Die Demonstranten vor dem BMW-Vierzylinder in München waren real – allerdings an zwei Händen abzählbar. Sie hielten Schilder „Spritfresser stoppen!“ und einen Pappendeckel mit der Aufschrift und Aufforderung an die Passanten: „Bitte spenden für Dividenden!“. Drinnen, in der „BMW-Welt“ wurde das hundertste Aktionärstreffen des 1916 gegründeten Konzerns abgehalten – allerdings ziemlich surreal. Physisch anwesend waren nur Vorstand und Aufsichtsrat – die Aktionäre waren nur digital zugelassen, Anträge mussten vorher schriftlich gestellt werden. Das Ganze glich eher den Geisterspielen der Fußball-Ligen. Dem Vorstand dürfte das nicht unangenehm gewesen sein, ersparte er sich doch unbequeme Fragen kritischer Aktionäre. Etwa nach den klimakillenden SUV-Dinos in der Produktionspalette oder der zögerlichen Entwicklung alternativer Antriebe oder der Milliarden-Dividende in Zeiten der Corona-Krise. Selbst die Aktionärsvertreterin Daniela Bergdolt (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz – DSW), sonst Befürworterin hoher Dividenden, mahnte mit Blick auf die Ausschüttung: „Muss man in dieser Situation nicht eher sein Pulver trocken halten?“. Doch der Vorstandschef Oliver Zipse schüttet mit der einen Hand aus, die andere hält er auf für Spenden in Form von Kaufprämien für Neuwagen. Zipse war vor einigen Wochen der erste Automobilchef, der staatlich finanzierte Kaufanreize für Neuwagen forderte. „Innovationsprämie“ nannte er das – hört sich gut an.

30.000 BMW-ler in Kurzarbeit – 769 Millionen Dividende für zwei Großaktionäre

Sicherlich hätte Zipse mit dem Corona-Vorwand am liebsten ganz auf die Hauptversammlung verzichtet, wären da nicht zwei gewichtige Großaktionäre gewesen, die ihrerseits nicht auf die Dividende verzichten wollten. Nach dem Aktiengesetz aber muss die Gewinnverwendung und insbesondere die Ausschüttung an die Aktionäre von der Hauptversammlung abgesegnet werden. Diese beiden BMW-Hauptaktionäre sind Stefan Quandt und seine Schwester Susanne Klatten, Enkel des Rüstungsindustriellen und „Wehrwirtschaftsführers“ Günther Quandt, der Hitler und seine Nazi-Generäle bis zum „Endsieg“ mit Waffen belieferte. Er und sein Sohn Herbert waren die maßgeblichen Konstrukteure des Quandt-Imperiums. Das „Verdienst“ der Nachfahren besteht darin, dass sie sich in die richtige Wiege gelegt hatten. Stefan Quandt hält 25,8 Prozent am Autobauer, Susanne Klatten 20,9 Prozent der Aktien, zusammen also 46,7 Prozent – gegen sie geht nixhts bei BMW. Entsprechend verteilt sich auch die Dividende: Von den 1,65 Milliarden, die jetzt ausgeschüttet wurden, gehen 425 Millionen Euro an Stefan Quandt, 344 an Susanne Klatten. Den „Seinen gibt’s der Herr im Schlaf“ (Psalm 127): Auf’s Jahr umgerechnet ist jeder von den Beiden am Morgen nach dem Aufwachen jeweils um eine gut Million Euro reicher.

Zusammen sind es also 769 Millionen Euro Dividende für ein Geschwisterpaar. Nur zur Vernschaulichung der Größenordnungen: Mit soviel Geld könnte man jeder der 1,1 Millionen Pflegekräfte in Deutschland (ambulant und staionär) eine Prämie von 700 Euro auszahlen. Und dieses Geld hwürde einen echten Konjunkturstimulus bedeuten, anders als bei den Quandts, die das Geld auf ihren Giga-Reichtum aufschatzen: Susanne Klatten und Stefan Quandt sind mit einem Vermögen von 26,5 Milliarden Euro die drittreichste Milliardärs-Sippe Deutschlands (u.a. Pharma-Konzern Altana, die Management Holding Delton, SGL Carbon). Und ein weiterer Unterschied: Die Pflegekräfte sind systemrelevant, für die Quandt-Erben aber ist ein System relevant, das ihnen solche Privilegien garantiert.

Die Forderung nach staatlichen Kaufprämien zur Steigerung des Autoabsatzes aber ist schlichtweg ausgschamt, wie man in Bayern sagt. Die Autokonzerne haben soviele liquide Mittel, dass sie darin fast ersaufen. „Tatsächlich hat sich die Liquidität bei BMW dank neuer Kreditlinien in der Krise sogar erhöht, von gut 14 Milliarden Euro auf knapp 19 Milliarden“, schreibt die SZ. Die drei Autobauer – BMW, VW und Daimler – verfügen über 46 % aller liquiden Mittel der 30 Dax-Konzerne.

Aufgrund einer Analyse von Bloomberg-Daten (Bloomberg: Informationsdienstleistungs-Unternehmen) kommt die SZ zu dem Ergebnis, dass die Autokonzerne zwischen 2010 und 2019 enorm verdient haben: BMW 84 Milliarden Euro, Daimler 94 Milliarden, VW-Konzern 100 Milliarden Euro jeweils operativer Gewinn aus der normalen Geschäftstätigkeit (auch als EBIT bezeichnet: Earnings before Interest and Taxes – Gewinn vor Zinsen und Steuern). Davon wurde ein Fünftel bis ein Viertel an die Aktionäre ausgeschüttet. BMW erzielte im Geschäftsjahr 2019 einen Nettogewinn von fünf Milliarden Euro.

Aus den hohen Gewinnen speist sich größtenteils auch die hohe Liquidität (Bestand an flüssigen Mitteln). BMW-Finanzvorstand Nicolas Peter: „Die BMW-Group hat ihre ohnehin starke Liquiditätsposition zum Quartalsende noch einmal auf knapp 19 Milliarden erhöht (Ende 2019 waren es 9,1 Mrd. Euro – F.S.). Wir verfügen weiterhin über das beste Rating aller europäischen Automobilhersteller und das zweitbeste weltweit“. BMW könnte also mit Leichtigkeit statt Kaufprämien aus der Staatskasse entsprechende Rabatte aus seiner Firmenkasse gewähren, wollte es den Absatz ankurbeln. Ähnlich ist die Konstellation bei den anderen Premium-Herstellern, Daimler und VW. Daimler wies im ersten Quartal eine Nettoliquidität von zwölf Milliarden Euro aus, dazu besteht eine Kreditlinie von über elf Milliarden Euro. Bei VW betrug die Liquidität Ende des ersten Quartals 17,8 Milliarden Euro.

A propos VW. Bei dem Autobauer hätte die Hauptversammlung am 7. Mai stattfinden sollen, sie ist wegen Corona voerst verschoben. Es wird wohl ebenfalls ein virtuelles Aktionärstreffen werden. Mit einer ähnlichen Konstellation wie bei BMW. Groß- und Hauptaktionär ist eine Familiensippe: Porsche-Piech. Der Clan – Porsche-Automobil-Holding – hält 31,3 Prozent der Aktien am weltgrößten Autokonzern. Weitere Großaktionäre sind das Emirat Katar 14,6% und das Land Niedersachsen 11,8%. Der VW-Vorstand hat vorgeschlagen, die Dividende von 4,80 Euro je Aktie, auf 6,50 Euro zu erhöhen. Eine Steigerung von 35 Prozent in Corona-Zeiten – und nach wie vor Tausenden Kurzarbeitern auch bei VW.