Will man sich von der heutigen EU ein realistisches Bild machen und heutige Probleme und Konflikte verstehen, lohnt es sich, einen kurzen Blick auf die Geschichte Europas zu werfen. Die Geschichte Europas ist eine Kolonialgeschichte. Sie begann vor mehreren Jahrhunderten und war geprägt von der Ausplünderung der Länder Afrikas, Asiens und Latein- und Nordamerikas. Die Landung von Christopher Kolumbus am 12. Oktober des Jahres 1492 in Amerika ist weniger das Datum der „Großen Entdeckung“, sondern der Beginn der Ausbeutung, Unterdrückung, Sklaverei und Massenmord an 90% der einheimischen Bevölkerung. Offiziell sind diese Länder nicht mehr Kolonien.

EU schafft neue Ausbeutungsverhältnisse und damit Fluchtursachen

Heribert Prantl beschreibt: Erst macht der Westen die Wirtschaft der Entwicklungsländer kaputt und wenn die Menschen dann, weil sie nicht verrecken wollen, aus ihren Ländern fliehen, werden sie als Wirtschaftsflüchtlinge diffamiert. Solange europäische Butter in Marokko billiger ist als einheimische, solange französisches Geflügel in Niger weniger kostet als das dortige, solange schwimmende Fischfabriken vor den Küsten Afrikas alles wegfangen was zappelt, so lange muss man sich über Flüchtlinge aus Afrika nicht wundern. Die EU-Subventionspolitik schafft millionenfache Fluchtursachen.

So ähnlich schrieb Nobert Blüm in der SZ: Wir, die Bewohner der Wohlstandsinsel Europa, sind die Hehler und Stehler des Reichtums der sog. Dritten Welt. Auf deren Kosten und Knochen haben wir uns bereichert… Die erste Welt zerstört die dritte Welt und wundert sich, dass die Zerstörten sich auf den Weg zu den Zerstörern machen.

Diese postkolonialen Verhältnisse setzen jene Gewalt fort, die seit hunderten Jahren von Europa ausging. Jürgen Todenhöfer zitiert den Autor Samuel Huntington: „Der Westen hat die Welt nicht durch die Überlegenheit seiner Werte erobert, sondern durch seine Überlegenheit beim Anwenden von Gewalt. Westler vergessen diese Tatsache oft, Nichtwestler nie.“[1] Diese Gewalt findet ihre Fortsetzung in der Flüchtlingsabwehr der EU. Die Zahlen der ertrunkenen Flüchtlinge sind erschreckend: Der EU-Kommissar für Migration Dimitris Avramopoulos geht davon aus, dass seit dem Jahr 2000 etwa 35.000 Menschen auf der Flucht an den europäischen Außengrenzen ums Leben kamen. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) schätzt, dass mehr afrikanische Migranten bereits auf den Routen zum Mittelmeer sterben als auf See. Vincent Cochetel, der Sondergesandte des UNHCR für das Mittelmeer und Libyen, hatte der WELT gesagt: „Wir gehen davon aus, dass vermutlich mindestens doppelt so viele Menschen auf dem Weg zum Mittelmeer sterben wie im Mittelmeer selbst. Die Zahl könnte aber auch viel höher sein. Niemand kann es mit Sicherheit sagen, aber es ist eine Tragödie.“ Hierzu auch Prantl:

Ein altes Arbeiterlied, die Internationale, beginnt mit den Worten „Wacht auf Verdammte dieser Erde…“Die Verdammten dieser Erde, das sind heute die Flüchtlinge. Sie fliehen vor Bürgerkrieg und Folter, vor Hunger und absoluter Armut, ausgeschlossen von einer Welt, in der ein Fünftel der Weltbevölkerung vier Fünftel aller Reichtümer verbraucht, lockt sie die Sehnsucht nach einem Leben, das wenigstens etwas besser ist. Die Ausgeschlossenen drücken sich an die Schaufenster, hinter denen die Verprasser des Reichtums dieser Erde sitzen. Die EU macht das Mittelmeer zum Verbündeten seiner Flüchtlingsabwehr, zum Massengrab und „Der Tod von Flüchtlingen ist Teil einer europäischen Abschreckungsstrategie. Europa schützt sich vor Flüchtlingen mit toten Flüchtlingen. Diese Europäische Union tötet.

Hört man sich das Geschachere über die Aufteilung von Flüchtlingen in der EU an, hat man den Eindruck, dabei handelt es sich nicht um Menschen, sondern um Giftmüll, den keiner haben will. Flüchtlingspolitik muss an den fundamentalen Grundsätzen der Menschenrechtscharta anknüpfen, deren Art. 1 lautet: „Alle Menschen sind frei und gleich an Rechten und Würde geboren.“ Das heißt doch, alle Unterschiede, die auf den zufälligen Ort der Geburt oder ethnischen Eigenschaften basieren, müssen ausgeglichen und letztlich abgeschafft werden, dürfen jedenfalls nicht zum Nachteil gereichen. Weil sich kein Mensch den Ort seiner Geburt ausgesucht hat, muss jeder Mensch das Recht haben, dorthin zu gehen, wo er ein sicheres Leben erwartet. So wie das Kapital grenzenlos agiert und dort hin geht, wo es sich am besten verwertet, haben auch Menschen das Recht dorthin zu gehen, wo sich ihre Arbeitskraft am besten verwertet. Also – globale Freizügigkeit als universelles Menschenrecht. Viele der Flüchtlinge fliehen vor Kriegen, die mit Waffen aus der EU befeuert werden. Nach Daten von SIPRI (schwed. Frifoinst) ist die EU, die sich gerne als Friedensmacht inszeniert, maßgebliche Akteurin in Sachen Rüstungsexport. Unter den TOP zehn der Rüstungsexportländer, sind sechs EU-Staaten: (F, D GB, E, I und NL). EU-Staaten stellen 27% aller weltweiten Waffenausfuhren. Die EU-Staaten liegen auf Platz zwei bei den globalen Rüstungsexporten. Noch immer werden Waffen geliefert an das verbrecherische Erdogan-Regime oder an die Kopfabschneider, das Kriegsverbrecherregime in Saudi-Arabien. Damit wird klar: Je nachdem aus welchem Blickwinkel man diese EU betrachtet, wird sie entweder als Friedensprojekt mit Friedensnobelpreis (2012) gesehen, oder als dafür verantwortlich, dass zehntausende Menschen an deren Außengrenzen zu Tode kommen. Ein Flüchtling, der zusammengepfercht in einem sinkenden Schlauchboot im Mittelmeer in Todesangst ist, oder in einem KZ-ähnlichen Auffanglager in Libyen sitzt, wird in der EU etwas anderes erkennen als ein Unternehmer, der seine hinterzogenen Steuermillionen dank EU grenzüberschreitend im Ausland parkt. Also – was die EU ist, liegt ganz im Auge des Betrachters, auf den Blickwinkel kommt es an. Aus meinem Blickwinkel ist diese EU ein Projekt, das auf postkolonialer Ausbeutung beruht, das Flüchtlinge zu tausenden ertrinken lässt und durch Waffenlieferungen Kriege befeuert.

Die EU ist auch ein militärisches Projekt, das zunehmend eigenständig militärisch agiert

Der damalige Außenminister Sigmar Gabriel und die damalige Verteidigungsministerin v.d. Leyen haben das auf der Siko 2018 eindeutig formuliert. Gabriel: „Europa braucht eine gemeinsame Machtprojektion in die Welt, bei der man auf das Militärische nicht verzichten darf“. Und v.d. Leyen wies darauf hin, dass zu den militärischen Fähigkeiten, die man aufgebaut habe, nun der Wille hinzukommen müsse, dieses militärische Gewicht auch tatsächlich einzusetzen. Noch deutlicher wurde Bundeskanzlerin Merkel auf der sog. Sicherheitskonferenz 2004, als sie zustimmend Albrigt zitierte:

Die zentrale außenpolitische Zielsetzung lautet, Politik und Handeln anderer Nationen so zu beeinflussen, dass damit den Interessen und Werten der eigenen Nation gedient ist. Die dafür zur Verfügung stehenden Mittel reichen von freundlichen Worten bis zu Marschflugkörpern.

In ihrer ersten Grundsatzrede als gewählte EU Kommissionspräsidentin am 8. November 2019 stellt Ursula von der Leyen fest, dass „soft power“ der EU nicht genügen wird, um Europas Interessen durchzusetzen. Sie forderte, Europa müsse die „Sprache der Macht“ lernen und „eigene Muskeln“ aufbauen. Und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sekundierte, dass Deutschland die Bundeswehr stärker im Ausland einsetzen solle, als bisher. Die Ministerin und CDU-Vorsitzende sagte der Süddeutschen Zeitung, die Bundesrepublik sei wie kein anderes Land "darauf angewiesen, dass wir einen freien Handel haben, der auf Regeln basiert" und dass es "offene Handelswege" gebe. Die Verteidigungsministerin fordert, wofür Horst Köhler im Mai 2010 als Bundespräsident zurückgetreten ist, nachdem er in einer Rede hervorhob,

...dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege durchzusetzen...

Folgerichtig und entsprechend dieser politischen Vorgaben wurde auf die Militarisierung der EU Kurs genommen. Der „Aufbau der militärischen Fähigkeiten“ vollzog sich in mehreren Schritten. In Stichworten die Daten:

1997: Vertrag von Amsterdam mit dem Bekenntnis zu Kriegseinsätzen zur Krisenbewältigung.
1998: Übereinkunft St. Marlo mit der Erklärung zu glaubwürdigen europäischen Streitkräften mit den Mitteln und der Bereitschaft, sie auch zu nutzen.
1999: EU-Ratstagung Köln mit dem Beschluss über die Errichtung eines Militärausschusses und eines Militärstabes.
1999: Ratstagung in Helsinki mit der Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, eine Eingreiftruppe von 15 Brigaden (60.000 Mann) aufzubauen.
2000: Die Einrichtung eines EU-Militärausschusses.
2004: EU-Beitritt der baltischen Staaten, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Malta und Zypern, sowie sowie der Beschluss über sog. Battlegroups und Errichtung einer europäischen Verteidigungsagentur.
2009: Der Lissabonvertrag, in dem es heißt, die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern und sich an europäischen Rüstungsprogrammen zu beteiligen.
2016: Beschluss des EU-Rates über eine neuen EU-Globalstrategie, in dem es heißt: „Die EU wird zur weltweiten maritimen Sicherheit beitragen und dabei auf ihre Erfahrungen im indischen Ozean und im Mittelmeer zurückgreifen und die Möglichkeiten für den Golf von Guinea, dem südchinesischen Meer und die Straße von Malakka prüfen“
2017: Beschluss über PESCO (Kürzel für permanente, strukturierte militärische Kooperation)

Entwicklung von EU einschl. Vorläuferinstitutionen und NATO

NATO EVG/EWG/EG/EU
1949: Gründung der NATO 1948: Brüsseler Pakt als Militärbündnis von Frankreich, Großbritannien und Benelux- Staaten
  1952: Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) aus Mitgliedern des Brüsseler Pakts und der BRD.
  1954: Die EVG scheitert im französischen Parlament. Londoner Akte: Westeuropäische Union (WEU) als militärischer Beistandspakt, hervorgegangen aus dem Brüsseler Pakt und zusätzlich die BRD und Italien, formell aufgelöst 2011
1955: NATO-Beitritt der BRD 1957: Römischen Verträge: Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), mit selbigen Mitgliedern wie der WEU
  1992/1993: Vertrag von Maastricht: Umbenennung der EWG in EG
1999: NATO-Beitritt von Tschechien, Polen, Ungarn 2001: Vertrag von Nizza: Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) 2007/2009: Vertrag von Lissabon: (Umbenennung in) Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)
2004: NATO-Beitritt von Estland, Lettland, Litauen, Slowakei, Slowenien, Bulgarien, Rumänien 2004: EG-Beitritt von Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Malta und Zypern
  2007: EG-Beitritt von Rumänien und Bulgarien
2008: NATO-Beitritt von Albanien, Kroatien 2007/2009: Vertrag von Lissabon: Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EU)
  2013: EU-Beitritt von Kroatien
2017: NATO-Beitritt von Montenegro 2017: Permanent Structured Cooperation (PESCO): militärische Zusammenarbeit von 25 EU-Staaten
Derzeit offizielle Beitrittskandidaten: Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien Derzeit offizielle Beitrittskandidaten: Albanien, Nordmazedonien, Montenegro, Serbien, Türkei

PESCO ist der erste Schritt zur Gründung einer Europäischen Armee. Die Mitglieder verpflichten sich zu einer ständigen Erhöhung der Rüstungsausgaben, Bereitstellung von Soldaten und Beteiligung an weitergehenden Rüstungsprojekten.

Die Militarisierung der EU ist ein Projekt des Demokratieabbaus

Entgegen demokratischer Prinzipien gibt es in der Frage der Militäreinsätze keinerlei Gewaltenteilung, denn es sind die im Rat versammelten Staats- und Regierungschefs, die hier im Alleingang entscheiden. Der Parlamentsvorbehalt, der für den Einsatz der Bundeswehr gilt, wird durch die EU-Militärstrukturen ausgehebelt. Für den Einsatz der Bundeswehr im Ausland entscheidet der Bundestag. Aber über den Einsatz z.B. von EU Battlegroups entscheidet kein Parlament, sondern dafür nicht legitimierte EU-Gremien.

Ein weiterer disaströser Zustand: Art. 41 des EU-Vertrages verbietet es, Militärausgaben aus dem EU-Budget zu leisten. Nachdem im EU-Vertrag die Verwendung von EU-Geldern für Militärausgaben untersagt sind, wurden bisher alle Militärausgaben der EU in unverdächtigen EU-Haushalten versteckt. Das betrifft etwa die Finanzierung von Drohnen aus dem Agrarhaushalt, ie Satellitensysteme Galilieo oder Copernikus, die auch militärisch genutzt werden können aus dem Forschungshaushalt, oder die Finanzierung afrikanischer Interventionstruppen aus dem europäischen Entwicklungsfond. Das ändert sich jetzt. Von Cl. Juncker wurde ein eigener militärischer EU-Verteidigungsfond vorgeschlagen, der derzeit realisiert wird.

Im Rahmen dieses Europäischen Verteidigungsfonds‘ sollen für die Jahre 2021 bis 2027 bis zu 56,6 Milliarden Euro aktiviert werden, teils aus dem EU-Haushalt selbst, teils über die Einzelhaushalte der EU-Mitgliedsstaaten. Darüber hinaus sind 10,5 Milliarden Euro geplant für EU-Einsätze und für Operationen ‚befreundeter‘ Drittstaaten sowie den Aufbau und die Aufrüstung ihres Militärs.

Andrej Hunko, europapolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE erklärt:

Der EU-Haushalt erfährt Paradigmenwechsel Richtung Hochrüstung. Der Entwurf der EU-Kommission markiert eine gravierende Verschiebung der öffentlichen Mittel von der Angleichung der Lebensverhältnisse innerhalb der EU hin zu einer Militarisierung und Abschottung nach außen.

Diese Militarisierung der EU wird den Charakter der EU fundamental verändern. Haydt und Wagner kommen zu dem Schluss: „Der EU-militärisch-industrieller Komplex erstarkt, Sozialpolitik, solidarischer Ausgleich zwischen und innerhalb der Staaten, eine aktive Klimapolitik oder eine humanitäre Flüchtlingspolitik bleiben auf der Strecke.“[2]

EU-Debatten, in denen nicht zur Sprache kommt, dass diese Union Flüchtlinge tötet und die EU zu einer Militärunion ausgebaut wird, greifen zu kurz. Die EU ist ein geopolitisches Projekt, das ergänzend zur NATO agiert und im Kern die gleiche aggressive Politik vertritt. Ein irrlichternder und unberechenbarer US-Präsident, auf dessen Entscheidungen kein Verlass ist, wird gerne als Begründung dafür genommen, dass man sich auf die eigene Kraft verlassen und mit der EU ein eigenständiger militärischer Akteur werden müsse. Da Trump die EU als Gegner betrachtet, werden in Europa die Stimmen lauter, die eine weitere auch atomare Aufrüstung fordern, da der atomare „Schutzschirm“ der USA angeblich nicht mehr zuverlässig sei.

Im Juli 2018 forderte der Politikwissenschaftler Christian Hacke, der an der BW-Hochschule in HH lehrt, Atomwaffen für Deutschland. Seine Begründung: Deutschland müsse erstmals seit 1949 ohne nuklearen Schutzschirm der USA auskommen. Deshalb müsse jeder potentielle Angreifer nuklear abgeschreckt werden können. Dabei sollte doch klar sein: Europa kann atomar nicht verteidigt, sondern nur zerstört werden. Wer mit Atomwaffen droht, droht mit dem kollektiven Suizid der Menschheit. Die EU-Staaten mischen sich zunehmend in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten mit Drohungen, Ultimaten und Sanktionen ein und beteiligen sich aktiv am Wirtschaftskrieg gegen andere Länder. So verhängt die EU Wirtschafssanktionen u.a. gegen Syrien, Russland, Iran und Venezuela, die der Infrastruktur und Bevölkerung schweren Schaden zufügen.

Das dramatischste Beispiel einer solchen Blockade ist die gegen Jemen durch die von Saudi Arabien geführte Kriegskoalition. Diese Blockade wird mit Waffen von EU-Staaten durchgeführt und ist als nichts anderes als Völkermord zu bezeichnen. In der Tradition des Kolonialismus und Imperialismus ist die EU wieder militärisch aktiv in Afrika, mit Militärmissionen in Somalia, Niger, Mali, Libyen und im Mittelmeer. Dabei geht es um einen Abschottungskrieg gegen Flüchtlinge und um militärische Sicherung von Handelswegen und Ressourcen in Afrika, der ölreichen Kaspischen Region und dem Mittleren Osten bis nach Ostasien. Gleichzeitig zu dieser Militarisierung der EU erfolgte die Einkreisung Russlands durch die Osterweiterung der NATO.
Im März 1999 wurden Ungarn, Polen und Tschechien in die NATO aufgenommen. 2004 folgten Estland, Lettland und Litauen, Slowenien, Bulgarien und die Slowakei, Rumänien, Albanien und Kroatien. 2017 wurde Montenegro als 29. Mitglied bestätigt. Mit Bosnien-Herzegowina laufen Beitrittsverhandlungen. Der Beitritt von Albanien und Nord-Mazedonien wird verhandelt…

Damit sieht sich Russland zunehmend von NATO-Stützpunkten umgeben. Verstärkt wird diese Einkreisung durch die NATO-Manöver direkt an den Grenzen Russlands. Jetzt ist ein Europäisches Mega-Militärmanöver geplant. Die Streitkräfte der USA beabsichtigen mit Beteiligung anderer NATO-Staaten und der Bundeswehr im Frühjahr 2020 die Durchführung eines militärischen Großmanövers mit der Bezeichnung „DEFENDER 2020“ (DEF 20). DEF20 ist das größte Manöver seit 25 Jahren. Mit diesem Manöver soll unter Beweis gestellt werden, dass es möglich ist, in kurzer Zeit große Mengen an Panzern und Soldaten quer durch Europa an die russische Grenze zu transportieren. Dazu werden 20.000 US-Soldaten über den Atlantik nach Osteuropa verlegt. Hinzu kommen 33.000 Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, von denen ebenfalls zwei Drittel über den Atlantik verschifft werden.

Nachdem bei der Verlegung von NATO-Truppen durch Osteuropa an die neue Ostfront, die Westgrenze Russlands, erhebliche Probleme auftraten, weil die Infrastruktur dieser Länder – also Brücken, Straßen Unterführungen – dem Transport schweren Militärgeräts nicht gewachsen war, forderte die EU–Verkehrskommissarin Violetta Bulc, der militärischen Nutzung der Verkehrswege nach Osten Vorrang einzuräumen und entsprechende Mittel dafür bereitzustellen. So sollen für 6,5 Milliarden Euro Straßen und Brücken panzerfähig gemacht werden, um eine schnellere militärische Verlegefähigkeit in Richtung Russland zu ermöglichen. Wer da Parallelen zu Hitlers Autobahnbau sieht, liegt nicht ganz falsch. Dieses Projekt findet sich zynischerweise unter dem Stichwort ‚Connecting Europe‘ im Haushaltsplan der EU bis 2027 wieder.

Die zentrale Rolle Deutschlands bei der Militarisierung der EU

Angela Merkel bekannte sich bei der Bundeswehrtagung im Mai 2018 ausdrücklich zum Ziel, den Militärhaushalt bis 2024 auf 2% des BIP zu steigern. Stefan Kornelius schreibt:

…wenn die Pläne aufgehen, wird Deutschland zwischen dem NATO-Walesgipfel (im Jahr 2014) und dem Jahr 2024 sein (Militär-WL) Budget um 80% gesteigert haben. Dabei sollte nicht in Vergessenheit geraten, dass dieses 2%-Ziel bereits 2002 auf der NATO-Ratstagung als (unverbindliche) Zielmarke einstimmig beschlossen und Deutschland unter rot-grüner Führung zustimmte.

Deutschland im Drohnenkrieg

Deutschland ist die wichtigste Drehscheibe für den blutigen globalen Drohnenkrieg der USA. Von Ramstein aus steuern amerikanische Soldaten diesen weltweiten Drohnenkrieg.
Ohne Deutschland wäre der gesamte Drohnenkrieg des US-Militärs nicht möglich“, sagte der ehemalige Drohnenpilot Brandon Bryant der Süddeutschen Zeitung. Deutschland ist das Drehkreuz für europäische CIA-Aktionen und das Trainingsgelände für weltweite Drohneneinsätze, bei denen tausende Menschen getötet wurden. „Deutsche Geheimdienste versorgen nach Angaben eines ehemaligen Pentagon-Mitarbeiters die USA systematisch mit Informationen, die in der BRD von Asylbewerbern abgeschöpft wurde und den Amerikanern bei ihren Drohnenangriffen nutzen können.

Schon 2013 war die Rede von mindestens 2000 Menschen, die, selbst nach sehr vorsichtigen Schätzungen, auf diese Weise ums Leben kamen. In Deutschland kritisieren Friedens- und Menschenrechtsgruppen, die “außergerichtlichen Hinrichtungen” verstießen gegen deutsches Recht und stellten Völkerrechtsdelikte dar, so etwa das Aktionsbündnis “Stoppt den US-Drohnenkrieg via Ramstein”. Eine Analyse der internationalen Menschenrechtsorganisation REPRIEVE über US-amerikanische Drohenangriffe in Pakistan und Jemen ergibt, dass für jede ermordete “Zielperson” durchschnittlich 28 Unbeteiligte, darunter viele Kinder, getötet worden sind. Eine seriöse Schätzung kam zum Ergebnis, dass von 2001 bis 2013 allein in Afghanistan mehr als 13.000 Menschen durch Kampfdrohnen getötet wurden.

Deutschland und große Konzerne sind Teil einer Atomkriegsvorbereitung

Bis heute lagern in Büchel 20 US-Atomwaffen. Regelmäßig trainiert die Bundeswehr mit Tornado Kampfbombern den Einsatz dieser Atomwaffen, obwohl der Deutsche Bundestag im März 2010 mit großer Mehrheit die Bundesregierung aufgefordert hat, sich für den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland einzusetzen. Im Ernstfall sind die Piloten verpflichtet, die Atombomben auf Befehl der NATO von deutschem Boden aus im Zielgebiet abzuwerfen. Dies ist nur deshalb möglich, weil sich Deutschland freiwillig an der nuklearen Teilhabe innerhalb der NATO beteiligt.

Deutschland verstößt schon seit Jahrzehnten gegen den Atomwaffensperrvertrag. Darin heißt es in Artikel II: Jeder Nichtkernwaffenstaat … verpflichtet sich, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemanden mittelbar oder unmittelbar anzunehmen. Aber nicht nur die Bundeswehr, auch deutsche Finanzkonzerne beteiligen sich an der Entwicklung und Herstellung von Atomwaffen und Trägersystemen. Mit dabei die Deutsche Bank, Commerzbank, die Bayern LB und die Landesbank Baden- Württemberg, die Deka-Gruppe, der Siemens-Finanzservice wie auch die Kreditanstalt für Wideraufbau. In einer ICAN-Studie wird nachgewiesen, dass diese Finanzkonzerne von 2013 bis 2016 insgesamt über 9 Milliarden Euro in Firmen investiert haben, die an der Herstellung von Atomwaffen und Trägersystemen beteiligt sind. Aufrüstung, „atomare Teilhabe“, Waffenexporte, Drehscheibe für den Drohnenkrieg der USA oder aktive Beteiligung am Truppenaufmarsch an der Grenze zu Russland, der neuen Ostfront – mit seiner Politik ist Deutschland Teil der Kriegsvorbereitung in Europa und weltweit. Nicht zuletzt geht es um ein gewaltiges Konjunkturprogramm für die Konzerne der Rüstungsindustrie Europas

Mit den gültigen EU-Verträgen ist kein Frieden zu machen

Die Militarisierung der EU verursacht riesige Kosten und ist Motor und Gefahr für Kriege. Stattdessen brauchen wir ein friedensstiftendes Europa, das Menschen- und Völkerrecht achtet und sich den wirklichen Problemen wie sozialer Ungerechtigkeit, weltweitem Hunger und Massenelend sowie dem ökologischen Umbau und der Erhaltung dieses Planeten zuwendet. Wir brauchen Alternativen für ein friedliches Europa und eine friedliche Welt:

  • Abrüstungspolitik durch die EU – weg mit der Verpflichtung zur ständigen Aufrüstung aus den EU-Verträgen!
  • Keine Stationierung US-amerikanischer Mittelstreckenraketen in Europa - weder in Büchel noch sonst wo!
  • US- und NATO-Militärstützpunkte schließen.
  • Stopp der Wirtschafssanktionen gegen Syrien, Russland, Iran und Venezuela!
  • Dialog und Entspannung mit Russland statt Konfrontation und Provokation!

Europa muss nicht nur demokratisiert, es muss auch entmilitarisiert werden. Siehe auch:

Walter Listl (2018): Europa wird zerfallen, wird es nicht demokratisiert und zur tödlichen Gefahr, wird es nicht entmilitarisiert Walter Listl (2019): Die USA auf dem Weg vom Handelskrieg zum heißen Krieg? Fred Schmid (2019): Wehr-Ministerin als EU-Präsidentin: Signal zu stärkerer Militarisierung Europas


[1] Samuel Huntington: Der Kampf der Kulturen, zit. Nach: Jürgen Todenhöfer: Inside IS – 10 Tage im ‚Islamischen Staat’ [2] Claudia Haydt und Jürgen Wagner (2018): Die Militarisierung der EU: Der (un)aufhaltsame Weg Europas zur militärischen Großmacht Referat bei der Frankenakademie Schloss Schney im Rahmen des Seminars „Europa am Scheideweg“ am 15.11.2019