Seit Anfang Juni 2018 ist es amtlich: BAYER darf MONSANTO schlucken und steigt damit zum größten Agro-Konzern der Welt auf, der die Konkurrenz weit hinter sich lässt und fortan bestimmt, wie die Menschheit sich ernährt. 

Es war eine Kapitulation vor dem Kapital: Mit den USA, Kanada und Mexiko genehmigten Anfang Juni 2018 auch die letzten Länder die Übernahme von MONSANTO durch BAYER. Damit setzten die drei Staaten der vorerst letzten Runde im Agro-Monopoly ein Ende. And the winner is: BAYER. Der Leverkusener Multi rangiert nun mit weitem Abstand an der Spitze des neu formierten Quartetts, welches das weltweite Geschäft mit der Nahrung unter sich aufgeteilt hat. Beim Saatgut erlangt er einen Marktanteil von über 20 Prozent und bei den Pestiziden einen von ca. 25 Prozent. Auf einen Umsatz von 19,7 Millarden Euro kommt BAYSANTO, dahinter folgen weit abgeschlagen CHEMCHINA mit 14,1 Milliarden, CORTEVA mit 12,7 Milliarden und die BASF mit 7,9 Milliarden.

„Die Übernahme von MONSANTO ist ein strategischer Meilenstein, um unser Portfolio führender Geschäfte in den Bereichen ‚Gesundheit’ und ‚Ernährung’ zu stärken“, erklärte BAYER-Chef Werner Baumann zum unfeierlichen Anlass. Hatte er bei der Ankündigung der Transaktion in Erwartung massiver Kritik noch aus PR-Gründen salbungsvoll die Mutter Teresa gegeben und bekundet: „Wir können mit MONSANTO noch besser dazu beitragen, die Ernährung der Weltbevölkerung zu sichern“, so kehrte er mit Vollzug des Deals flugs zum Business-Sprech as usual zurück. „Die Akquisition soll erheblichen Wert schaffen“, kündigte der Große Vorsitzende an. Die AktionärInnen konnten sich sogar schon über konkretere Angaben freuen: „BAYER erwartet ab 2019 einen positiven Beitrag zum bereinigten Ergebnis je Aktie, der von 2021 an im zweistelligen Prozent-Bereich liegen soll.“

Die großen Finanzinvestoren wie BLACKROCK oder Warren Buffetts BERKSHIRE HATHAWAY kassieren jetzt schon kräftig ab. Sie hatten sich in den letzten Monaten massenhaft zu einem Preis mit MONSANTO-Aktien eingedeckt, der erheblich unter dem BAYER-Angebot von 128 Dollar lag. Als der Konzern den Aktien-HalterInnen des US-Unternehmens dann am 7. Juni die Kaufsumme überwies, trug ihnen das satte Gewinne ein. Allein BERKSHIRE verbuchte ein Plus von rund 200 Millionen Dollar.

Die Fonds-Gesellschaften ernteten das, was sie selber gesät hatten. Sie hatten BAYER, DUPONT, DOW und die anderen Agro-Multis zu Übernahmen und Fusionen gedrängt, weil ihnen die im Landwirtschaftssektor erzielten Renditen nicht mehr reichten. Aktien-Pakete von allen Branchen-Größen haltend, hatten BLACKROCK & Co. kein gesteigertes Interesse an der Konkurrenz „ihrer“ Unternehmen mehr und setzten stattdessen auf Zusammenschlüsse. Von denen versprachen sie sich nämlich höhere Profite, weil „Synergie-Effekte“ winken und sich auf einem bereinigten Markt höhere Preise und ergo höhere Renditen erzielen lassen.

Die LandwirtInnen reagierten entsprechend alarmiert. „Für Bäuerinnen und Bauern drohen Preis-Diktate“, warnt die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL) und zählt noch mehr Risiken und Nebenwirkungen des Deals auf: „eine weitere Einengung der Sorten-Auswahl, mehr Abhängigkeiten und eine Verschärfung der Patent-Situation“. Die höheren Kosten für Betriebsmittel wie Pestizide und Saatgut sowie die Reduzierung der Vielfalt auf den Äckern werden dann auch die VerbraucherInnen zu spüren bekommen.

Zu den Hauptleidtragenden der letzten Konzentrationswelle zählt überdies die Umwelt, als hätte sie unter dem Status quo ante nicht bereits genug gelitten. „Die Industrialisierung der Landwirtschaft, auch angetrieben durch BAYER und MONSANTO, hat schon 75 Prozent des Planeten zerstört: Die Verarmung von Böden, die Verschmutzung von Gewässern, der Verlust von Biodiversität – das ist die wirkliche Ernte der Chemie“, sagt etwa die indische Aktivistin Vandana Shiva. Ihrer Ansicht nach hat die Übernahme von MONSANTO durch BAYER nicht zuletzt auch politische Auswirkungen: „Zusammen sind sie größer als irgendeine Regierungseinrichtung. Deshalb ist der Zusammenschluss auch gefährlich für unsere Demokratie, und das nicht nur in Indien.“

Den Standort-Städten BAYERs drohen derweil verminderte Einnahmen, denn der Global Player verschuldet sich durch den Erwerb von MONSANTO immens, was seine Steuerlast drückt. Auf die Beschäftigten haben diese roten Zahlen ebenfalls Auswirkungen. Sie müssen nicht nur wegen der „Synergie-Effekte“ um ihre Arbeitsplätze fürchten, sondern auch, weil BAYER den Investoren Kosten-Einsparungen zugesagt hat, um die Verbindlichkeiten zu reduzieren. „Herr Nickl muss dafür einstehen, dass BAYER Cash aus jeder möglichen Quelle generiert“, formuliert etwa der Finanzanalyst Jeremy Redenius die Anforderungen an den neuen Finanzchef des Konzerns, Wolfgang Nickl. Und das Unternehmen leistet diesem Imperativ bereits Folge. Es hat im Pharma-Bereich das Rationalisierungsprogramm „Super Bowl“ gestartet, dem Belegschaftsangehörigen zufolge allein in der Bundesrepublik 1.000 Arbeitsplätze zur Disposition stehen.

Auch auf die Arznei-Sparte als Ganzes könnte ebenfalls Unbill zukommen. Durch die MONSANTO-Akquisition verschieben sich nämlich die Gewichte innerhalb des Konzerns. Umsatzmäßig hat die Landwirtschaftssektion jetzt mit der Pillen-Abteilung gleichgezogen. Da es sich aber um völlig unterschiedliche Geschäfte handelt, der Verkauf von Medikamenten höhere Renditen abwirft als der von Glyphosat & Co. und zudem weniger konjunktur-abhängig ist, dürfte es nicht lange dauern, bis die Finanzinvestoren die Aufspaltung des Unternehmens verlangen. Eine Bestandsgarantie für den Global Player in seiner jetzigen Form über die nächsten 20 Jahre hinweg mochte BAYER-Chef Werner Baumann auf der letzten Hauptversammlung dann auch wohlweislich nicht geben. „Aufgrund der recht dynamischen Entwicklungen des Marktumfeldes wären verbindliche Festlegungen über 20 Jahre unseriös“, meinte er.

Als erste Amtshandlung hat der Vorstandsvorsitzende erst einmal den Namen „MONSANTO“ verschwinden lassen, weil dieser übel beleumundet ist. Mit solchen Operationen kennt das Unternehmen sich aus, worauf die Taz in ihrem Kommentar zum Abschluss der Übernahme hinwies. „Die Vergangenheit tilgen, das hat unselige Tradition bei BAYER. Der Konzern ist Keimzelle und Überbleibsel der IG FARBEN, eines 1925 gegründeten riesigen Chemie-Konzerns, der sich später eng mit dem Nazi-Regime verbündete. Nach dem Krieg wurden die IG FARBEN aufgelöst. Und firmierten wieder wie zuvor als BASF, HOECHST oder eben BAYER – auch ein Versuch, die Erinnerungen an todbringendes Zyklon B, an abertausende Zwangsarbeiter oder an die Kumpanei der Firmen-Chefs mit der NSDAP vergessen zu machen“, schrieb das Blatt.

Angesichts einer solchen Geschichte braucht der Leverkusener Multi nach Ansicht der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) auch keinen Vergleich zu seinem Kauf-Objekt zu scheuen. „Was ihre Amoralität angeht, so sind BAYER und MONSANTO aus dem gleichem Holz geschnitzt“, hielt die Coordination in ihrer Presseerklärung fest und nannte als Beispiele für skandalträchtige Geschäftspraktiken des Leverkusener Multis aus jüngerer Zeit die Vermarktung von HIV-infizierten Blut-Präparaten und von Antibaby-Pillen mit tödlichen Nebenwirkungen.

Damit das alte MONSANTO-Spiel nicht unter neuem Namen ungestört weiterlaufen kann, gilt es für die CBG jetzt, den Protest, der sich weltweit gegen das US-Unternehmen artikulierte, mit ihrer Arbeit kurzzuschließen. Und ermutigt sieht sie sich bei diesem Unterfangen nicht zuletzt dadurch, dass die weltweit stattfindenden „Marches Against MONSANTO“ vielerorts schon Marches „Against MONSANTO and BAYER“ hießen. Deshalb hofft die Coordination für 2019 auf viele „Marches Against BAYER“ und zahlreiche andere Aktionen gegen den nunmehr weltgrößten Agro-Konzern.