"Stell Dir vor, ein Meteorit rast auf die Erde zu, und keine Sau interessiert’s.“ Das klingt nach der Handlung des Films „Don’t look up“. Darin versuchen zwei Wissenschaftler:innen, die Menschheit vor einer Meteoriten-Katastrophe zu warnen. Sie scheitern an Ignoranz, Machtkalkül und Bequemlichkeit. Der Film kam 2021 in die Kinos. Zwei Jahre später könnte der Meteorit genauso gut Klimakrise, Welthunger oder Armut heißen. Wir wissen, was schiefläuft. Wir wissen auch, was wir tun müssten. Aber am Ende geht alles so weiter wie bisher.

Für den Medienwissenschaftler Martin Andree steht der Meteorit für die Zersetzung unserer Demokratie durch amerikanische digitale Megakonzerne also Google (Alphabet), AmazonFacebook (Meta), Apple und Microsoft –, auch Big Tech genannt. Ihr Einfluss auf unsere Gesellschaft sei so gewaltig, sagt Andree, dass wir ohne deren Dienste kaum noch funktionierten.

Andree schrieb kürzlich ein Buch zum Thema. „Big Tech muss weg“ ist ein Pamphlet gegen die Übermacht der Digitalkonzerne. Der Titel sei massentauglich, sagt der Autor im Gespräch, denn der Einfluss digitaler Monopole gehe uns alle an. Monopole? Wie, Monopole? Heute gibt es doch eine Fülle an Websites, Plattformen und Social-Media-Kanälen! Stimmt. Sieht man aber, wem die führenden Plattformen gehören, wer die Technologie herstellt und die Apps programmiert, dann bleibt nur eine kleine Handvoll großer Big-Tech-Konzerne.

Vor allem im Medienbereich ist diese Übermacht ein Problem. Denn laut Andree sind digitale Medien heute unsere Leitmedien. Das heißt, wir konsumieren immer mehr Nachrichten online. Das tun wir vor allem in digitalen Räumen, die nach den Big-Tech-Logiken funktionieren. Also vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) bis zur Lokalzeitung, von der politischen Alternativseite bis zum Hipster-Blogger in Mitte – alle nutzen die Apps und Plattformen der Big Tech. Deren Algorithmen sind allerdings nicht auf die Bedürfnisse politischer Willensbildung in Deutschland getrimmt, sondern auf die Profitinteressen der Konzerne. Damit beeinflussen amerikanische Profit-Logiken, welche Informationen deutsche Medienkonsument:innen bekommen und welche nicht. Andere Anbieter:innen sehen alt aus.

Beispiel ÖRR: Der ist im digitalen Raum ein Zwerg unter Riesen

Beispiel ÖRR: Der ist im digitalen Raum ein Zwerg unter Riesen. Laut Andrees Messungen liegt die gesamte Nutzungszeit des ÖRR am gesamten Nutzer:innenaufkommen gerade mal bei einem Prozent. Dagegen kommt der Alphabet-Konzern, mit YouTube und Google, auf über 18 Prozent. Meta erreicht mit Facebook, WhatsApp und Instagram über 15 Prozent. Auch deshalb finden wir ARD-Krimis auf YouTube-Kanälen. Der ÖRR will uns erreichen, schaufelt sich aber sein eigenes Grab. Denn so bleibt das Nutzer:innenaufkommen auf den Big-Tech-Plattformen konzentriert und der ÖRR abhängig von den Big-Tech-Regeln.

Ähnliches gilt für die Presse – auch deren Online-Angebote hängen vor allem von Google oder Facebook ab. Zusätzlich gab Google bisher rund 210 Millionen Euro für Medienförderung aus – ein Großteil ging an deutsche Großverlage. Das heißt, deutsche Medien geraten immer mehr in Abhängigkeit von den amerikanischen Megakonzernen. Die schaffen Strukturen, ohne die Journalismus tatsächlich nicht mehr funktionieren würde. Letztlich scheint die Meteoriten-Symbolik also mehr als passend. Aber am Ende interessiert’s doch keinen, oder?

 

Erstveröffentlichung in Berliner Zeitung, 5.Sept. 2923.