Neun junge Menschen wollten vom Verfassungsgericht feststellen lassen, dass das geltende Klimaschutzgesetz zu schwach ist, um die Klimakrise einzudämmen und ihr Recht auf eine menschenwürdige Zukunft zu schützen. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss, veröffentlicht am 29. 4. 2021, dieser Verfassungsbeschwerde größtenteils stattgegeben. Die Argumentation des Gerichtes: Der Artikel 20a des Grundgesetzes verpflichtet: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen." Darunter fällt nach Gerichtsbeschluss auch der Klimaschutz.

Die Richter erheben die Pariser Beschlüsse (deutlich unter 2 °C Erhöhung bleiben, möglichst bei 1,5 °C) in den Verfassungsrang. Ausreichender Klimaschutz ist verpflichtend für die deutsche Regierungspolitik. Sie sagen weiter, dass das Argument, der deutsche Beitrag zur weltweiten Emission bzw. Emissionsreduzierung zu klein sei zur tatsächlichen Verhinderung des Klimawandels, unerheblich sei – ein wichtiger Punkt: Deutschland muss nach Kräften mit beitragen zum Klimaschutz.

Die Richter schließen sich den Erkenntnissen der Naturwissenschaftler an, dass der Klimawandel, aufgrund der bisherigen Verzögerungen effizienter Klimaschutzpolitik, bereits so weit fortgeschritten ist, dass zur Einhaltung der Pariser Beschlüsse weltweit nur noch eine bestimmte, begrenzte Menge an Treibhausgasen emittiert werden darf: nur ein begrenztes Budget an Treibhausgasen ist noch verfügbar. Dieses Budget soll so auf die Weltbevölkerung aufgeteilt werden, dass pro Person derselbe Anteil noch verfügbar ist.

Und jetzt zum Beschluss des Gerichtes: Unter diesen Vorgaben besteht die große Gefahr, so die Richter, dass aufgrund der schwachen Ziele des geltenden deutschen Klimagesetzes für die Emissionsreduzierung bis 2030 das für Deutschland sich ergebende Budget noch hinnehmbarer Emissionen zum großen Teil bereits bis 2030 aufgebraucht sein wird. Die Folge der unzulänglichen Klimaschutzpolitik wäre dann, dass die junge Generation künftig ab 2030 unverhältnismäßig belastet wird. Denn dann müsste aufgrund des äußerst knappen Restbudgets ab 2030 den nachfolgenden Generationen eine äußerst schnelle Emissionsreduzierung auferlegt werden, um die Pariser Beschlüsse seitens der deutschen Politik erfüllen zu können. Sie könnten dann kaum mehr oder nur mit äußerster Anstrengung erfüllt werden, was daher die Freiheitsrechte, die Handlungsmöglichkeiten der Folgegenerationen unzumutbar beschränken würde. Verfassungswidrig ist es also, das Ziel des Klimaschutzes heute so nachlässig anzugehen, dass später zwangsläufig immense, unverhältnismäßig viel höhere Anstrengungen nötig sind. Verfassungswidrig ist es, die Gesamtkosten des Klimaschutzes in einem unverhältnismäßig großen, also unzumutbaren Ausmaß auf die Folgegenerationen zu schieben. Das BVG sieht hier die Generationengerechtigkeit in Gefahr. Die Verfassungsrichter sagen klar, dass die Lasten gleich verteilt und nicht auf die nachfolgende Generation abgeschoben werden dürfen. Die Schonung künftiger Handlungsfreiheit verlangt daher, den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten.

Die Richter verlangen von der Politik, die Klimagesetzgebung so zu ändern, dass die Einschränkungen aufgrund der notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Menschen vor den Auswirkungen des Klimawandels gleichmäßig auf die heutige und die folgenden Generationen verteilt werden. Bis Ende 2022 darf sich die Regierung Zeit lassen für eine Änderung des Klimagesetzes.

Ergebnis also: Die Erde mutwillig zu verheizen, und den Stopp dieser Verbrennung einfach den kommenden Generationen aufzubürden, ist jetzt in Deutschland gerichtlich verboten worden. Der Verursacher muss sich an der Schadens-Wiedergutmachung beteiligen. Schön, dass so eine Selbstverständlichkeit gerichtliche Anerkennung findet. Recht so!

Unsere Einschätzung des Klimagesetzes: Wir kritisierten, dass der Preishebel, auf den sich das Gesetz in erster Linie stützt, sozial diskriminiert, eine zu geringe Wirksamkeit aufweist (für die sich Gesetz und Begleittexte im Übrigen gar nicht interessieren) und daher ein höchst unzureichendes Lenkungsinstrument ist. Unser Fazit war, dass die deutsche Klimapolitik geprägt ist durch "das aktive Ignorieren der Notwendigkeiten und das bewusste Torpedieren forcierter Anstrengungen zur Rettung des heutigen Klimazustandes." Das hat das BVerfG jetzt auch so festgestellt.

Gebiete, die im Jahr 2100 voraussichtlich unterhalb des jährlichen Hochwasserspiegels liegen werden

Quelle: climatecentral.org