Der Text basiert auf einem Vortrag des Autors im Rahmen des Antikriegskongresses „Auf dem Weg zur Weltmacht – Deutschlands globale Interessen und Machtansprüche“ am 1. Februar 2020 im DGB-Haus in München

Als der NATO-Gipfel in Wales 2014 den Beschluss fasste, dass die NATO-Mitglieder ohne die USA zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts möglichst binnen zehn Jahren für das Militär ausgeben sollen, lag Deutschland bei knapp 1,2 Prozent. Die läppisch erscheinenden 0,8 Prozentpunkte mehr haben es allerdings in sich. Sie bedeuten rechnerisch zwei Drittel mehr und das wirkt sich zentral auf die Stellung Deutschlands in EU und NATO aus, auf seine militärischen Potenziale und Möglichkeiten.

Bis zum Ukrainekonflikt 2014 hatte sich die Bundesregierung bezüglich einer Erhöhung des Rüstungshaushalts zurückgehalten. (Denn seit 1990 hielten sich Erhöhungen und Senkungen des Bundeswehrhaushalts in etwa die Waage: Aus Zahlen von SIPRI auf der Basis des Dollarkurses von 2016, ergibt sich zwischen 1998 und 2017 eine minimale Schwankung der Bundeswehrausgaben von höchstens 12 Prozent zwischen 43 Mrd. (Sitzen: 1999 und 2017) und etwa 38,5 Mrd. Dollar (Täler: 2006, 2007, 2013 , 2014).) Jedoch, so war es dem SPIEGEL zu entnehmen: „war (es) die Bundesregierung, die im Nato-Rat mehrere Vorschläge machte, um die Mitglieder zu höheren Militärausgaben zu animieren.“ – Also nicht Obama und schon gar nicht Trump. Von letzterem war zu der Zeit noch keine Rede. Hier kamen nationale deutsche Ambitionen zum Ausdruck.

In der Gipfelvereinbarung von Wales wurde nicht festgelegt, dass alle Staaten bis 2024 die Zwei-Prozent-Schwelle erreichen müssen. Wörtlich heißt es: „Die Bündnispartner, deren Anteil vom BIP für Verteidigungsausgaben gegenwärtig unter diesem Richtwert liegt, werden darauf abzielen, sich innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von 2 Prozent zuzubewegen.“ Darauf abzielen heißt: Man kann auch darunterbleiben, nur das Bemühen um die Erreichung des Zieles muss erkennbar sein.

Klar ist, die NATO-Aufrüstung richtet sich gegen Russland. Anknüpfend an die Zeit des Kalten Krieges wird den Russen ständig eine Angriffsabsicht auf NATO-Gebiet unterstellt, gegen die wir uns hier zu verteidigen hätten. Das ist ein Standardargument, das kaum noch jemand hinterfragt, und insofern eigenartig, weil Fakten offen auf dem Tisch liegen, die diese Behauptung als absurd entlarven.

Die Kräfteverhältnisse

Russland ist zwar riesig an Fläche, aber die Einwohnerzahl ist gemessen daran klein. Während in den NATO-Staaten über 900 Millionen Menschen leben, sind es in Russland weniger als 150 Millionen.

Bei der Wirtschaftleistung ist der Unterschied am gravierendsten: Er beträgt fast 24 zu 1 zu Gunsten der NATO-Länder. (Genau das 23,896 fache (2017). Die Summe der BIPs der NATO-Staaten beträgt 37.709 Mrd. USD. Russlands BIP beläuft sich auf 1.578 Mrd. USD. Fischer Weltalmanach 2019. Berechnungen des Autors.)

Schauen wir die militärischen Kräfteverhältnisse im konventionellen Bereich an. a href="http://www.dw.com/de/welt-am-abgrund-der-münchner-sicherheitsbericht/a-2482455""Auch dort herrscht ein immenses Ungleichgewicht zugunsten der NATO  im Vergleich zu der 2002 gegründeten östlichen Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, kurz OVKS. Diese hat folgende sechs Mitglieder: Armenien, Kasachstan, Kirgistan, Russland, Tadschikistan und Weißrussland.

Die NATO verfügt aktuell über 3,26 Millionen aktive Soldatinnen und Soldaten, davon 1,9 Millionen in Europa – die OVKS über knapp mehr als eine Million. Die NATO hat also dreimal so viele Soldaten unter Waffen und allein in Europa doppelt so viele wie Russland. Das der NATO nahestehende International Institute for Strategic Studies in London zählt weltweit die Kriegswaffen. Aus ihrem Jahrbuch The Military Balance 2019 lassen sich folgende Vergleiche zwischen NATO und OVKS ermitteln: Die NATO hält das Doppelte an Kampfpanzern im aktiven Dienst, verfügt über fast 90 Prozent mehr an gepanzerten Kampffahrzeugen, hat das 3,8fache an Kampfflugzeugen und das 5,3fache an Kampfhelikoptern aktiviert. (Berücksichtigt man auch die eingelagerten Kampfpanzer und Artilleriesysteme von NATO und OVKS, so halten sich diese jeweils in etwa die Waage.) Und die NATO hat das 7,7fache an hochseegängigen Überwasserkampfschiffen und das 2,7fache an taktischen U-Booten.

Bei den Militärausgaben ist die NATO-Übermacht noch augenfälliger. Nach ihrer eigenen Definition für Verteidigungsausgaben errechnet die NATO für Russland 2018 den Betrag von 63,1 Milliarden Dollar, die eigenen Ausgaben gibt sie für das Jahr mit 972 Milliarden Dollar an – das ist mehr als das 15fache Russlands. Und noch ein Vergleich: Die NATO-Ausgaben allein nur für neue Ausrüstungen lagen 2018 3,5mal so hoch wie die gesamten Militärausgaben Russlands. (Die NATO schätzt ihre Gesamtausgaben 2018 für equipment auf 236,937 Mrd. US-Dollar, davon NATO-Europa: 61,2 Mrd. US-Dollar.)

Während Russland laut Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI seine Ausgaben seit 2016 um mehr als 22 Prozent gesenkt hat, sind die der NATO um 6,5 Prozent gestiegen und sollen nach NATO-Angaben 2019 noch mal einen Sprung um 7 Prozent auf über eine Billion Dollar gemacht haben (1.039 Mrd.).

NATO-Schätzungen für 2019 besagen auch, dass ihre europäischen Mitglieder und Kanada zusammen 310 Mrd. Dollar für ihr Militär ausgegeben haben. Planungen dieser Staaten weisen laut NATO aus, dass diese Summe bis Ende 2024 auf 661 Mrd. US-Dollar steigen wird. Nicht, dass man nun denkt, die Inflation sei an dieser exorbitanten Steigerung schuld, nein, dabei handelt es sich um einen inflationsbereinigten Wert. Das bedeutet, dass die NATO-Staaten – ohne die USA – ihre Militärhaushalte von heute an in den nächsten fünf Jahren mehr als verdoppeln wollen! Das ist krass, aber noch nicht alles. Generalsekretär Stoltenberg hob hervor, dann erst hätten 16 der 29 Mitglieder das Zwei-Prozent-Ziel erreicht. Es gibt also noch 13 weitere Staaten, die das Zwei-Prozent-Ziel erst später erreichen wollen. Darunter die Schwergewichte Deutschland, Italien, Kanada, Spanien und die Niederlande. Das heißt, die 661 Milliarden Dollar für Ende 2024 sind nur eine Zwischenstation.

Übrigens: Die USA geben in diesem Jahr 738 Milliarden für Militär aus. (Ein Plus von 22 Milliarden oder 7,2 Prozent gegenüber 2019. Der Militäranteil am US-BIP beträgt 3,42 Prozent (2019).)

Für diese Aufrüstungsorgie tragen die NATO-Regierungen die Verantwortung. Die Begründung, einen russischen Angriff abzuschrecken, hat keine Grundlage. Russland befindet sich in der Defensive.

USA kündigten INF-Vertrag

Um den Druck auf Russland und China zu erhöhen, steigern USA und NATO ihre Manövertätigkeit, mit „Defender 2020“ in Europa in diesem Jahr und im nächsten Jahr in Asien. USA und NATO treiben zudem die Militarisierung des Weltraums voran. Besonders gravierend: Die USA haben den INF-Vertrag im vergangenen Jahr aufgekündigt. Was die USA konkret mit den daraus resultierenden neuen Möglichkeiten, nun auch landbasierte Mittelstreckensysteme in unmittelbarer Nachbarschaft Russlands und Chinas aufstellen zu können, anfangen, ist zurzeit unklar.

Die USA haben im August und im Dezember bodengestützte Flugtests durchgeführt, die nach dem INF-Vertrag verboten gewesen wären. Zuerst einen Marschflugkörper mit einer Reichweite von 1.000 km, dann eine Rakete mit rund 500 km Reichweite. NATO-Generalsekretär Stoltenberg hat mehrfach verkündet, dass die NATO nicht beabsichtige, Atomraketen in Europa zu stationieren. Das schließt die Stationierung von konventionell bestückten Mittelstreckenwaffen nicht aus, wobei allgemein bekannt ist, dass diese leicht atomar bestückt werden können. Aber auch lediglich konventionell bestückte Mittelstreckenwaffen, nahe an der russischen Grenze stationiert, sind aufgrund ihrer hohen Präzision und geringen Vorwarnzeit eine große neue Bedrohung für Russland. Zudem können die US-Startvorrichtungen für das in Rumänien und Polen installierte Raketenabwehrsystem durch leichte Modifikationen für den Start von Marschflugkörpern genutzt werden. Russland hat Gegenmaßnahmen angekündigt: konkret die Entwicklung der Landvariante eines seegestützten Marschflugkörpers und die einer Hyperschallmittelstreckenrakete.

Sie wolle diese nur für den Fall stationieren, wenn die USA sie stationierten. Die russische Regierung gibt an, ihre Antwort wäre dann in jedem Fall nuklear, denn sie könne nicht wissen, welche US-Sprengköpfe montiert seien. Es liegt also an USA und NATO, ob sie ein atomares Wettrüsten in Europa in Gang setzen.

Was China betrifft: US-Verteidigungsminister Mark Esper gab im August an, man wolle „konventionelle Mittelstreckenraketen in Asien“ stationieren und zwar „so schnell wie möglich“, wenn möglich innerhalb von Monaten. Geschehen ist diesbezüglich allerdings noch nichts Sichtbares.

Eine zweite nukleare Angelegenheit ist extrem bedeutsam: Am 5. Februar 2021 läuft der NEW-START-Vertrag aus. Er ist der letzte noch zwischen den USA und Russland existierende Nuklear-Vertrag. Er begrenzt die atomare strategische Rüstung auf je 700 Trägersysteme und 1.550 Sprengköpfe. Russland erklärt, ihn, so wie es der Vertrag ermöglicht, um fünf Jahre verlängern zu wollen, die USA äußern sich nicht. Käme es nicht zu einer Verlängerung, fallen alle Schranken für ein atomares Wettrüsten. Eine gegenseitige Rüstungskontrolle entfiele. Die USA könnten ihr Modernisierungsprogramm der Atomwaffen, das sie binnen 30 Jahren 1.200 Milliarden Dollar kosten soll, ungestört fortsetzen. Die Aussichten im Nuklearbereich sind düster, die Spannungen nehmen zu[1]. Die konventionellen Rüstungen scheinen dagegen klein zu sein. Die Betonung liegt auf scheinen. Kommen wir zur Bundeswehr zurück.

Was bedeuten zwei Prozent des BIP für unser Land?

Seit dem Beschluss von Wales 2014 ist der deutsche Rüstungshaushalt von damals 34,75 auf 47,9 Milliarden Euro im letzten Jahr gestiegen – ein Plus von 38 Prozent binnen fünf Jahren. 2014 betrug der Ausgabenanteil am BIP Deutschlands nach NATO-Kriterien 1,18 Prozent, 2019 berechnet die NATO für Deutschland 1,38 Prozent. Nach NATO-Angaben zählen zu den NATO-Kriterien neben den Ausgaben des Verteidigungshaushalts (Einzelplan 14) die Ausgaben für UN-Einsätze (Einzelplan 5, Auswärtiges Amt) und für „Ertüchtigung“ befreundeter ausländischer Streitkräfte (EP 60). Die Bundesregierung selbst hält die Ausgaben, die unter das Rubrum NATO-Kriterien fallen, geheim und verweist auf die Unterlagen, die in der Geheimschutzzelle des Bundestages einsehbar seien. Dem EP 60 werden künftig auch die deutschen Beiträge für den EU-Verteidigungsfonds (Insgesamt 13 Mrd. Euro) entnommen, die zu den NATO-Kriterien zählen werden. Ebenso verfahren wird wahrscheinlich mit den deutschen Beiträgen für die „Militärische Mobilität“ (Insgesamt 6,5 Mrd. Euro) und Gelder für die „Generaldirektion Verteidigungsindustrie und Weltraum“ (insgesamt 6 Mrd. Euro) sowie die außerhalb des EU-Haushalts angesiedelte „Europäische Friedensfazilität“ für EU-Militäreinsätze (10,5 Mrd. Euro). Die deutschen Anteile daran sind unbekannt, zumal sich erst mit den Beratungen des EU-Gipfels (ab 20.02.20) entscheiden wird, wie hoch die jeweiligen Ausgaben im Zeitraum 2021 bis 2027 sein werden. Ein Drittel der Steigerung erfolgte von 2018 nach 2019. Das Wachstum setzt sich auch in diesem Jahr fort. Die Bundestagsbeschlüsse für 2020 sehen Ausgaben – nach NATO-Kriterien – von 50,3 Milliarden Euro vor, was schätzungsweise 1,42 Prozent des zu erwartenden deutschen BIP entsprechen würde. Allerdings sieht die Finanzplanung der Bundesregierung bis 2023 sinkende Militärausgaben vor. Der Ansatz soll dann um 1 Milliarde unter den jetzigen Ausgaben liegen. Die neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer plädiert für eine Steigerung bis 2023 – und darüber hinaus.

Ihre Vorgängerin im Amt, Ursula von der Leyen, hatte schon im Mai 2018 gegenüber der NATO angekündigt, dass Deutschland für 2024 die Marke von 1,5 Prozent anstrebe. Dies wurde im Februar 2019 in einem offiziellen Regierungsschreiben an die NATO nochmal bekräftigt. Um wie viel Milliarden Euro konkret es sich bei 1,5 Prozent handeln würde, darüber gibt es eine interessante Veröffentlichung im SPIEGEL. Das Nachrichtenmagazin gibt aus einem internen Papier des Verteidigungsministeriums wieder, „dass die Verteidigungsausgaben zum Erreichen der 1,5-Prozent-Marke bis 2025 auf 62,5 Milliarden Euro steigen“. Diese Zahl berücksichtigt die Kriterien der NATO und liegt um 12 Milliarden über den 50,3 Milliarden Euro in diesem Jahr.

Im erwähnten Schreiben an die NATO vom Februar 2019 stand ein wichtiger Nachsatz – wörtlich: „Dieser Anstieg soll nach 2024 fortgesetzt werden.“ Diese Absichtserklärung trägt nicht nur die Unterschrift der Union, sondern auch die der SPD. Die Aufklärung darüber, was „Anstieg“ konkret heißen könnte, ließ lange auf sich warten. Kramp-Karrenbauer gab im Oktober 2019 das Zieljahr, in dem das Zwei-Prozent-Ziel erreicht werden soll, an: 2031. Über welche Ausgabenhöhe es sich dann handeln wird, darüber schweigt die Regierung. Gut, die Prognose ist vage, hängt natürlich von der Entwicklung des deutschen BIP ab und ist wegen der Krisenhaftigkeit des kapitalistischen Wirtschaftssystems schwierig. Woran soll man sich da orientieren? Legt man offizielle Annahmen der Bundesregierung zugrunde, ergibt sich folgendes Bild. Ihre konkrete Prognose für das deutsche BIP im Jahr 2023 beläuft sich auf 3.942 Milliarden Euro an. Das bedeutet eine jährliche Steigerung des BIP von 2013 bis 2023 von im Durchschnitt 111 Milliarden Euro. Denken wir den Achtjahres-Zeitraum 2023 bis 2031 weiter, addieren wir also 888 Milliarden, landen wir 2031 bei einem BIP von 4.830 Milliarden Euro. Davon 2 Prozent bedeuten 96,6 Milliarden – also fast 100 Milliarden Euro! Das bedeutet von heute an eine Verdopplung bis 2031.

Die Frage stellt sich: Wofür brauchen die so viel Geld?

Allein schon die folgende – unvollständige – Liste von kürzlich beschlossenen oder in den kommenden Jahren anstehenden Beschaffungsentscheidungen macht den Geldbedarf deutlich: Die kleinste Teilstreitkraft, die Marine, soll vier Mehrzweckkampfschiffe (MKS 180) für 5,3 Milliarden Euro erhalten – das kostspieligste Projekt der Deutschen Marine seit 1945-, sowie zwei U-Boote für über eine Milliarde Euro. Fünf neue Korvetten, ihr Bau ist gestartet, kosten ca. 2 Milliarden Euro. Die Luftwaffe will Kampfdrohnen – „Eurodrohnen“ genannt. Sie sollen laut Schätzungen mit 3 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Für den TORNADO-Nachfolger, der ab 2025 angeschafft werden soll, werden Anschaffungskosten von „mehr als 10 Milliarden Euro“ angenommen, für 38 neue Eurofighter sollen etwa 5 Milliarden ausgegeben werden und ein neues taktisches Luftverteidigungssystem verschlingt wohl 10 Milliarden Euro. Der Preis für den größten Brocken für das Heer, 350 Schützenpanzer PUMA, verdoppelt sich auf 6 Milliarden Euro, und weitere PUMA sind geplant, die wahrscheinlich 3 bis 4 Milliarden Euro kosten werden.

Das sind Elemente eines langfristigen Plans, den die Regierung verfolgt. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, nennt es einen 12-Jahres-Plan.

Was hat es mit dem 12-Jahres-Plan auf sich?

Vor mehr als vier Jahren, im Januar 2016, gab von der Leyen bekannt, dass bis 2030 insgesamt die Summe von 130 Milliarden Euro für neue Ausrüstungen und Waffen benötigt würden. Ob diese riesige Summe reichen wird, um die Ambitionen zu bezahlen, wird sich zeigen. Welche sind das?

2013, also vor der Ukraine-Krise, hat Deutschland der NATO das sogenannte Rahmennationen-Konzept vorgeschlagen, das ein Jahr darauf tatsächlich auf dem NATO-Gipfel in Wales verabschiedet wurde. Dieses Konzept beinhaltet folgende Neuerung: Unter den europäischen NATO-Staaten gibt es nun drei sogenannte Rahmennationen: Das sind Deutschland, Großbritannien und Italien. Um sie herum gruppieren sich jeweils kleinere Armeen mit speziellen Funktionen. In jeder Gruppe hat die „Rahmennation“ die Führung. So auch Deutschland in der deutschen. Sie stellt dafür Logistik und Kampfverbände zur Verfügung. Das Ganze ist kein Pappenstiel. Der deutschen „Rahmennation“ haben sich 21 europäische Nationen angeschlossen. Es sind sowohl NATO- als auch EU-Mitglieder und die Schweiz[2].

Erste handfeste Maßnahme als „Rahmennation“ ist die deutsche Rolle in der Schnellen Eingreiftruppe der NATO, der „NATO-Response-Force“ (NRF). Die Deutschen haben Interesse an der superschnellen „Speersitze“ der NRF. Schon 2015 beteiligte sich die Bundeswehr maßgeblich an ihrem Aufbau. Diese „Speerspitze“ (mit dem umständlichen Namen „Very High Readiness Joint Task Force (VJTF)“) hat eine Truppenstärke von 5.000 bis 8.000 Mann und ist binnen zwei bis sieben Tagen weltweit komplett verlegbar. Im letzten Jahr hat Deutschland mit rund 4.000 Soldatinnen und Soldaten die Führung dieser „Speerspitze“ übernommen. Das wird 2023 wieder der Fall sein.

Das „Bühler-Papier“

Konkretisierungen der deutschen Aufrüstung lieferte das „Bühler-Papier“. Im April 2017 gab der damalige Chef des Planungsstabes der Bundeswehr, Generalleutnant Erhard Bühler, einen veränderten Kurs vor: Man habe den Fokus bisher zu sehr auf Auslandseinsätze allein gelegt. Angesichts der (angeblichen) Gefahr durch Russland müsse künftig die „Landes- und Bündnisverteidigung“ gleichwertig im Fähigkeitsprofil der Bundeswehr berücksichtigt werden, hieß es. Bühler spricht von einer fundamentalen Änderung des Maßstabes. Das „Bühler-Papier“ bildete die konzeptionelle Grundlage für das im Wesentlichen geheime so genannte „Fähigkeitsprofil der Bundeswehr“, das Generalinspekteur Eberhard Zorn im September 2018 unterzeichnet hat. Teile seines Inhalts sind durch exklusive Berichte über das „Bühler-Papier“ in der FAZ (1, 2) öffentlich gemacht worden.

Demnach soll das Deutsche Heer so aufgerüstet werden, dass es ab 2031 über zehn vollständig ausgerüstete Brigaden verfügt. Heute verfügt die Bundeswehr nur über sechseinhalb (darunter ist eine Lehrbrigade) nicht voll ausgerüstete Brigaden sowie über Anteile an der Deutsch-französischen Brigade. Voll ausgerüstet heißt: zu 100, nicht zu 70 Prozent, wie zurzeit. Und – das ist bedeutsam – als „Rahmennation“ soll Deutschland insgesamt 15 Brigaden führen können. Die erste deutsche komplette Brigade soll die sein, die 2023 die „Speerspitze“ der NATO Response Force stellt.

Was ändert sich durch die volle Ausrüstung von sechseinhalb auf 10 Brigaden? Dafür gibt das „Bühler-Papier“ folgendes preis: Es bedeutet ein Plus von 27 Bataillonen also von etwa 20.000 Heeressoldaten mehr, was etwa ein Drittel mehr ist als heute. (Ein Bataillon umfasst 600 bis 800 Soldaten.) Das schließt folgendes ein: den Ausbau der Artillerie auf fast das Fünffache – nämlich von 3 auf 14 Bataillone. Dafür sollen neue Artilleriesysteme angeschafft werden. Hinzu kommt der Ausbau der Infanterie. Die braucht demnach fünfmal so viele Radpanzer wie heute. Zudem würden mehr Kampf- und Schützenpanzer benötigt, so wie mehr Military Airbusse und Kampfdrohnen. Zahlen gibt es dazu noch nicht. Außerdem sollen bis zu 60 schwere Transporthubschrauber hinzukommen. Zudem soll Seekrieg aus der Luft wieder möglich gemacht werden. Die Flotte der Marine soll bis 2030 um ein Drittel wachsen. Das heißt, jedes Jahr kommt ein Schiff hinzu.

Deutlich wird: Es handelt sich hier nicht lediglich um neue Ausrüstung, um damit angebliche Lücken zu schließen, wie es Kanzlerin, Außenminister und die neue Verteidigungsministerin AKK belieben zu sagen, sondern es ist eine massive Aufrüstung.

Darauf fußend hat das Verteidigungsministerium gegenüber der NATO dann Nägel mit Köpfen gemacht – und das an Parlament und Öffentlichkeit vorbei. Anfang 2018 wurde bekannt, dass die Bundeswehr ab 2027 eine voll einsatzbereite schwere Division vorhalten will, die aus drei Brigaden mit je 4.000 bis 5.000 Soldatinnen und Soldaten besteht. Und es kommt noch gewaltiger: „Ab 2032 hat Deutschland der NATO dann sogar drei voll einsatzbereite Divisionen zugesagt.“ Das sind die zehn Brigaden aus dem „Bühler-Papier“ und bedeuten ca. 60.000 Heeressoldaten, die sehr kurzfristig losschlagen können. Das ist der Zwölf-Jahres-Plan. Kommen wir nun zur…

EU-Militarisierung

Seit der Brexit-Entscheidung im Juni 2016 beschleunigt das deutsch-französische Tandem diese rasant. Es soll eine „Gemeinsame Kriegskasse“, Verteidigungsfonds genannt, eingerichtet werden, PESCO ist auf den Weg gebracht und über eine EU-Armee wird diskutiert.

Das will ich nicht alles im Detail ausführen. Nur so viel: Für den Verteidigungsfonds sind im Entwurf von 2021 bis 2027 insgesamt 13 Milliarden Euro vorgesehen, um damit grenzübergreifende Rüstungsprojekte mit einem Zuschuss von 20 Prozent zu fördern. Das würde Beschaffungsausgaben von bis zu 65 Milliarden Euro generieren. Das ist der neuen Chefin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, offensichtlich zu wenig. Sie, die bereits den Bundeswehrhaushalt in ihrer Zeit als deutsche Verteidigungsministerin in die Höhe trieb, und nun in ihrem Selbstverständnis einer „geopolitischen Kommission“ vorsitzt, sagte: „Wenn man sich die Summen anschaut, die die USA für Forschung und Rüstung ausgeben und wir hier 13 Milliarden Euro über sieben Jahre verteilt haben, dann sind das Kleckerbeträge.” Deshalb kann folgende Meldung kaum verwundern: „Von der Leyen strebt einen 100 Milliarden Euro umfassenden EU-Verteidigungsfonds an,“ schreibt die FAZ.

Kommen wir nun zu einzelnen militärischen Projekten.

Im Entwurf des EU-Haushaltsplans 2021 bis 2027 taucht die Kategorie „Militärische Mobilität“ auf, um die militärische Verlegefähigkeit schwerer Heereswaffen in Richtung Osten zu gewährleisten. Unzureichende Straßen, Brücken und Bahnstrecken wurden identifiziert, die mittels 6,5 Milliarden Euro für den militärischen Schwerlastverkehr nutzbar gemacht werden sollen.

In PESCO, die englische Abkürzung für Ständige Strukturierte Zusammenarbeit im militärischen Bereich, haben sich 25 Mitglieder bisher auf 47 militärische Projekte verständigt.

Ein PESCO-Großprojekt ist die sogenannte Eurodrohne, eine zehn Tonnen schwere Kampfdrohne, die auch im europäischen Luftraum unterwegs sein soll. Die Führung bei der Herstellung der „Eurodrohne“ hat Airbus und hält etwa 50 Prozent, Dassault Aviation 35 und die italienische Firma Leonardo 15 Prozent am Projekt. Außereuropäische Rüstungskonzerne sind nicht beteiligt. Inzwischen haben vier Länder konkretes Interesse an der Bestellung der „Eurodrohnen“ bekundet. Das sind Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien. Zusammen wollen sie bisher 21 Systeme à drei Maschinen. Somit ergeben sich 63 „Eurodrohnen“. Deutschland will 21, Frankreich will 18. Über die beiden anderen Länder sind öffentlich keine Zahlen verfügbar. Streit gibt es über den Preis. Die Industrie fordert 9,8 Milliarden, die Regierungen bieten 6 bis 7 Milliarden Euro. Das bedeutet: egal, wo die Preisverhandlungen enden – irgendwo zwischen 100 und 150 Millionen Euro pro Stück -, eine „Eurodrohne“ wird etwa so viel kosten wie ein Eurofighter. In diesem Jahr soll der Beschluss gefasst werden, sie zu entwickeln. Ihr Flugstart ist um zwei Jahre auf 2027 verschoben worden. Aber: die „Eurodrohnen“ sind gemessen an dem was sonst noch auf dem Weg ist, ein kleines Projekt.

Es sind drei deutsch-französische Rüstungsprojekte am Start, die von außerordentlicher, ja epochaler Bedeutung sind. Sie sind außerhalb von PESCO angelegt. Das sind neue Generationen von Kampfpanzern, von Artilleriesystemen und von Kampfflugzeugen. Sie wurden 2017 zwischen Macron und Merkel in einer Regierungserklärung vereinbart.

Neue Kampfpanzer-Generation MGCS

Bis 2035 sollen neue Kampfpanzer produktionsreif sein und die Leopard 2 der Bundeswehr und die Leclerc-Panzer in der französischen Armee ersetzen. Der Begriff Kampfpanzer wird beim Projektnamen vermieden. Er heißt Main Ground Combat System (MGCS). Denn Ziel ist es, „ein Hightech-System zu entwickeln, bei dem Robotik und Waffen wie Hochgeschwindigkeitsraketen eine entscheidende Rolle spielen.“ MGCS soll so zu einem militärischen Game-Changer werden. Ziel ist es auch, das neue Waffensystem zum Standard-Panzer in Europa zu machen, um die Vielzahl der Typen – von 17 ist die Rede – abzuschaffen. Die EU soll so zu einer ernstzunehmenden Militärmacht werden. Der Geschäftsführer der Münchner Panzerschmiede Krauss-Maffei Wegmann, Frank Haun, rechnet in den nächsten 25 bis 30 Jahren in Europa mit einem Bedarf von 5.000 Kampfpanzern im Wert von 75 Milliarden Euro. Deswegen sind sein Konzern Krauss-Maffei Wegmann (KMW), Hersteller der Leopard-Panzer, und der französische Leclerc-Hersteller Nexter 2015 zur Firma KNDS fusioniert, um das neue MGCS herzustellen (KNDS = KMW + NEXTER Defence Systems). Für das Projekt mussten sie den Kanonenhersteller Rheinmetall mit ins Boot holen. Nach langem Machtgerangel haben die drei Seiten sich darauf verständigt, die noch zu gründende Projektgesellschaft zwischen Deutschland und Frankreich zu gleichen Teilen aufzuteilen: Nexter hält 50 Prozent, KMW und Rheinmetall je 25 Prozent. Während hier im Gesellschafterkreis eine deutsch-französische Parität herrscht, werden die Arbeitspakete auf Nexter, KMW und Rheinmetall gedrittelt, so dass es hier ein deutsches Übergewicht gibt. Gesteuert werden soll das MGCS-Projekt von einem 18-köpfigen „Combat Project Team“, in dem die deutsche Seite die Führung hat. Das heißt also, das Projekt steht unter deutscher Führung. Allerdings „sollen die Werke in Deutschland und Frankreich zu gleichen Teilen profitieren.“ An weltweite Umsätze von rund 100 Milliarden Euro bis in die 40er Jahre hinein wird gedacht. „Von 30 Milliarden Euro Auftragsumfang ist die Rede,“ allein für Deutschland und Frankreich, weiß das Handelsblatt zu berichten.

Neue Generation Artilleriesysteme

Für die Entwicklung der neuen Generation von Artilleriesystemen ist eine Projektstudie in Arbeit. Ziel ist es, ein Artilleriesystem herzustellen, dass bis 2040 in der Bundeswehr Mörser und Mehrfachraketenwerfer ablösen soll. KMW-Geschäftsführer Haun schätzt das Umsatzvolumen für Artilleriesysteme in Europa bis 2050 auf 25 Milliarden Euro.

Nexter, KMW und Rheinmetall sind Hersteller sowohl von Kampfpanzern als auch von Artilleriesystemen. Sie erwarten daraus ein Umsatzvolumen von insgesamt 125 Milliarden Euro. 2018 addierte sich der Jahresumsatz der drei Firmen auf gerademal rund 6 Milliarden Euro. Laut Sipri.org: Insgesamt 6,6 Mrd. USD: Rheinmetall 3,8 Mrd. USD, KMW 1,7 Mrd. USD, Nexter 1,08 Mrd. USD. Deutlich ist, welche irrsinnige Aufrüstungsdimension hier vorbereitet wird.

Das dritte Großprojekt, was ebenfalls unabhängig von den USA entwickelt werden soll, ist das neue…

Kampfflugzeugsystem FCAS

Französische Rafale-Kampfflugzeuge und Eurofighter werden in 20 Jahren ihre Altersgrenze erreicht haben. Sie sollen dann durch eine neue Generation von Kampfflugzeugen abgelöst werden, einem System, das als „System der Systeme“ bezeichnet wird. Es besteht aus einer Integration von bemanntem oder unbemanntem Kampfflugzeug, Kampfdrohnen, bewaffnetem Drohnenschwarm, Aufklärungs-, Transport – und Tankflugzeugen, Satelliten und AWACS-Maschinen, Schiffen und Künstlicher Intelligenz, verbindet also Systeme in Weltraum, Luft, Wasser, Land und dem Cyberraum. Deshalb wurde dafür der umfassende Name Future Combat Air System (FCAS) gewählt, also Luftkampfsystem der Zukunft. Der Rafale-Hersteller Dassault soll das Kampfflugzeug herstellen. „Für das Gesamtsystem einschließlich geplanter Drohnenschwärme, Satelliten und Bodenstationen ist dagegen Airbus zuständig“. Die Drohnenschwärme testete Airbus bereits 2018 über der Ostsee. Sie sollen bewaffnet sein und „unter Umständen schon Mitte des kommenden Jahrzehnts Einsatz finden“, berichtete die FAZ vor einem Jahr. Das heißt, in fünf Jahren wäre es soweit. Drohnenschwärme werden – folgt man der Einschätzung von Fachleuten – künftig kriegsentscheidend sein. Die USA und China sind in diesen Entwicklungen führend. Hierzulande entwickelte das Heer in den letzten Jahren Thesenpapiere und Kriegsszenarien, die sich mit einem „technologisch gleichwertigen Gegner“ befassen. Ergebnis: Die Entwicklungsabteilung des Heeres leitet daraus ab, dass die Bundeswehr umfassend mit automatisierten und autonom gesteuerten unbemannten Flugsystemen ausgerüstet werden muss. Künstliche Intelligenz erhält dabei eine zentrale Bedeutung (1, 2).

Verwendung sollen Drohnen finden, die kleiner als Tennisbälle oder über einen Meter groß sind. Sie fliegen in Formationen zu Hunderten oder zu Tausenden. Dabei dient die Anwendung künstlicher Intelligenz dazu, die Schwärme automatisch handeln zu lassen (Stichwort: Killer-Roboter): Als Punktaufklärer, um Angriffsziele zu markieren; zum Sperren eines Raumes mit automatischer Überwachung der Sperre und für den Einsatz von Bomben oder Raketen gegen Gegner und zum Einsickern in gegnerisches Gebiet, um so Angriffe in mehreren Wellen im Kamikazemodus ausführen zu können (Übersättigungsangriffe).

Es gibt weitere Anwendungsbeispiele, die Horrorfantasien keine Grenzen setzen.

Der Chef der Airbus-Rüstungssparte Dirk Hoke erklärt – sehr komprimiert – den FCAS-Systemverbund: „Es geht um die Schaffung einer europäischen Cloud-Lösung mit Standardisierung der militärischen Kommunikation und Konnektivität. Dadurch sollen die Informationen aller Land-, See-, und Luftsysteme zusammenlaufen, in Echtzeit analysiert werden und Auswertungen situationsbedingt zurückgespielt werden. […] Wir sprechen hier“, so Hoke, „von dem prägendsten Hochtechnologieprojekt in der europäischen Verteidigung der nächsten fünf Jahrzehnte“. Hoke übertreibt nicht. Das Projekt wird „nach Schätzungen aus der Branche,“ so das Handelsblatt, „einen Umsatz von 500 Milliarden Euro bringen“. Das ist das Fünffache des bisher größten europäischen Rüstungsprojekts – dem Eurofighter. (Die 140 Eurofighter der Tranchen 1 bis 3A kosteten knapp 25 Milliarden Euro. Für insgesamt 623 bestellte Eurofighter müssen rund 100 Milliarden Euro berappt werden.) Allein für die FCAS-Entwicklung werden Kosten von 80 bis 100 Milliarden Euro genannt. Wenn wir uns vor Augen führen, dass Airbus und Dassault zurzeit zusammen jährlich 12 bis 13 Milliarden Euro Umsatz mit Rüstung machen, wird klar, welches enorme Wachstum sich diese Rüstungskonzerne durch das FCAS-Projekt bescheren wollen. Laut Sipri.org machte Airbus mit Rüstung 2018 einen Umsatz von 10,65 Mrd. USD, Dassault 2,93 Mrd. USD. Während einer Produktionslaufzeit von 20 Jahren würde sich ihr Umsatz vervielfachen. Airbus würde im Rüstungsbereich Umsätze machen wie die größten Rüstungskonzerne der Welt.

Durch das FCAS-Projekt würde ein Luftwaffengigant im Weltmaßstab gebildet. Das FCAS ist wegen der angestrebten umfassenden echtzeitlichen Integration aller Teilstreitkräfte und des Weltraums geeignet, weltweit die Vorherrschaft zu erlangen. Die militarisierte EU wäre Weltmacht unter deutsch-französischer Führung. Seit Juni letzten Jahres ist Spanien als Unterzeichner eines Rahmenabkommens dazugekommen. Bis Anfang 2021 soll eine Konzeptstudie fertig sein. 30 Millionen Euro hat der Bundestag dafür bereits bewilligt. Die Herstellung eines flugfähigen Demonstrators soll bis 2026 folgen.

Diese Megaumsätze lassen sich nur über expansiven Export erzielen. Da müssen die deutschen Waffenausfuhrgrundsätze den laxeren französischen angepasst werden. Zeiten, in denen deutsche Vetos aufgrund politischer Bedenken Berlins französische Rüstungsexporte stoppen, sollen möglichst unterbleiben. Dementsprechend ist auch die neue deutsch-französische Übereinkunft Mitte Oktober abgefasst worden. Die FAZ darüber: „Bei den Gemeinschaftsprojekten FCAS und MGCS sollen die jeweiligen Partner ein Einspruchs- und Konsultationsrecht in Exportfragen haben, wenn sie ihre nationale Sicherheit bedroht sehen. Zudem soll ein Partner, wenn er nur Zulieferer ist, ein Exportprodukt nur dann blockieren können, wenn auf ihn mindestens 20 Prozent des Exportwertes entfallen.“ Die Frage stellt sich, wie kann durch ein und denselben Waffenexport gleichzeitig die deutsche Sicherheit bedroht sein und die französische nicht? Das ist unvorstellbar. Das Abkommen erleichtert die Rüstungsausfuhr noch mehr als eh schon und wird von den deutschen Rüstungsfirmen ausdrücklich begrüßt. Sie können den Hals nicht voll genug kriegen. Und das in einem Jahr, indem die erteilten Genehmigungen mit 8,015 Milliarden Euro so hoch waren wie nie – und Genehmigungsstopps galten – wenn auch löchrige. Wegen der „unmittelbaren“ Teilnahme am Jemen-Krieg wurde jenen Ländern schon im Koalitionsvertrag vom März 2018 bedeutet, dass „ab sofort“ keine Ausfuhren genehmigt werden. Das klang gut für das Publikum, hatte allerdings ein großes Hintertürchen. Schon erteilte Genehmigungen blieben gültig für die Fälle, in denen die Firmen angeblich nachweisen konnten, dass die Rüstungsgüter im Empfängerland bleiben. Durch dies Hintertürchen schlüpften Genehmigungen für die Jemen-Krieg-Teilnehmer Ägypten in Höhe von 802 Millionen und die Emirate in Höhe von 206 Millionen Euro. Gegenüber Saudi-Arabien wurden nach dem Kashoggi-Mord im November 2018 Genehmigungen und Ausfuhren rein deutscher Güter gestoppt. Das betraf vor allem Patrouillenboote, aber die Ausbildung von Schiffsmannschaften und die Lieferung von Ersatzteilen für die bereits gelieferten 15 Kriegsschiffe ging munter weiter. Auch gibt es Zulieferungen für Gemeinschaftsprojekte mit französischen und britischen Firmen. Allerdings sollen diese auf einen Export an Saudi-Arabien und die Emirate verzichten. Ob diese sich darauf einlassen, ist unklar.

Zusammengefasst: Die NATO-Staaten rüsten massiv auf. In zehn Jahren wird Deutschland dank seiner ökonomischen Stärke in Europa auch die militärische Nummer 1 sein. Denn während für Frankreich und Großbritannien zwei Prozent für Militärausgaben als Anteil am BIP 70 Milliarden Euro bedeuten, gibt Deutschland 100 Milliarden Euro dafür aus. (BIP Deutschlands (2017) 3.263 Mrd. Euro, BIP Frankreichs (2017) 2.288 Mrd. Euro. Das deutsche BIP liegt um 42,85 % über dem französischen[3].) Künstliche Intelligenz und Killer-Robotik, verbaut in neuen Generationen von Kampfflugsystemen, Kampfpanzern und Artilleriesystemen soll Deutschland zur europäischen Führungsnation machen, um so seine Weltmachtambitionen zu realisieren.

Was können wir dagegen tun? Zuerst: Aufklären. Da fällt euch Münchnern qua Wohnort eine hohe Verantwortung zu: Die Rüstungsfirmen Airbus Defence and Space haben in Taufkirchen und KMW in München-Allach ihre Zentralen. Die Unterschriftensammlung „Abrüsten statt Aufrüsten“ muss viel mehr unterstützt werden als bisher. Gleiches gilt für die „Aktion Aufschrei“- Stoppt den Waffenhandel, und die Kampagne für einen Atomwaffenverbotsvertrag der UNO. Das sind laufende, bekannte Kampagnen. Ich denke, stärker in unseren Fokus rücken muss der Kampf gegen US- und NATO-Manöver und um das Verbot von Killer-Robotern.

[1] Vgl. Lühr Henken (2019: Was folgt nach dem Ende des INF-Vertrags?, in: Lühr Henken (Hrsg.) Verunsicherungen trotzen – Konfliktanalysen und Lösungsansätze aus der Friedensbewegung, S. 100 bis 118, Kasseler Schriften zur Friedenspolitik Band 25, Kassel
[2] Christian Badia (2019): Das Rahmennationenkonzept, Europäische Sicherheit & Technik (ESuT), S. 40 bis 44, S. 42
[3] NN (2019): Fischer Weltalmanach, S. 105 bzw. S. 165; Berechnungen des Autors