Als einzige große Volkswirtschaft verzeichnet die Volksrepublik China für 2020 ein positives Wirtschaftswachstum. Während das weltweite BIP im vergangenen Jahr um 4,3% schrumpfte, die Wirtschaft der kapitalistischen Metropolen einbrach – USA: - 3,6%; Eurozone: - 7,6%; Deutschland: - 5,0%; Japan: - 5,3% - hat die Wirtschaftsleistung in China um 2,3% zugelegt (der Output der Industrie stieg um 2,8%). Trotz einer Dreifach-Krise mit der es das Land zu tun hatte: Covid-19-Pandemie, ökonomische Krise infolge des strengen Lockdowns und drittens Handelskrieg, den die USA bereits 2019 vom Zaun brachen und in dessen Verlauf die chinesische Außenwirtschaft mit Strafzöllen und Sanktionen bombardierten.

Covid-19-Pandemie nicht besiegt aber unter Kontrolle

China war das erste Land, das mit voller Wucht von der Virus-Seuche getroffen wurde, im Januar 2020. Aufgrund strikter und konsequenter, vom Westen meist bespöttelter und diffamierter Eindämmungsmaßnahmen („Freiheitsberaubung“), aber war es auch das erste, das das Virus in Griff bekam und die Bevölkerung wieder in ein weitgehend normales und freies Leben entlassen konnte. Das schließt ein gelegentliches Aufflammen der Infektionen nicht aus, wie vor kurzem in der Provinz Hebei. Aber die bisherigen Zahlen sprechen für sich: Mitte Januar registrierte die Johns-Hopkins-University weltweit 96 Millionen bestätigte Infektionen und über zwei Millionen Tote (2,064 Mio). Aufgrund eines besseren Krisenmanagements hat China mit knapp 20 Prozent der Weltbevölkerung (1.400 Millionen Einwohner) einen verschwindend geringen Anteil daran: 98.000 Infizierte und 4.800 Tote. Der Westen dagegen, der die tödliche Seuche monatelang bagatellisierte und auch angesichts der tödlichen Gefahr nur halbherzige Maßnahmen ergriff, wurde von der vollen Wucht der Pandemie getroffen: Am letzten Amtstag von Trump (19.01.2021) überschritt die Zahl der Corona-Toten in den USA erstmals die Schwelle von 400.000. Für die EU beklagte die Gesundheitskommissarin Kyriakides zum gleichen Zeitpunkt ebenfalls „mehr als 400.000 Corona-Tote“. Nicht mehr eingerechnet sind die 90.000 Toten Großbritanniens. Insgesamt steht der „Westen“ (USA, EU, UK) nur für 11 Prozent der Weltbevölkerung. Alle Hoffnung richtet sich nun auf Immunisierung durch Impfen. Doch der Impfstoff steht vorerst nur in sehr wenigen Dosen zur Verfügung. Die Impf-Prozedur dürfte sich bis Ende des Jahres hinziehen. Umso wichtiger wären im Vorfeld konsequente Abschirmungsregelungen, zumal sich die aggressiveren Mutationen des Virus schnell verbreiten. Der SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach: „Ehrlich gesagt wäre ein kompletter Lockdown im Moment das Beste. Ich glaube nicht, dass wir die Situation sonst früh genug in den Griff bekommen, wenn wir in einem Teil-Lockdown bleiben“. Doch die Unternehmen reizen nicht einmal die Möglichkeiten von home-office voll aus, um ihre „Mitarbeiter“ zu schützen: „Profit vor Gesundheit!“.

Wirtschafts-Krise als Chance genutzt

Der strenge Lockdown mit Shutdown der Betriebe hatte in China ökonomisch schwer ins Kontor gehauen. Im ersten Quartal 2020 ging die Wirtschaftsleistung um 6,8% gegenüber dem entsprechenden Vorjahresquartal zurück. Die China-Astrologen, wie etwa vom Berliner Merics (Mercator Institute for China Studies), prophezeiten China eine handfeste Rezession mit einem Jahres-Minus. Doch die chinesische Wirtschaft erholte sich nach dem Lockdown schnell; von Quartal zu Quartal ging es aufwärts: Q2 + 3,2% (jeweils gegenüber Vorjahr), Q 3: + 4,9%; Q 4: + 6,5%. Das Jahreswachstum von + 2,3% war zwar das niedrigste seit 1976 (Maos Todesjahr), aber immerhin positiv und mehr als doppelt so hoch als im Juli vom IWF prognostiziert (1,0%). Gerade das letzte Quartal zeigt an, dass die Wirtschaft wieder brummt und voll im Aufschwungsmodus ist. Der „Chefökonom“ von Merics, Max Zenglein, muss zugestehen: „Die chinesische Wirtschaftsentwicklung 2020 bot sicher einen der wenigen Lichtblicke in der Welt“. Die sonst so verteufelte staatslastige Planwirtschaft Chinas erwies sich als das einzige Zugpferd der Weltwirtschaft, das durch den hohen Bedarf an Maschinen, optischen Geräten, Autos und Nutzfahrzeugen etc., unter anderem die exportlastige „freie“ deutsche Marktwirtschaft aus dem Krisensumpf zog. Der Einbruch der deutschen Konjunktur ist deshalb mit minus fünf Prozent noch moderat ausgefallen, im Vergleich zu den meisten EU-Ökonomien. Wie nach der Finanzkrise 2008/09 rettete die „sozialistische Marktwirtschaft“ Chinas abermals die kapitalistische Weltwirtschaft.

Größtes Export-Wachstum Chinas gegenüber USA – trotz Handelskrieg

Politik der verbrannten Erde! Bis zu seinen letzten Amtstagen deckte Trump die Volksrepublik mit Sanktionen und Strafmaßnahmen gegen chinesische Firmen ein. Umso erstaunlicher, dass China, wiederum als einzige Volkswirtschaft, 2020 ein Wachstum des Güterhandels verzeichnen konnte. Die Exporte stiegen mit + 3,6% schneller als das BIP: Gesamtvolumen 2,59 Billionen Dollar. Die Importe gingen um 0,7% zurück: 2,06 Billionen US-Dollar. Der Handelsbilanzüberschuss betrug 530 Milliarden Dollar – was die chinesischen Devisenreserven weiter ansteigen ließ: Sie erhöhten sich um 108,6 Milliarden Dollar auf 3,22 Billionen Dollar. Der ultimative Gag: Trotz Trumps Strafzöllen, Sanktionen, Exportkontrollen und Decoupling-Strategie nahm Chinas Handel mit den USA weit überdurchschnittlich zu: Chinas Exporte in die USA stiegen im Jahr 2020 um 7,9 Prozent auf 452 Milliarden Dollar; die chinesischen Importe aus den USA stiegen um 9,8% auf 135 Milliarden US-Dollar, wie aus Daten der General Administration of Customs (GAC) hervorgeht. Im Jahr 2019 waren in der ersten Phase des Handelskriegs die chinesischen Exporte in die USA um 12,5% eingebrochen. Die USA waren im vergangenen Jahr nach ASEAN und der EU der drittgrößte Handelspartner Chinas. Der Anstieg der Importe aus den USA ist vor allem darauf zurückzuführen, dass China seine Verpflichtungen aus den Handelsvereinbarungen mit den USA vom Februar 2020 erfüllt hat. So stiegen die chinesischen Importe von Agrargütern um 66,9% (Sojabohnen +56%, Schweinefleisch + 224%, Baumwolle + 122%; Rohöl + 88%). Die Haupthandelspartner Chinas: 1. ASEAN: Handelsvolumen (Ex- und Importe): 684,6 Mrd. USD (+ 6,7%); 2. EU: 649,5 Mrd. (+ 4,9%); 3. USA: 568,7 (+ 8,3%); 4. Japan: 317,5 (+ 0,8%); 5. Südkorea: 285,2 (+ 0,3%). Auslandsinvestitionen: China war auch 2020 begehrtes Zielland für ausländische Direktinvestitionen: Diese stiegen um 6,2% auf 154,6 Milliarden Dollar, das ist nach den USA der zweithöchste Wert. Die ausgehenden chinesischen DI beliefen sich auf 132,94 Milliarden Dollar und waren damit um 3,3% höher als im Vorjahr. Die nicht-finanziellen Investitionen in die teilnehmenden Länder an der Seidenstraße (Belt & Road Initiative) erhöhten sich 2020 um 18,3% auf 17,8 Milliarden Dollar. Im Jahr 2020 wurden in China 38.570 Firmen mit ausländischer Beteiligung gegründet, über 100 am Tag.

Schwachpunkt Privater Konsum

Das chinesische Wirtschaftswachstum 2020 war getragen von gestiegenen Anlageinvestitionen (+ 2,9%) und der Zunahme des Außenbeitrags (Exporte minus Importe). Die Staatsausgaben trugen vergleichsweise wenig zur Stimulierung bei. Anders als bei der Finanzkrise 2009, wo China das weltgrößte Konjunkturprogramm auflegte, ist der Anteil des chinesischen Konjunkturpakets am BIP diesmal niedriger als bei den anderen großen Volkswirtschaften. Der Schwachpunkt liegt beim Privaten Konsum, wie aus den Einzelhandels-Umsätzen deutlich wird. Sie gingen im Jahresverlauf zurück: - 3,9%. Auch im Minus der Importe von 0,7% wird die Zurückhaltung der Konsumenten deutlich. Die Gastronomie brach gar um 16,6% ein. Hauptgrund für weniger Konsum und damit korrelierend mehr Sparen dürfte die Angst vor einer zweiten Corona-Welle gewesen sein. Im letzten Quartal 2020 zeichnete sich eine Trendumkehr ab: Die Einzelhandelsumsätze nahmen um 4,6% zu.

Verdoppelung der Pro-Kopf-Einkommen in den letzten zehn Jahren

Mit unzureichender Kaufkraft der Verbraucher dürfte die Konsumzurückhaltung nichts zu tun haben. Die Realeinkommen der Stadt- und Landbewohner stiegen, mit Ausnahme 2009 (Finanzkrise!), in den vergangenen Jahrzehnten von Jahr zu Jahr. Selbst im Krisenjahr 2020 erhöhte sich das preisbereinigte (reale) Einkommen pro Chinese um 2,1%. Im Jahr 2012 hatte der Nationale Volkskongress festgelegt, dass sich das Pro-Kopf-Einkommen von 2010 bis 2020 im Rahmen des 12. und 13. Fünfjahrplans verdoppeln soll. Ende 2020 meldete das NBS (National Bureau of Statistics) Vollzug der Vorgabe. Das Pro-Kopf-Jahres-Einkommen war bei 32.189 Yuan angelangt. In Euro umgerechnet sind das 4100 Euro (342 Euro im Monat). Die Chinesen bezeichnen das als Beginn der Phase „bescheidenen Wohlstands“, in die man eingetreten sei. Wobei sich erhebliche Diskrepanzen zwischen Stadt- und Landbewohner auftun. Das verfügbare Einkommen der Stadtbewohner stieg 2020 nominal um 3,5% (Inflationsrate 2,5%) auf jährlich 5584 Euro (465 Euro monatlich), dass der Landbewohner um 6,9% auf 2182 Euro im Jahr (182 Euro monatlich). Die 285,6 Millionen Wanderarbeiter verdienen überdurchschnittlich 4072 Yuan, etwa 518 Euro im Monat. Dennoch: Der „Wohlstand“ ist bislang äußerst bescheiden. Das sollten all jene im Westen beachten, die aus ökologischen Gründen das hohe chinesische Wachstum kritisieren. Selbst wenn man die höhere Kaufkraft eines Dollar/Euro in China mit einbezieht – etwa 70 Prozent höher als im Westen – ist der Lebensstandard eines Durchschnitts-Chinesen niedriger als der eines deutschen Niedriglöhners. Es gibt nur zwei Möglichkeiten den Lebensstandard zu erhöhen: Wachstum des Brutto-Inlandsprodukts (BIP) und damit des Lohnkuchens und/oder Umverteilung der Einkommen von oben nach unten. Im Entwurf des neuen Fünfjahrplans (2021 – 2025), der im März vom Nationalen Volkskongress verabschiedet wird, ist erstmals Umverteilung als Ziel angestrebt. Das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen der obersten Einkommensgruppe erreichte 2020 10.230 Euro (Jahr), während die unterste Einkommensgruppe nur 1.002 Euro registrierte. Geradezu obszön ist allerdings der Vermögenszuwachs der Superreichen im Corona-Jahr: Nach dem Reichtumsbericht der Schweizer UBS (Union de Banques Suisse) leben von den weltweit 2.189 Milliardären, 415 in China - weltweit die zweitgrößte Milliardärsgruppe. Sie nannten ein Vermögen von durchschnittlich 4,2 Milliarden Dollar ihr Eigen. Die Vermögenswerte gingen vor allem mit dem Boom an den chinesischen Börsen nach dem Lockdown stark in die Höhe. Der reichste Festlandschinese ist Jack Ma, Mitbegründer der Alibaba Group mit einem Vermögen von 58,5 Milliarden Dollar. Positiv zu vermerken ist andrerseits, dass das chinesische „Jahrhundertziel“, Beseitigung der absoluten Armut, mit Ende des Jahres 2020 erreicht wurde. Seit 1978 sind über 700 Millionen Chinesen aus der extremen Armut befreit worden (dazu eigener Bericht). Ein Indikator für den Ressourcenverbrauch ist auch das BIP pro Kopf. Hier ist China noch immer auf dem Niveau eines Entwicklungslandes. Mit 16.700 Dollar (kaufkraftbereinigt) pro Kopf rangierte es 2019 an 80. Stelle in der Welt, hinter Botswana und Nordmazedonien. China punktet in der Wirtschaftsmacht nur dank seines Bevölkerungsreichtums. Oder wie es Deng Xiaoping formulierte: „Alles wird viel, wenn man es mit einer Milliarde multipliziert und alles wird wenig, wenn man es durch eine Milliarde dividiert“ (der Faktor ist heute 1,4 Milliarden). Das Pro-Kopf-BIP der führenden kapitalistischen Industrieländer (G-7) ist ein Vielfaches höher und entsprechend auch der Ressourcen-Verbrauch und Ausstoß von Klimagasen, selbst wenn man eine andere Struktur und höhere Effizienz der Produktion unterstellt: USA 65.000 Dollar BIP pro Kopf, Deutschland 56.000, Japan 43.000 Dollar – jeweils nach Kaufkraftparitäten.

Job-Wunder

Das Jahresziel im Plan 2020 war angesichts coronabedingten Wirtschaftseinbruchs im ersten Quartal schon sehr ambitioniert: 8,98 Millionen neue Arbeitsplätze sollten im Jahresverlauf geschaffen werden. Am Ende des Jahres waren es 11,86 Millionen neue Jobs. Eine Übererfüllung des Plans von 132 Prozent. Die städtische Arbeitslosenquote reduzierte sich von 6,2% im Februar auf 5,2% im Dezember und lag im Jahresdurchschnitt bei 5,6%. Vor 2020 lag sie meist bei 4,5 Prozent. Die Zahl der Wanderarbeiter sank 2020 um 1,8 Prozent auf 285,6 Millionen. Die relativ reibungslose Urbanisierung war in China nur möglich, weil es bisher gelang, jährlich 12 Millionen und mehr städtische Arbeitsplätze zu schaffen. 90 Prozent der Arbeitsplätze werden von Klein- und Mittelbetrieben geschaffen.

US-Präsident Biden: „China aus dem Feld schlagen“

Die chinesische Wirtschaft hat sich nach dem beispiellosen Einbruch im ersten Quartal 2020 schnell erholt und ist wieder auf starkem Wachstumskurs. Sie hat dadurch ihre Position in der Weltwirtschaft gestärkt. Chinesische Ökonomen gehen davon aus, dass der Beitrag Chinas zum Welt-BIP im Jahr 2020 von 17 Prozent auf 19 Prozent gestiegen ist und 2021 weiter zunimmt. Die Weltbank prognostiziert, dass Chinas BIP 2021 um etwa 8% zulegen wird, bei einem Wachstum der gesamten Weltwirtschaft von 5,2%, der USA um 3,5% und der Eurozone um 3,6%. Dies wird die Aufholjagd Chinas gegenüber den Metropolenländern weiter beschleunigen. Die westlichen Länder werden erst Mitte 2022 wieder das Vorkrisenniveau erreichen. Der Abstand Chinas zu den USA dürfte sich in den beiden Jahren 2020/21 um gut zehn Prozentpunkte verringern, was für die USA eine ungeheure Herausforderung bedeutet. „China gewinnt im Systemvergleich“ titeln die Professoren an der FU Berlin Jürgen Gerhards und Michael Zürn: „China ist heute mehr als nur Gegenpol in einem multipolaren Machtgefüge der internationalen Politik. Es ist zum zentralen Konkurrenten im Wettbewerb der Systeme aufgestiegen, so dass selbst die EU den Begriff der Systemkonkurrenz reaktiviert hat“. Und: „Die großen Unterschiede in der Bewältigung der Pandemie und ihrer gesellschaftlichen Folgen lassen China als Legitimationssieger aus dem Systemwettbewerb des Jahres 2020 erscheinen“. Es bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen sich angesichts dieser Prognosen aus der Ankündigung des US-Präsidenten ergeben, China aus dem Feld schlagen zu wollen. Aus diesem Grund wird es keine Entspannung oder gar Frieden im Handelskrieg zwischen den USA und China geben. Die USA werden auch unter Biden versuchen, China auf Abstand zu halten. Die USA sollten eine „aggressive Haltung“ gegenüber der Bedrohung durch China einnehmen, sagte Bidens neue Geheimdienst-Chefin Avril Haines. Mehr noch. Biden will angeblich die beiden politischen Lager in den USA versöhnen, was bei der extremen Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft nicht gelingen wird. Lediglich in der Konfrontation gegen China gibt es eine parteiübergreifende Gemeinsamkeit. Die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates in Washington, Emily Horne sagte: „Präsident Biden freut sich darauf, mit Führern in beiden Parteien darauf hinzuarbeiten, Amerika so zu positionieren, dass es China aus dem Feld schlägt“.