Die Bundesregierung heizt das Wettrüsten in Europa weiter an. Noch nie in der Geschichte der Bundeswehr hat es eine derart große Steigerung des Rüstungsetats gegeben. 4,71 Milliarden Euro mehr als 2018 werden in diesem Jahr für Militär und Waffen ausgegeben. Insgesamt werden für die Rüstung (Einzelplan 14) 43,3 Milliarden Euro verpulvert; es ist der zweithöchste Etatposten im Bundeshaushalt. Der Zuwachs beträgt 12,8 Prozent, womit der Rüstungsetat viermal so schnell wächst, wie der restliche Bundeshaushalt.

Es soll offenbar in diesem Tempo weitergehen. Das Zwei-Prozent-NATO-Ziel haben Kanzlerin Merkel und Bundeswehr-Ministerin von der Leyen nach eigenem Bekunden weiter voll im Visier der Rüstungsplanung. Allerdings soll es nicht bis zu dem von der NATO beschlossenen Zieljahr 2024 erfolgen. Bis etwa zu diesem Zeitpunkt soll das Zwischenziel für die Militärausgaben von 1,5% vom BIP erreicht werden. Der Verteidigungsetat soll dann auf 60 Milliarden Euro steigen – ein Zuwachs gegenüber 2018 von 56 Prozent. „Es ist erforderlich, die dringend benötigten Finanzmittel zur Verfügung zu stellen“, forderte MdB Henning Otte, verteidigungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion und Rüstungs-Lobbyist (u.a. Präsidium Förderkreis Deutsches Heer).

Wo ist der Feind, der solchen Rüstungswahn auslöst? Die „Gefahr“ und „Bedrohung“ kommt wieder einmal aus dem Osten – einmal mehr ist es „der Russe“. Dumm nur, dass die Russen nach SIPRI-Angaben ihre Verteidigungsausgaben in den vergangenen Jahren reduziert haben, und zwar um zwanzig Prozent auf 66,3 Milliarden Dollar in 2018. Die europäischen NATO-Staaten gaben 2017 mit 242 Milliarden Dollar fast viermal so viel für ihre Streitkräfte aus als Russland. Nicht dazu gerechnet sind die zig-Tausend in Europa stationierten US-Soldaten samt High-Tech-Waffen. Nimmt man die gesamte NATO – einschließlich USA und Kanada – dann gab sie 2018 1013 Mrd. Dollar (über eine Billion) für Militär und Waffen aus: etwa das 15-fache Russlands; das Viereinhalbfache Chinas.

Ein weiterer Treibsatz für die Rüstungsrakete sind Auslandseinsätze und globale Interventionen der Bundeswehr. Franziska Augstein schreibt in der SZ (16.11.18): „Seit längerem ist zu hören, Deutschland müsse global mehr „Verantwortung“ übernehmen. Damit sind Aufrüstung und Kriegseinsätze gemeint“. Die Bundeswehr bildet zudem in Europa die „Speerspitze“ bei der schnellen NATO -Eingreiftruppe (NRF) im Umfang von 40.000 Soldaten (deutscher Anteil 7000). Die gigantischen Mehrkosten bei Waffen und Militär rühren daher, dass die GroKo eine Dual-Use-Armee aufbauen will: Für militärische Interventionen und Territorial-Kriege. Für die „Verteidigung Deutschlands am Hindukusch“ und eines Tages vielleicht am Ural. 

Boom bei allem was Bumm macht.

Die Aufrüstungsrakete trägt einen hochexplosiven Sprengkopf: Die Beschaffung von Waffen steigt im Bundeswehr-Etat weit überproportional: Zuwachs in einem Jahr (2018) 32 Prozent.

Doch die eigentliche Waffenexplosion steht erst noch an. Ministerin von der Leyen plant Waffenkäufe in dreistelliger Milliardenhöhe (HB, 17.9.18). Bereits 2016 verkündete sie einen langfristigen Plan: bis 2030 müsse die Bundeswehr130 Milliarden Euro zusätzlich (!) in ihre Ausrüstung stecken, von Computern bis zu Waffensystemen (HB, 26.4. 18).

Das Heer erhält einen neuen Kampfpanzer und neue Panzerhaubitzen; für die Luftwaffe soll das Raketenabwehrsystem TLVS beschafft werden, dazu eine selbst entwickelte Kampfdrohne „Pegasus“; zusammen mit Frankreich will man einen neuen Kampfjet entwickeln und ein Luftverteidigungssystem. Die Marine werde in den nächsten 12 Jahren um ein Drittel wachsen, verkündete Marine-Inspekteur Admiral Krause. In den nächsten zwei Jahren sollen vier neue Fregatten zulaufen (Kosten pro Schiff 800 Millionen Euro = der Gegenwert von 140 Altenpflegeheimen), zudem fünf Korvetten à 500 Millionen (= 380 Kindertagesstätten), dazu U-Boote, Tanker, Aufklärer, Minenräumsysteme. Und hinzukommt als nächste Generation der großen Kriegsschiffe das Mehrzweckkampfschiff MKS 180 mit globalem Radius. Die Kriegsflotte soll rund um den Erdball einsetzbar sein, aber auch als Krisenreaktionsstreitmacht ihren Zweck erfüllen.

Die Kostenvoranschläge werden sich laufend überholen: Das MKS 180 war anfänglich mit 3,5 Mrd. Euro veranschlagt, „nach jüngsten Berechnungen plant das Ministerium mit Kosten von mindestens 5,3 Milliarden Euro, wie das Handelsblatt erfahren hat“ (HB, 17.9.18). Ein Kostensprung von 51%, und das Kriegsschiff ist noch gar nicht fertig entwickelt.

Ein Musterbeispiel für die Kostenexplosion und zeitliche Verzögerungen bei neuen Waffen-Systemen ist der Militär-Airbus A 400 M. Wegen immer neuer Pannen und Zusatzforderungen des Militärs verzögerte sich seine Auslieferung um mehr als elf Jahre (ntv, 10.8.18). Zur Überbrückung bestellte die Luftwaffe für eine Milliarde (970 Millionen Euro) sechs Militärtransporter Super-Hercules C 130J vom US-Konkurrenten Lockheed Martin. Wegen explodierender Kosten wurde die Bestell-Zahl der Militär-Airbusse reduziert, von ursprünglich 73 Maschinen auf 60 Flugzeuge und jetzt auf 53. Die Beschaffungskosten liegen aber dennoch um 1,5 Milliarden Euro über der ursprünglich veranschlagten Summe; weiterer Anstieg ist garantiert. Dazu kommen Infrastrukturkosten, die für die beiden geplanten Basen für den A 400M, Wunstorf und Fliegerhorst Lechfeld, insgesamt 920 Millionen Euro betragen.

Insgesamt kommen die Verzögerungen der Rüstungsindustrie bei der Fertigstellung neuer Waffensysteme den Steuerzahler sauteuer zu stehen. Wie aus dem jüngsten Rüstungsbericht des Verteidigungsministeriums hervorgeht, „werden die 19 wichtigsten Rüstungsprojekte der Bundeswehr durchschnittlich um mehr als fünf Jahre später fertig und zusammen 13,4 Milliarden Euro teurer als ursprünglich geplant“ (ntv, 9.12.18).  Mit dem Geld hätte man über 150.000 Sozialwohnungen bauen können.

Bomben-Geschäfte

Der Rüstungs- und Waffenstau wird noch zunehmen. Dabei klingeln bereits jetzt bei den Waffenschmieden die Kassen so schrill wie nie, platzen die Auftragsbücher aus den Nähten. Rheinmetall hat mit über acht Milliarden Euro den dreifachen Jahresumsatz in den Auftragsbüchern; der Auftragseingang hatte sich 2018 gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Armin Pappberger, der Boss des Panzer-, Kanonen- und Munitionsherstellers Rheinmetall in einem Interview mit dem Tagesspiegel: „Ich bin seit dreißig Jahren im Geschäft, und ich kann mich nicht an eine solche Nachfrage erinnern“. Airbus Defence hat über 40 Milliarden Rüstungsaufträge in den Büchern – der vierfache Jahresumsatz dieser Sparte seit 2017.

Frank Haun, Chef des Panzerbauers Krauss-Maffei-Wegmann (KMW) im Handelsblatt-Interview (26.4.18): „Wir hatten letztes Jahr den stärksten Umsatz unserer Firmengeschichte, und wir werden mittelfristig weiterwachsen“. Er hat dabei bereits konkrete Vorstellungen: „Es geht um gepanzerte Systeme und Artillerie. Das sind Megathemen, mit einem Gesamtvolumen in Europa von über einhundert Milliarden Euro bis 2050. Wenn wir – und damit meine ich KNDS, den Zusammenschluss zwischen KMW und Nexter – davon nur die Hälfte abbekommen, sind wir glücklich“.

Die Fusion KMW mit der französischen, staatlichen Panzerschmiede Nexter zur KNDS (KMW+Nexter Defence Systems) war auch der Grund dafür, sich einen möglichst großen Brocken im künftigen Panzergeschäft zu sichern, das Haun mit 75 Milliarden bei Kampfpanzern und 40 Milliarden bei Haubitzen taxiert (HB, 26.4.18). „Wir versuchen mit unserem Zusammenschluss genau das zu unterstützen, was sich die Politik vorgenommen hat“ (ebenda).

Inzwischen erwägt auch Rheinmetall beim Panzerhersteller KNDS einzusteigen, um möglichst umfangreich von den künftigen Panzeraufträgen zu profitieren. Es entstünde dann mit einem Rüstungsumsatz von 6,2 Milliarden Dollar (2017) die weltgrößte Panzerschmiede, mit Platz 15 im globalen Ranking der Waffenhersteller.

Der französische Kampf-Flugzeughersteller Dassault Aviation und die deutsche Airbus wiederum wollen bei der Luftrüstung enger kooperieren. Im April 2018 unterzeichneten die beiden Konzerne ein Grundsatzabkommen über die Entwicklung eines integrierten deutsch-französischen Luftkampf-Systems – FCAS – mit Kampfflugzeugen, Drohnen und Satelliten (vgl. FAZ, 26.4.18), bei dem vor allem die Kosten in die Luft gehen werden.

Auch die EU-Kommission und vor allem Bundesregierung und französische Regierung drängen zu Kooperationen und Fusionen in der europäischen Rüstungsindustrie. Auch das Ende 2017 von 25 EU-Staaten abgeschlossene PESCO- Abkommen (Permanent Structured Cooperation) zielt in diese Richtung. Die Politik verspricht sich davon die Bündelung der Rüstungsausgaben der einzelnen EU-Länder bei Groß-Unternehmen und Groß-Projekte, eine Austrocknung kleiner Rüstungsfirmen und die Vereinheitlichung der Ausrüstung und Waffensysteme vor allem im Hinblick auf die geplante Europa-Armee.

Für die EU, voran Deutschland und Frankreich, bedeutet eine hochkonzentrierte und schlagkräftige europäische Rüstungsindustrie eine Unterfütterung ihrer globalen Machtprojektion. Kern ist dabei die deutsch-französische Rüstungskooperation. Mit dem Zuwachs der Rüstungsindustrie, der Aufblähung und Konzentration ihrer Potenziale, wächst aber umgekehrt der Druck der Waffenhersteller auf die Politik. Die Ansage von KMW-Chef Haun, wenn die Bundeswehr wieder mehr bestelle und „wenn wir in Europa nur europäische Produkte kaufen, brauchen wir keine Rüstungsexporte in Drittländer“, kann getrost unter die Kategorie Erpressung eingereiht werden HB, 26.4.18).

Zudem wächst mit der Größe der Rüstungskonzerne, deren Fähigkeit die Entwicklung neuer Waffensysteme in eigener Regie in Angriff zu nehmen. Spitzen-Militärs und Ex-Generale als Rüstungslobbyisten „überzeugen“ dann Verteidigungs-Politiker, weshalb dieses oder jenes Waffensystem für die „Truppe“ unbedingt erforderlich ist. Der Bundesverband der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) schreibt in seinen „Sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen“: Es „kann nur eine eigene deutsche Sicherheits- und Verteidigungsindustrie die politisch als wichtig eingeschätzte Versorgungssicherheit der deutschen Einsatzkräfte gewährleisten und so die Handlungsfähigkeit Deutschlands sichern… Der Verzicht auf eine eigene Sicherheits- und Verteidigungsindustrie wäre somit gleichbedeutend mit einer Verengung der außenpolitischen Handlungsspielräume Deutschlands“.

Militär-Industrie-Komplex

Es droht auch in Deutschland ein mächtiger Militär-Industrie-Komplexes (MIK) zu entstehen, vor dem in den USA bereits 1961 der damalige Präsident General Dwight D. Eisenhower in seiner Abschiedsrede (17.1.61) sein Land gewarnt hatte: „Die Verbindung eines riesigen Militär-Establishments mit einer gewaltigen Rüstungsindustrie ist eine neue Erscheinung in der Geschichte Amerikas. Der Einfluss – ökonomisch, politisch, sogar geistig – ist spürbar in jeder Stadt, jedem Bundesstaat, jedem Regierungsbüro… Vor allem in den Gremien unserer Regierung müssen wir uns vor der bewussten oder unbewussten Übernahme unberechtigter Machtbefugnisse durch den Militär-Industrie-Komplex schützen“.