Trotz der Erfolge ultrarechter und nationalistischer Parteien in vielen EU-Ländern, werden die drei Fraktionen der politischen Mitte - die christdemokratische EVP, die sozialdemokratische S&D und die liberale Renew - auch im neuen Europaparlament eine klare Mehrheit bilden können.

 

 

Im Wahlkampf hatte sich von der Leyen auch offen für eine Zusammenarbeit mit ultrarechten Parteien gezeigt hat, etwa mit den faschistischen Fratelli d’Italia von Italiens Regierungschefin Georgia Meloni. Das Kriterium war nur noch, eindeutig pro-NATO, pro Ukraine und gegen Russland zu sein. Die Zusammenarbeit mit der extremen Rechten in Europa ist kein Tabu mehr)


 

Die Europäische Volkspartei EVP, Familie der konservativen Parteien, bleibt mit 186 Mandaten stärkste Kraft und konnte Stimmen hinzugewinnen, vor allem aufgrund  der  Ergebnisse in Deutschland, Spanien und Polen.

Die Sozialdemokraten der S&D-Fraktion verlieren leicht und kommen auf 135 Sitze.

Für die Liberalen, Renew Europe, kommt aus Frankreich das Debakel der Macron'schen Liberalen, das dazu führt, dass die Renew-Fraktion rund 20 Abgeordnete - fast ein Fünftel ihrer Sitze - verliert: es ist das schlechteste Ergebnis in absoluten Zahlen,  

Die Grünen stürzen von über 70 auf 53 ab.

Die Ultrarechten in der Fraktion der "Konservativen und Reformisten" (ECR) haben dank Meloni und der polnischen Pis gut zugelegt, auch wenn der Zuwachs in der Straßburger Kammer kaum sichtbar ist: 73 Sitze (+4).

Die andere ultrarechte Fraktion, die Fraktion "Identität und Demokratie" (ID), legen um 10 auf 58 Sitze zu. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die kürzlich ausgeschlossene AfD in der Fraktion fehlt. Der Erfolg von ID ist dem Rassemblement National von Le Pen zu verdanken.
Zusammen kommen die beiden Fraktionen der Nationalisten, Ultrarechten und Faschisten auf 131 Abgeordnete - mehr als ein Sechstel des Parlaments. Zum ultrarechten Lager müssen noch eine Reihe fraktionsloser Abgeordneter hinzugezählt werden: 16 der AfD, 11 der ungarischen Fidesz.

Die Linksfraktion The Left bleibt mit 36 Abgeordneten insgesamt stabil und wird durch italienische Abgeordnete der "Alleanza Verdi e Sinistra" (AVS) – ein Bündnis der Linkspartei Sinistra Italiana und der Partei der Grünen – gestärkt.

Nicht zu vergessen sind die 100 Abgeordneten der Fraktionslosen (darunter die ungarische Partei von Ministerpräsident Orbán, Fidesz, aber auch die 5-Sterne aus Italien, die noch auf der Suche nach einer europäischen Heimat sind) und die fraktionslosen Neulinge (z.B. die Partei von Sarah Wagenknecht).

Aus der Linksfraktion ist durchgesickert, dass es Interesse an Sahra Wagenknechts BSW gibt, der aus einer Abspaltung der Linken hervorgegangenen Partei, die sechs Abgeordnete ins Europäische Parlament gewählt schickt und nun eine politische Zugehörigkeit anstrebt. Aber auch die 5-Sterne-Bewegung umwerben das BSW.

Von der Leyen auf der Suche nach einer Mehrheit

Noch am Sonntagabend betonte von der Leyen die zentrale Bedeutung der Europäischen Volkspartei (EVP) und die Notwendigkeit, die bisher geleistete Arbeit mit den beiden anderen großen europäischen Parteifamilien fortzusetzen. Sie werde Sozialdemokraten und Liberale wegen einer möglichen Zusammenarbeit ansprechen, so von der Leyen. "Ich habe immer gesagt, dass ich eine breite Mehrheit für ein starkes Europa aufbauen möchte".

"Diese Wahlen haben uns zwei Botschaften vermittelt“, so die Kommissionspräsidentin. "Erstens: Es gibt weiterhin eine Mehrheit in der Mitte für ein starkes Europa“. Da aber "die Extreme, links und rechts, an Zustimmung gewonnen haben“, trage das Ergebnis gerade deshalb eine große Verantwortung für die pro-europäischen Parteien. "Wir mögen uns in einzelnen Punkten unterscheiden, aber wir haben alle ein Interesse an Stabilität und wir wollen alle ein starkes und leistungsfähiges Europa", schloss sie ihre Ausführungen.

Die drei Fraktionen – Europäische Volkspartei EP, Progressive Allianz der Sozialdemokraten S&D und die liberale Renew Europe Group - kommen auf mehr als 400 Sitze, das ist rein rechnerisch eine klare Mehrheit im neuen Parlament, dem 720 Abgeordnete angehören werden.

Die Grünen erwähnte von der Leyen am Wahlabend nicht als mögliche Partner für eine Zusammenarbeit.
Bereits im Wahlkampf hatte sie auf das, was jahrelang ihre "Herzensangelegenheit" gewesen war, verzichtet, den "Green Deal", was die Grünen nicht daran hindert, von der Leyen ihre Unterstützung anzubiedern.

Die stellvertretenden Vorsitzende der ultrarechten EKR-Fraktion, Assita Kanko, erklärte am Wahlabend: "Wir haben gut mit von der Leyen zusammengearbeitet, ich wüsste nicht, was uns daran hindern sollte, mit ihr weiter zusammenzuarbeiten.“

Wahlergebnisse in einigen ausgewählten Ländern

Deutschland

CDU/CSU kommen auf 30 Prozent und 29 Sitze (+-0). An zweiter Stelle liegt die AfD mit 15,9 Prozent und 15 Sitzen (+6). SPD 13,9 Prozent und 14 Sitze (-2); Grüne 11,9 Prozent und 12 Sitze (-9); BSW 6,2 Prozent und 6 Sitze; FDP 5,2 Prozent und 5 Sitze.

Die Partei Die Linke kommt noch auf 2,7 Prozent und 3 Sitze (-2). Damit muss Özlem Demirel aus dem EU-Parlament ausscheiden.

Die Tierschutzpartei kommt auf einen Abgeordneten, der Mitglied der Linksfraktion wird.

Welcher Fraktion sich die Abgeordneten des BSW anschließen werden, ist noch offen.

Weitere Ergebnisse:
Freie Wähler 3 Sitze (+1); Volt 3 Sitze (+2) Die PARTEI 2 Sitze (+1); FAMILIE 1 Sitz; ÖDP 1 Sitz; PdF 1 Sitz.

Belgien

Wahlsieger ist der ultrarechte flämische Vlaams Belang (VB) mit 14,5 Prozent, gefolgt von den flämischen Nationalisten Nieuw-Vlaamse Alliantie (N-VA) mit knapp 14 Prozent.

Die Abgeordneten des Vlaams Belang sind Mitglied der Fraktion "Identität und Demokratie" (ID), eine Fraktion von sieben nationalistischen und ultrarechten Parteien, zu der unter anderem auch die österreichische FPÖ, die italienische Lega, die französische Rassemblement National von Le Pen gehören. Die AfD wurde kürzlich ausgeschlossen.

Die Nieuw-Vlaamse Alliantie ist Mitglied in der Fraktion "Europäische Konservative und Reformer" (ECR), gemeinsam mit Parteien wie den italienischen Faschisten von Fratelli d’Italia, der polnischen PiS oder der spanischen, faschistischen Partei Vox.

Die linke Parti du Travail de Belgique / Partij van de Arbeid van België kommt auf 5,57 Prozent, im französischen Sprachraum erreicht sie 15,38 Prozent. Sie wird mit zwei Abgeordneten die Linksfraktion The Left stärken.

Dänemark: 

Überraschungssieger ist die Sozialistische Volkspartei Socialistisk Folkeparti (SF) mit 17,4 Prozent, vor den Sozialdemokraten, die auf 15,6 Prozent kommen. Die drei Mandate der Sozialistischen Volkspartei kommen im EU-Parlament jedoch nicht der Linksfraktion zugute, sondern der Fraktion der Grünen.

Die rot-grünen Einheitslisten erhalten sieben Prozent und schicken einen Abgeordneten in die Linksfraktion The Left.

Finnland: Linksallinaz erfolgreich

In Finnland liegen die Konservativen von der Nationalen Sammlungspartei mit 24,8 Prozent an erster Stelle.

Auf dem zweiten Platz liegt die Linksallianz Vasemmistoliitto mit 17,3 Prozent. Ihre drei Abgeordneten (+2) sind Teil der Linksfraktion The Left.

An dritter Stelle liegt die Sozialdemokratische Partei Finnlands mit 14,9 Prozent.

 

Erdbeben in Frankreich

Die ultrarechte Rassemblement National (RN) um Marine Le Pen hat die EU-Wahl in Frankreich mit 31,4 Prozent und 30 Sitzen (+12) klar gewonnen. RN ist nun in allen Departements außer in der Hauptstadtregion Île-de-France die stärke politische Kraft.

Besoin d'Europe, die Liste von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Verbündeten landete wie erwartet mit 14,6 Prozent weit abgeschlagen dahinter.

An dritter Stelle liegt das Bündnis der Sozialistischen Partei, Réveiller l'Europe, mit 13,83 Prozent.

La France Insoumise LF erreicht 9,89 Prozent und schickt 9 Abgeordnete (+4) in die Linksfraktion des EU-Parlaments.

Das Wahlbündnis der Französischen Kommunistischen Partei, Coalition Gauche Unie, scheitert mit 2,36 Prozent an der Wahlhürde für den Einzug ins EU-Parlament.

Frankreich ´s  Parlamentswahl am 30. Juni und 7. Juli

Als Reaktion auf das Wahlergebnis und die Forderung des Rassemblement National (RN) nach Neuwahlen, kündigte Staatspräsident Emmanuel Macron noch am Wahlabend an, dass er Neuwahlen ausrufen würde.

Gewählt wird in zwei Runden am 30. Juni und 7. Juli. Der Vormarsch der Ultrarechten wird sich bis dahin nicht mehr umkehren lassen. Der RN könnte dann nicht nur stärkste Fraktion in der Nationalversammlung werden, sondern sogar eine absolute Mehrheit erringen. In diesem Fall wäre Macron gezwungen, einen Premierminister oder eine Premierministerin aus den Reihen des RN mit der Regierungsbildung zu beauftragen.

Francois Ruffin von La France Insoumise kommentierte die Entscheidung von Macron: "Wir haben einen Spinner an der Spitze des Staates. Das ist ein Pyromane. Macrons Partei wird sich eine zweite Klatsche einfangen. Das ist alles. Was bleibt, um den Rassemblement National zu stoppen, ist deshalb nur die Linke."

Griechenland

Zwar liegt die konservative Néa Dimokratía des griechischen Premierminister Kyriakos Mitsotakis mit 28,31 Prozent an erster Stelle. Aber Mitsotakis ist trotzdem unzufrieden. "Ich sage es ohne Umschweife: Unsere Partei hat das Ziel, das wir uns gesetzt hatten, nicht erreicht“, sagte Mitsotakis in einer ersten persönlichen Erklärung zum Wahlergebnis.

Hintergrund für Mitsotakis' Aussagen ist der Umstand, dass seine ND bei der EU-Wahl am Sonntag im Vergleich zu den jüngsten Parlamentswahlen Ende Juni vorigen Jahres sowie den letzten Europawahlen 2019 starke Stimmenverluste hat hinnehmen müssen. Bei den jüngsten Parlamentswahlen hatte regierende ND gut 40 Prozent der Stimmen erreicht, bei den letzten Europawahlen waren es 33 Prozent.

An zweiter Stelle liegt SYRIZA mit 14,92 Prozent. Die vier Abgeordneten (+2) schließen sich der Linksfraktion The Left an.

Es folgen die sozialdemokratische Pasok mit 12,79 Prozent der Stimmen, die nationalkonservative Griechische Lösung (9,30 Prozent), die Kommunistische Partei KKE (9,25 Prozent), die ultrareligiöse Partei Niki (der Sieg) mit 4,37 Prozent der Stimmen, die linksnationale Plefsi Eleftherias (Kurs der Freiheit) mit 3,40 Prozent der Stimmen sowie die nationalistische Stimme der Vernunft (Foni tis Logikis) mit 3,04 Prozent der Stimmen.

MERA25, die Partei von Yanis Varoufakis, kommt auf 2,54 Prozent und scheitert damit ebenso an der Drei-Prozent-Hürde wie die linke SYRIZA-Abspaltung Néa Aristerá/Neue Linke von Euclid Tsakalotos mit 2,45 Prozent.

Italien

Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihre faschistische Partei Fratelli d'Italia (FdI) übertreffen mit 28,77 Prozent der Stimmen sogar das Resultat der Parlamentswahlen im Oktober 2022. Allerdings nur prozentual. Die Fratelli d'Italia haben etwa 10 Prozent ihrer Wähler verloren - ein Rückgang um 700.000 Stimmen von mehr als 7,4 Millionen auf 6,7 Millionen. Trotzdem belibt die FdI mit Abstand Italiens stärkste Einzelkraft. Auch koalitionsintern hat Meloni weiterhin allein das Sagen - denn die Koalitionspartner Lega und Forza Italia kommen nicht über 9 Prozent der Stimmen hinaus.

Die Kräfteverhältnisse innerhalb der Regierungskoalition in Rom haben sich seit der Europawahl vor fünf Jahren umgekehrt. 2019 hatte die Lega noch 34,3 Prozent der Stimmen erzielt und Fratelli d'Italia 6,44. Diesmal musste sich die Lega mit 8,98 Prozent der Stimmen begnügen – und liegt damit hinter der Forza Italia mit 9,6 Prozent.

Doch auch die Oppositionskräfte haben zugelegt, und zwar auf Kosten der pro-europäischen Zentrumsparteien. So schaffte es die Partito Democratico mit ihrer neuen Führung unter der populären Elly Schlein auf 24,1 Prozent - das sind vier Prozentpunkte mehr als bei den Parlamentswahlen. In absoluten Zahlen konnte sie ihre 5,6 Millionen Wähler halten. Sie bestätigte sich somit als stärkste Oppositionspartei.

Die Fünf-Sterne-Bewegung Movimento Cinque Stelle musste dagegen Stimmeneinbußen hinnehmen und sank von 16 Prozent auf 9,98 Prozent.

Spitzenkandidatin des links-grünen Bündnisses "Alleanza Verdi e Sinistra" in Ungarn in Haft

Eine Überraschung ist der Wahlerfolg des links-grünen Bündnisses "Alleanza Verdi e Sinistra" (Bündnis der Linken und der Grünen) AVS. Die Partei verdoppelte ihre Stimmen gegenüber den Parlamentswahlen 2022 auf 6,77 Prozent. In absoluten Stimmen konnte sie auf einen Schlag ihre Stimmenzahl um 50 Prozent von einer Million absoluter Stimmen im September 2022 auf anderthalb Millionen steigern.

Damit hat die Spitzenkandidatin der Partei, die in Budapest unter Hausarrest stehende Aktivistin Ilaria Salis, den Einzug ins EU-Parlament geschafft.

Salis, gegen die seit Januar in Budapest ein Prozess läuft, wird zur Last gelegt, mit anderen Beteiligten aus der linken Szene im Februar vergangenen Jahres in Budapest eine Gruppe von Rechtsextremen gewaltsam angegriffen zu haben, die bei einer Aktion der Waffen-SS und ungarischer Soldaten gedenken wollten. Dabei wurden nach Angaben der Behörden neun Menschen verletzt. Der Volksschullehrerin aus der Lombardei drohen bis zu elf Jahre Haft. Die AVS-Partei hofft nun, dass Salis dank ihrer Immunität als EU-Parlamentarierin freikommen kann.

Kompliziert ist auch die Zuordnung zu den Fraktionen im EU-Parlament.
Zwar steht fest, dass die Liste sechs Sitze im Plenarsaal erhalten wird, aber zwei Elemente sind derzeit noch ungewiss, nicht zuletzt wegen der komplexen Überschneidung zwischen dem Präferenzsystem und dem System der Mehrfachkandidaturen in den fünf Wahlkreisen, in die die Halbinsel unterteilt ist. Neben Ilaria Salis wird auch Mimmo Lucano voraussichtlich der Linksfraktion beitreten. Sowohl Ignazio Marino als auch Leoluca Orlando, sollte er gewählt werden, würden sich höchstwahrscheinlich den Grünen anschließen. Große Ungewissheit herrscht dagegen bei den beiden anderen Sitzen, die je nach Namen der einen oder der anderen Fraktion zugeschlagen oder zu gleichen Teilen auf beide aufgeteilt werden könnten.

Mimmo Lucano gewinnt und wird wieder Bürgermeister von Riace – und EU-Abgeordneter

Im kalabrischen Riace herrscht wieder Sonnenschein. Das Dorf kann wieder das Schild "Stadt der Gastfreundschaft“ anbringen, das vor einigen Jahren entfernt wurde, um das soziale Experiment, das in diesem Dorf durchgeführt wurde, abzubrechen. Auf Betreiben des faschistischen Innenministers Matteo Salvini wurde vor sechs Jahren der Bürgermeister des Ortes, Mimmi Lucano, seines Amtes enthoben. Jahrelange Prozess folgten. Mit konstruierten Anklagen versuchte Salvini, Lucano ins Gefängnis zu werfen.

Doch jetzt ist Lucano wieder da. Die Hartnäckigkeit, der Widerstand gegen die Verleumdungen und den Hass, der sich gegen eine Idee der Solidarität richtet, die noch vor seiner Person steht, hat gesiegt. Bei den gleichzeitig zur EU-Wahl stattfindenden Kommunalwahlen gewann er das Amt des Bürgermeisters zurück.

Und nicht nur das. Er wurde auch in das EU-Parlament gewählt. Eine Lawine von Stimmen, ermöglichte es dem links-grünen Bündnis Alleanza Verdi e Sinistra mit fast 40 Prozent der Stimmen die erste Partei bei den Europawahlen zu werden.

Die Friedensliste "Pace, terra e dignità", die von dem Journalisten und Ex-EU-Abgeordneten Michele Santoro zusammen mit Rifondazione Comunista und MERA25 ins Leben gerufen wurde, ist mit 2,21 Prozent weit von dem nationalen Quorum von 4 % entfernt.

"Offensichtlich ist das Nein zum Krieg nicht der ausschlaggebende Faktor, der die Wählerschaft polarisiert. Pace, terra e dignità geht als Verlierer aus einem gerechten Kampf hervor", kommentierte Rifondazione-Sekretär Maurizio Acerbo.

Niederlande

Das Bündnis zwischen der links-grünen Partei Groenlinks und der sozialdemokratischen PvdA hat bei den EU-Wahlen mit 21,6 Prozent den ersten Platz belegt und erhält acht Abgeordnete, einen weniger als 2019, aber zwei mehr als die rassistische Partei PVV von Geert Wilders. Wilders, der bei den Parlamentswahlen im November letzten Jahres den ersten Platz belegt hatte, wird sich mit 17,7 Prozent mit nur sechs Abgeordneten begnügen müssen.

Zuvor war nach Umfragen erwartet worden, dass die Wilders-Partei erstmals eine Europawahl gewinnen würde. Dennoch erzielte die PVV einen enormen Zugewinn: Bei der Wahl 2019 schaffte es die Partei erst gar nicht ins EU-Parlament - nach Änderungen durch den Brexit erhielt die PVV dann einen Sitz.

Während der Rechtspopulist Wilders zulegen konnte, haben seine Regierungspartner verloren. Die liberale VVD wird nur noch vier Abgeordnete (-1) in die Renew-Fraktion bringen. Die beiden anderen Kräfte der Regierungskoalition erhalten drei Sitze, einen für die zentristische NSC und zwei für die ländliche BBB.

Die Sozialistische Partei kommt nur noch auf zwei Prozent und geht damit leer aus.

Portugiesische Überraschung: Ultrarechte brechen ein, Sozialisten in Führung

Im März rollte die schwarze Welle über Portugal, als die ultrarechte Partei Chega bei den Parlamentswahlen 1.169.836 Stimmen erhalten hatte, was etwa 18 % der Wählerschaft entsprach.

Alles deutete darauf hin, dass der Stern des Chega-Führers André Ventura nur noch steigen würde, vor allem unter Ausnutzung der Position der Opposition. Entgegen den Erwartungen entpuppte sich die Wahlnacht vom Sonntag als Desaster für die Ultrarechte: An den Wahlurnen der Europawahlen erhielt sie nur 386.620 Stimmen (9,79 Prozent, 2 Mandate). Ein Nettoverlust von rund 70 Prozent der Wählerschaft in nur 90 Tagen.

Eine weitere große Überraschung ist der Erfolg der Partido Socialista (PS) mit 32,1 Prozent, die sich damit in geringem Abstand vor die regierende Mitte-Rechts-Koalition Aliança Democratica (AD) mit 31,12 Prozent setzte.

Der Linksblock Bloco de Esquerda (BE) kommt auf 4,25 Prozent und schickt nur noch eine Abgeordenete in die Linksfraktion des EU-Parlaments (-1).

Auch das Bündnis von Kommunisten und Grünen musste Verluste hinnehmen. Die CDU - Coligação Democrática Unitária (Partido Comunista Português, Partido Ecologista “Os Verdes”) kommt auf 4,12 Prozent und einem Abgeordneten (-1) für die Linksfraktion.

Schweden

In Schweden gewinnt die Sozialdemokratische Partei mit 24,80 Prozent (5 Sitze).

An zweiter Stelle liegen die konservativen Moderaten (in der EVP) mit 17,60 Prozent. Die Christdemokraten (in der EVP) sinken auf 6,1 Prozent, während die Liberalen (in Renew) mit 4,2 Prozent stabil bleiben.

Die drei Parteien regieren mit der externen Unterstützung der Schwedendemokraten, einer ultrarechten, rassistischen Formation in der ECR-Gruppe. Die SD kommen auf 13,2 % und 3 Sitze (+1).

Die Grünen erreichen 13,8 Prozent (3 Sitze).

Die Linkspartei gewinnt mit 11 Prozent einen Sitz dazu und schickt jetzt zwei Abgeordnete in die Linksfraktion.

Spanien: Fiasko für SUMAR

Mit fast sechs Millionen Stimmen (34,20 Prozent) kommt die rechts-konservative Volkspartei PP auf 22 Abgeordnete (+9) und den ersten Platz.

An zweiter Stelle, mit 4 Prozentpunkten Rückstand, liegt die Sozialistische Partei PSOE mit 30,18 Prozent. Ministerpräsident Pedro Sánchez konnte die erwartete Niederlage in Grenzen halten und verlor im Vergleich zu 2019 nur einen Abgeordneten.

An dritter Stelle liegt die faschistische VOX mit 9,62 Prozent. Sie kommt damit auf sechs Sitze, zwei mehr als 2019.

Auf den vierten Platz kommt "Ahora Repúblicas" - eine Gruppierung von mehreren regionalen Parteien: die katalanischen Linksrepublikaner von Esquerra Republicana, die baskische Linkspartei EH Bildu und die galizische BNG. Mit dieser Koalition haben diese Parteien, die lokal wichtig, aber national klein sind, eine Formel gefunden haben, um ihr Ergebnis zu maximieren: Sie erhielten mit 4,91 Prozent der Stimmen 3 Sitze (+1).

Knapp dahinter liegt das von Yolanda Díaz geführte Linksbündnis SUMAR mit 4,65 Prozent und drei Abgeordneten.

Vor fünf Jahren hatte Unidas Podemos doppelt so viele Sitze. Diesmal hat Podemos jedoch einen Alleingang unternommen, angeführt von der ehemaligen Ministerin Irene Montero: Sie erhielt 2 Sitze und 3,28 Prozent der Stimmen.

Auch wenn es ein schwacher Trost ist, Podemos überholt zu haben, stürzt das Wahlergebnis SUMAR und Yolanda Díaz, die drei statt der erhofften vier Sitze errungen haben, in eine tiefe Krise. Bei der Listenaufstellung war der Kampf zwischen den Koalitionsparteien um die Spitzenplätze sehr heftig. Yolanda Díaz hatte ziemlich autoritär und mit einigen kaum nachvollziehbaren Entscheidungen (wie der Vergabe des zweiten Platzes an die sehr kleine valencianische Partei Compromís oder an einen wenig bekannten Außenseiter) eingegriffen. Schließlich gab die Izquierda Unida IU zähneknirschend nach. Obwohl die Izquierda Unida die stärkste Partei in der Koalition ist, akzeptierte sie den Platz 4. Im Ergebnis muss der auf Platz 4 gesetzte derzeitige EU-Abgeordnete Manuel Pineda aus dem EU-Parlament ausscheiden. Für die IU das denkbar schlechteste Ergebnis. Schlecht auch für die Linksfraktion The Left: Die auf der Listen von SUMAR gewählten Abgeordneten werden sich der grünen Fraktion naschließen.

Zusammen haben die beiden Parteien – SUMAR und Podemos - am Sonntag weniger Stimmen erhalten als die IU allein im Jahr 2014, die mehr als anderthalb Millionen Stimmen erhielt.

Existenzielle Krise von SUMAR

Am Montagnachmittag erklärte Yolanda Díaz, Vorsitzende und Gründerin von SUMAR, dass sie die Führung der Partei aufgibt, ohne jedoch die wirklich wichtigen Ämter aufzugeben, nämlich das der Arbeitsministerin und der Vizepräsidentin der Regierung Sánchez.

Nun beginnt eine Zeit enormer Ungewissheit für die Parteien links der PSOE und auch für die PSOE selbst, die ihre politische Zukunft aufgrund der Schwäche von SUMAR in Gefahr sieht. Der vielleicht bissigste Kommentar stammt vom ehemaligen Vorsitzenden der Izquierda Unida, Alberto Garzón, der wenige Stunden vor dem Rücktritt von Díaz in einem Tweet schrieb: „Ich würde damit beginnen, zu bedenken, dass das Interesse, jemand anderen oder eine andere Person zur Kasse zu bitten, umgekehrt proportional zu dem Wunsch ist, Probleme wirklich zu lösen“. Dies kann als Kritik sowohl an Podemos als auch an SUMAR verstanden werden.

Der kürzlich neu ins Amt gewählte Vorsitzende der Izquierda Unida, Antonio Maíllo, hält die Phase, in der SUMAR die einigende Kraft der Linken war, für beendet und hat sich für ein horizontaleres Modell entschieden.

"SUMAR tritt in eine neue Phase ein. Yolanda hat dieses Projekt inspiriert, und wir treten in eine neue Phase ein, in der die Organisationen die Hauptrolle spielen werden. Ihre Persönlichkeit hat das Projekt geprägt und sie hat erkannt, dass es Dinge gibt, die verbessert werden können. Eines davon ist die Notwendigkeit, ein horizontaleres Projekt und mehr Gleichheit zwischen den Akteuren zu schaffen", sagte er in einem Interview, in dem er sogar davon sprach, die Einheit der Linken wieder auf Podemos auszuweiten. "Wir müssen eine ehrliche Debatte und eine Reflexion aller linken Parteien führen“, sagte er.

Genauso beunruhigend wie das desaströse Abschneiden von SUMAR und Podemos sind die 4,59 Prozent bzw. drei Sitze, die eine junge, von einem rechtsextremen Influencer und Verbreiter unzähliger Fake News gegründete Partei namens Se acabó la fiesta (Das Fest ist vorbei) errungen hat. Eine Partei, die in den traditionellen Medien nicht wahrgenommen wurde und es nur schaffte, ihre unqualifizierten Botschaften über soziale Netzwerke und Telegram zu verbreiten.

Tschechien

Aus Tschechien werden zwei Abgeordnete in die Linksfraktion kommen. Das von der Kommunistischen Partei initiierte Wahlbündnis Stačilo! kommt auf 9,56 Prozent.

Zypern

In Zypern liegt die konservative DISY mit 24,78 Prozent vorne.

Die kommunistische AKEL liegt mit 21,49 Prozent an zweiter Stelle. Sie wird damit einen Abgeordneten (-1) in die Linksfraktion nach Brüssel/Straßburg entsenden.