Das Coronavirus wirke wie ein Brennglas, unter dem die Probleme der Fleischindustrie sichtbar würden. So leitete Moderator Frank Plasberg kürzlich eine viel diskutierte „hart aber fair“-Sendung zum Thema „Corona im Schlachthof“ ein, nachdem bekannt geworden war, dass sich zahlreiche Schlachthofarbeiter mit dem SARS-CoV-2-Erreger infiziert hatten.

Präziser wäre zu sagen, dass in der Fleischindustrie diverse Probleme der kapitalistischen Produktionsweise wie durch ein Brennglas zu sehen sind. Wer durch diese Lupe schaut – was die marxistische Linke tun sollte –, sieht zum Beispiel, dass Großkonzerne bei der maximalen Ausbeutung von Lohnarbeitern und Tieren in der Fleischindustrie den Ton angeben und sogar in Kauf nehmen, als Katalysator für die Ausbreitung des Coronavirus zu dienen.

Corona im Schlachthof – kein überraschender Skandal

In den vergangenen Jahren stand die Fleischindustrie immer mal wieder in der deutschen Medienöffentlichkeit. Punktuell haben Leitmedien zum Beispiel über die Naturzerstörung berichtet, die der kapitalistischen Fleischproduktion immanent ist: Mit Nitrat verschmutztes Grundwasser, die Klimaschädlichkeit der entsprechenden Konzerne, die zunehmende Vernichtung von Wäldern zwecks Tierfutterproduktion usw. Die Liste ließe sich fortsetzen. Auch die „Massentierhaltung als Pandemie-Risiko“ und das in diesem Zusammenhang zunehmende Auftreten antibiotikaresistenter Keime sind keine Unbekannte.

Aktuell fällt im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie mehr Scheinwerferlicht auf die Big Player des Fleischkapitals als gewöhnlich. Denn bei Tönnies, Westfleisch, Vion-Food, Wiesenhof und Müller-Fleisch haben die Arbeits- und Lebensbedingungen der Schlachthofarbeiter für eine starke Ausbreitung der Krankheit gesorgt. Hatte Deutschlands größter Fleischfabrikant Clemens Tönnies noch Anfang Mai kritisiert, mit Kontrollen und umfangreichen Tests der Schlachthofarbeiter werde seine Branche „unter Generalverdacht gestellt“, wurden im Laufe der Kalenderwoche 25 immer mehr Beschäftigte des Unternehmens positiv auf das Coronavirus getestet. Am Samstag der Woche wurde bekannt gegeben, dass 1029 der bisher unter der Werksbelegschaft in Rheda-Wiedenbrück durchgeführten Tests positiv ausgefallen sind. Mindestens 14 der infizierten Arbeiter liegen im Krankenhaus. Tausende weitere Tests stehen noch aus.

Bundesweit sind damit derzeit mehr als 2.200 Fälle bekannt, in denen sich Arbeiter der Fleischindustrie mit SARS-CoV-2 infiziert haben. Das sind etwa 1,2 Prozent aller bestätigten Corona-Infektionen in Deutschland, Tendenz steigend. Dabei sind es nicht die Betriebe, die von der Krankheit betroffen sind, wie es derzeit in zahlreichen Zeitungsberichten heißt, sondern lohnabhängig Beschäftigte. Sie haben in den letzten Wochen trotz der Infektionsgefahr weiter auf engstem Raum in kalten Schlachtanlagen – und damit in einer gut zur Übertragung des Virus geeigneten Umgebung – für die Fleischindustriellen gearbeitet.

Es lässt sich mit Autoren wie Rob Wallace, John Bellamy Foster & Intan Suwandi oder Andreas Malm argumentieren, dass die zunehmende pandemische Ausbreitung von Viren, die eine Gefahr für Leib und Leben bergen, alles andere als verwunderlich ist. Denn die kapitalistische Produktionsweise, insbesondere die industrielle Agrar- und Fleischproduktion, ist für sie zugleich Ursache und Katalysator. Auch ist es kein Wunder, dass die Schlachtindustrie nun Infektionshotspot ist – die Zustände, die dort herrschen, geben nicht erst seit Corona Anlass zur Kritik.

Die maximale Ausbeutung der Lohnabhängigen…

Das gilt unter anderem für die Arbeitsverhältnisse und -bedingungen. Nach Angaben des Deutschen Bundestages arbeiten in hiesigen Schlachthöfen knapp 37.000 versicherungspflichtig Beschäftigte (Drucksache 19/11284). Nach Schätzungen der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) sind allerdings bis zu 80 Prozent der Kollegen über Subunternehmen (bzw. undurchsichtige Sub-Sub-Konstruktionen) angestellte Werkvertragsarbeiter, die in dieser Zahl nicht abgebildet sind.

Die systematische Überausbeutung der lohnabhängig Beschäftigten in der deutschen Fleischindustrie, die überwiegend aus osteuropäischen Ländern der EU-Peripherie rekrutiert werden, wird momentan über dieses Werkvertragssystem organisiert. Die Großschlachtereien haben es so leichter, etwa den Mindestlohn zu unterwandern. Denn die Organisation des Arbeitsprozesses wird an Subunternehmer ausgelagert, die nicht nur das Personal besorgen, sondern auch für die Lohnprellerei zuständig sind. Deutschland ist so zu einem Billiglohnland geworden, auch Konzerne wie Danish Crown oder die niederländische Vion Food-Gruppe lassen deshalb hier produzieren. Für sie ist es günstig, dass eine gewerkschaftliche Organisierung der Beschäftigten unter diesen Bedingungen nur schwer möglich ist.

Der Mindestlohn, der in der Branche seit 2014 gilt, wird unter anderem durch Arbeitsschichten von 12, 15 oder mehr Stunden unterlaufen, von denen nur acht bezahlt werden. Teile des Lohns werden den Beschäftigten obendrein dadurch genommen, dass sie Vermittlungsgebühren oder Wuchermieten von 220 Euro oder mehr für einen Schlafplatz in einem Mehrbettzimmer bezahlen müssen. Und das bei physischer und psychischer Schwerstarbeit: In einem Klima von Stress und Gewalt töten die Werkvertragsarbeiter – angetrieben von Vorarbeitern – mitunter stundenlang leidensfähige Kreaturen, die bluten, stinken, schreien und sich wehren.

Immer wieder wurde in den letzten Jahren zudem von Verletzungen und Erkrankungen berichtet, die durch die Arbeitsgeschwindigkeit sowie durch mangelnde bzw. mangelhafte Schutzkleidung und Hygiene zustande kommen: Verätzungen, Schnittwunden, Infektionen usw.

So verwundert es nicht, dass Kollegen berichten, sie hätten unter diesen Umständen keinen Fuß in deutsche Schlachtbetriebe gesetzt, wenn sie die Chance auf einen besseren Job gehabt hätten.

…und der Tiere

2018 wurden in der BRD nach offiziellen Angaben insgesamt 771,25 Millionen Tiere – meist im Akkord – geschlachtet. 709,7 Millionen Vogeltiere und 56,9 Millionen Schweine, knapp 3,5 Millionen Rinder und über eine Million Lämmer sind allen voran in Großbetrieben getötet worden. Hinzu kommen etwa 140.000 Schafe, 24.000 Ziegen und 6.900 Pferde (Statistisches Bundesamt 2018). Noch nicht in diesen horrenden Zahlen enthalten sind sogenannte unproduktive Tiere (z.B. männliche Küken), Fische und andere Wasserlebewesen sowie Wildtiere. Auch Milchkühe und Legehennen werden nach Jahren der Quälerei meist in Schlachthöfen weiterverarbeitet.

Angesichts des heutigen Standes der Produktivkraftentwicklung sind Profite nur dort zu machen, wo die Schlacht- und Zerlegearbeit besonders schnell geht. Das kapitalistische Schlachten ist entsprechend nicht nur mit einer hohen Arbeitsintensität verbunden. Es geschieht auch unter den Tieren systematisch zugefügten Qualen (über die es heute nicht an Berichterstattung mangelt).

So berichten Kollegen zum Beispiel davon, dass Tiere häufig „nicht richtig betäubt werden und noch leben, sich noch bewegen, schreien, wenn sie ins heiße Brühbad kommen“.

Damit ist diese Branche eines der besten Beispiele dafür, dass, wie Marx schreibt, „die Anschauung,  welche unter der Herrschaft des Privateigentums und des Geldes von der Natur gewonnen wird, (…) die wirkliche Verachtung, die praktische Herabwürdigung der Natur [ist]“, in diesem Fall zumeist intelligenter, sozialer, lernender Wesen. In der kapitalistischen Fleischproduktion werden Tiere auf eine spezifische Weise ausgebeutet, die sich von der der Lohnarbeiter unterschiedet. „Ihre Ausbeutung entspricht dem, was Marx als Ausbeutung der Natur bezeichnet: Kraft der bürgerlichen Eigentumsrechte und ihrer ökonomischen Verfügungsgewalt ziehen die Kapitalisten Profit aus dem ruinösen Umgang mit den Tieren.“ In Abstraktion von ihren Qualitäten und Fähigkeiten – zu denen die des Leidens gehört – werden sie „als frei verfügbare Produktionsmittel angeeignet“ und ihre quälbaren Körper entsprechend behandelt.

Fleischoligopol

Während die Zustände in der Fleischindustrie und ihre Konsequenzen für Arbeiter, Tiere und die Natur lange bekannt sind, versuchen jene, die am meisten an ihnen verdienen, ihre Hände in Unschuld zu waschen. Unterstützt durch Medienberichte, die das Kapital verschonen und statt dessen an das schlechte Gewissen der Verbraucher appellieren, zeigt die Fleischindustrie auf die Discounter. Das Handelskapital schustert wiederum die Schuld den Konsumenten zu, die das billige Fleisch nun einmal kauften. Und wenn einmal etwas schief laufe, könne nicht gleich die gesamte Branche zur Rechenschaft gezogen werden, die „in den letzten Jahren immer wieder viel Kritik aushalten musste“, und zwar „in einer inakzeptablen und unzumutbaren Weise“, so der Verband der Ernährungswirtschaft in Niedersachsen (VDEW). Doch den Fleischriesen sind nicht etwa die Hände gebunden, was die Verhältnisse in ihrer Branche betrifft. Im Gegenteil: In der Frage, wie in der deutschen Fleischindustrie produziert wird, geben sie den Ton an.

Mit 42,5 Milliarden Euro respektive 23,7 Prozent des Gesamtumsatzes waren die Hersteller von Fleisch und Fleischwaren im Jahr 2018 nach Angaben der Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie (BVE) der umsatzstärkste Zweig der Nahrungsmittelbranche. Für 2019 werden sich die Umsatzzahlen laut einer Studie der Ernst & Young GmbH sogar auf voraussichtlich knapp 45 Milliarden belaufen. Die Ernährungsindustrie wiederum ist nach Umsatz der viertgrößte Industriezweig Deutschlands. Die Fleischindustrie ist demnach kein wirtschaftliches Leichtgewicht.

Zwar gab es laut Online-Portal Statista im Schlachterei- und Fleischverarbeitungsgewerbe deutschlandweit im Jahr 2018 insgesamt etwa 1.400 Betriebe. Aber die Branche ist von einer starken Konzentration und Zentralisation des Kapitals geprägt. Die Top 10 der Unternehmen konnten im selben Jahr mit 20,6 Milliarden Euro knapp die Hälfte des Gesamtumsatzes der Branche auf sich vereinigen – unter ihnen die fünf oben genannten Großbetriebe mit Massenausbrüchen von COVID-19. Schaut man nur auf die Top 4, sind es stattliche 35 Prozent des Gesamtumsatzes. Allein die Tönnies Holding fuhr mit 6,65 Milliarden Euro knapp 15,7 Prozent des Gesamtumsatzes deutschen Schlacht- und Fleischverarbeitungsbetriebe ein. 2019 erzielte der Branchenprimus sogar einen Rekordumsatz von 7,3 Milliarden Euro.

Der Konzern führt mit jährlich 16,6 Millionen getöteten Schweinen (2018), also einem Anteil von knapp 30 Prozent, die Liste der größten Unternehmen an, die diese Tiere schlachten – vor Westfleisch (7,9 Millionen getötete Schweine), Vion Food Germany (7,8 Millionen) und Danish Crown (3,1 Millionen). Bei der Schlachtung von Rindern beherrscht Vion Food mit 750.000 Schlachtungen pro Jahr (2018) das Feld, gefolgt von Tönnies (444.000), Westfleisch (425.000) und der Müller-Gruppe. Das Geschäft mit der Tötung und Zerlegung von Geflügeltieren wird von der PHW-Gruppe (Marke Wiesenhof) angeführt.

Zunahme der Produktion auch durch Exportstrategien ermöglicht

Inwiefern diese Zahlen durch die Corona-Pandemie beeinflusst werden, bleibt abzuwarten. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) geht davon aus, dass die weltweite Fleischproduktion im Jahr 2020 um 1,7 Prozent zurückgehen wird – nicht nur aufgrund von COVID-19-bedingten Produktionsausfällen, sondern vor allem auch wegen der in China weiterhin grassierenden Afrikanische Schweinepest (ASP). Tönnies hält bisher daran fest, dass Corona bedingte Schlachtausfälle in Rheda-Wiedenbrück von anderen Standorten aufgefangen werden solle. Und auch die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) behauptet, „dass es sich nur um leichte Verschiebungen handeln wird.“

Für Schlachthofarbeiter und Tiere ist das keine gute Nachricht. Erstere müssen mit einer weiteren Intensivierung der Arbeit rechnen, letztere werden voraussichtlich mehr Zeit in Tiertransportern verbringen, bevor ihnen der Garaus gemacht wird.

Die Grünen und Andere fordern nun die Einführung eines Mindestpreises für Fleisch, durch den die Verhältnisse in der Industrie verbessert werden sollen. Das ist allerdings nicht nur deshalb fragwürdig, weil das Kapital höhere Warenpreise nicht automatisch in bessere Löhne und Arbeits- und Lebensbedingungen für Beschäftigte und Tiere übersetzt, sondern den Preisaufschlag auch einbehalten könnte. Die deutsche Fleischindustrie arbeitet auch seit Jahren daran, ihre Gewinnmargen von deutschen Konsumverhältnissen unabhängiger zu machen. Sie geht bereits seit Jahren davon aus, dass der hiesige Markt gesättigt ist und dies – auf hohem Niveau – auch bleiben wird.

Und doch hat die Fleischproduktion in den letzten Dekaden exorbitant zugenommen. 1999 lag der Gesamtumsatz der deutschen Schlacht- und Fleischverarbeitungsindustrie nach Angaben des Statistischen Bundesamtes noch bei 18,1 Milliarden Euro. Bevor er auf die heutigen 44 Milliarden angestiegen ist, lag er 2007 bei 24,5 Milliarden und 2015 bei 34,8 Milliarden Euro.

Dass die Branche also wächst, lässt sich vorrangig durch die internationalen Konkurrenzvorteile des deutschen Fleischkapitals und seine geographische Expansion erklären, durch die es einen Teil der global wachsenden Fleischproduktion abdeckt. Die Akkumulationsstrategien insbesondere der Großkonzerne basieren seit Anfang des Jahrtausends zunehmend auf dem Verkauf von Fleischwaren ins Ausland. Tönnies erwirtschaftete im Jahr 2018 beispielsweise 50 Prozent seiner Umsätze durch den Export, bei Westfleisch waren es über 40 Prozent.

Auch der Kapitalexport ist Teil dieser Expansionsstrategie. Tönnies, der nach eigenen Angaben bereits über 29 Produktions- und Vertriebsstandorte außerhalb Deutschlands verfügt, kündigte beispielsweise Ende 2019 eine Großinvestition in China in Höhe von 500 Millionen Euro an. Die Holding visiert zunehmend auch dem Schlachten vorgelagerte Produktionsschritte für den Kapitalexport an und erwägt, in mehreren Ländern Mastbetriebe aufzubauen, „um in Zukunft dort eine Basis für die Produktion zu schaffen“. Der Geflügelgroßkonzern PHW hat ebenfalls außerhalb der BRD investiert. Neben zwei polnischen Tochtergesellschaften Drobimex und Bomadek hält die Unternehmensgruppe zum Beispiel Anteile an der bulgarischen Ameta-Gruppe. Denn es gebe „Teilbereiche, in denen wir mit deutscher Ware nicht wettbewerbsfähig sind“, erklärt PHW-Chef Wesjohann. Polen hingegen habe vorteilhaftere Tierschutzbestimmungen (dort sei mit 42 kg/m2 eine höhere „Besatzdichte“ erlaubt) und „viel niedrigere Lohn- und Baukosten“.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) „unterstützt mit seinem Exportförderprogramm gezielt die Bemühungen der deutschen Unternehmen“. Denn angesichts des hohen Wettbewerbsdrucks im Inland sei der Export für die deutsche Ernährungsstrategie „zu einer wichtigen Absatzstrategie geworden“.

Staat gegen Kapital?

Die Bundesregierung hat die Strategien der Fleischriesen bisher nicht nur durch Exportförderung, Subventionen und diverse andere Unterstützungsmaßnahmen flankiert. Die staatliche Politik hat auch die systematische Überausbeutung ermöglicht – etwa durch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz.

Im Zuge der Corona-Skandale kündigte Arbeitsminister Hubertus Heil nun an, er wolle in der Fleischbranche „durchgreifen“ und Werkverträge abschaffen. In dem Eckpunktepapier „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft“ seines Bundesministeriums heißt es dazu: „Ab dem 1. Januar 2021 soll das Schlachten und die Verarbeitung von Fleisch in Betrieben der Fleischwirtschaft im Sinne des § 6 Absatz 10 Arbeitnehmer-Entsendegesetzes nur noch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des eigenen Betriebes zulässig sein. Damit wären Werkvertragsgestaltungen und Arbeitnehmerüberlassungen nicht mehr möglich.“

Ob bzw. wie viel sich tatsächlich ändern wird, bleibt allerdings abzuwarten. Gegendruck vonseiten des Fleischkapitals ist vorprogrammiert und die Frage ist, was dem von unten entgegengesetzt wird. Tönnies setzt sich zum Beispiel gegen ein generelles Verbot ein und fordert stattdessen „faire“ Werkverträge. Der Konzern „bietet der Bundesregierung an, seine Fachexpertise in den Gesetzgebungsprozess einzubringen“. Zudem sind Rechtsstreits in puncto Eingriffe in die Unternehmensfreiheit sowie entlang europarechtlicher Fragen zu erwarten. Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) hat indes bereits angekündigt, dass er bei einem generellen Verbot von Werkverträgen für nur eine Branche „aus verfassungsrechtlichen Gründen weiterhin skeptisch“ sei. Durch den Vorstoß von Hubertus Heil ist also die Durchsetzung besserer Arbeitsverhältnisse und eines sicher gezahlten Mindestlohns in der Branche alles andere als gesichert.

Das lehrt auch die jüngere Geschichte. Bereits 2017 hatte die damalige SPD-Ministerin Andrea Nahles Nebelkerzen gezündet. Ihr „Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft“, durch das sich Fleischunternehmer verpflichten, etwa für die Sozialversicherung ihrer Beschäftigten bei Subunternehmern zu haften, hat nichts an den Arbeitsbedingungen in der Industrie verbessert. Das liegt nicht nur an schwammigen Formulierungen in bestehenden Gesetzestexten, sondern auch daran, dass der Staat massiven, flächendeckenden Rechtsbrüchen bislang kaum Kontrollen entgegengesetzt hat. Und wenn doch welche durchgeführt werden, werden sie oft vorher angekündigt und sind daher keine Gefahr für den reibungslosen Ausbeutungsprozess. Dasselbe gilt für die Tierschutzbestimmungen, die ohnehin weit davon entfernt sind, auf das Wohl der Vogeltiere, Rinder, Schweine und Co ausgerichtet zu sein.

Es ist an der Zeit, die Debatte über die Fleischindustrie grundlegender zu führen, als es in Teilen der marxistischen Linken bisher der Fall ist. Dabei muss erstens die Frage gestellt werden, wie unter derzeitigen Verhältnissen in der Fleischindustrie der Druck auf das Fleischkapital von unten erhöht werden kann. Zweitens gehört – ähnlich wie in der Auseinandersetzung mit der Rüstungs- oder Automobilindustrie – die Eigentumsfrage ins Zentrum der Debatte. Schließlich sollten die Vergesellschaftung und Konversion der Nahrungsmittelbranche hin zu einer vernünftigen Produktion angestrebt werden, die nicht länger auf der Ausbeutung von Arbeitern und Tieren sowie auf der Zerstörung der Natur gründet.