus – Konzept und Praxis eines “autoritären Kapitalismus”
- Christina Kaindl: Antikapitalismus als Erfolgskonzept für die Extreme Rechte?
- Ulla Jelpke: Demokratieabbau, Neofaschismus – und demokratische Gegenkräfte