Die Finanzminister*innen der sieben größten kapitalistischen Länder (G7) haben sich auf eine Mindeststeuer für Multis geeinigt. Im Prinzip. Denn das Vereinigte Königreich, derzeit Vorsitzender der G7, zögerte noch, so dass die Einzelheiten erst noch ausgehandelt werden müssen. Bedenken gibt es auch aus Steueroasen in aller Welt und von kleineren EU-Staaten, die niedrige Steuersätze als Argument im Wettbewerb um Unternehmensansiedlungen anführen.

Bislang ist es Multis möglich, Gewinne über ein weltweit verzweigtes Netz von Tochterfirmen dorthin zu verschieben, wo die Steuersätze niedrig oder die Schlupflöcher groß sind. Oder beides. So deklariert Google seine Gewinne beim Fiskus in Irland und Amazon in Luxemburg. Beides sind Länder., in dene Multis kaum Steuern bezahlen müssen. In der EU gibt es weitere günstige Steueroasen, wie die Niederlande, Zypern, Malta. Hinzu kommen zahlreiche Steuerparadiese in der Karibik oder unter britischer Verwaltung.

Künftig sollen die großen multinationalen Konzerne in dem Land Steuern zahlen, in dem sie Umsatz machen. Google soll also dort versteuern, wo es seine Daten einsammelt und Werbung verkauft. Handelsplattformen wie Amazon sollen in dem Land Steuern zahlen, in dem ihre Kunden einkaufen. Die neue US-Finanzministerin Janet Yellen hofft, dass große us-amerikanische Internetkonzerne künftig mehr Steuern in den USA zahlen müssten und sie auch mehr Geld von europäischen Konzernen kassieren kann, die in den USA gute Geschäfte machen. Denn die Regelung betrifft auch eher traditionelle Konzerne wie die deutschen Autobauer. Volkswagen würde dann mehr Steuern in China zahlen und weniger in Europa. Denn die meisten Fahrzeuge setzt das Wolfsburger Unternehmen in China ab.

Italien, Frankreich und Großbritannien haben bereits eigene nationale Steuern für Internet-Geschäfte erlassen, die vor allem auf us-amerikanische Tech-Giganten zielen. Diese Steuern müssen Paris und London nun wieder abschaffen. Das war für die USA eine Vorbedingung für den Deal. Zusätzlich zum "Umsatz-Prinzip" soll einen weltweit gültiger Mindeststeuersatz von 15 Prozent durchgesetzt werden. Deutlich weniger als die von US-Präsident Biden angekündigten 21 Prozent. Doch die stießen auf den Widerstand von vielen Staaten, die heute mit ihren Steuersätzen weiter unter dieser Marke liegen. Denn in den letzten Jahrzehnten fand eine globales Rennen um die niedrigsten Steuersätze für Konzerne statt. So einigten sich die G7-Finanzminister*innen auf 15 Prozent, was ungefähr dem untere Ende der heute nominal fälligen Steuersätze in der EU entspricht. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sprach von einer historischen Einigung und einer "Steuerrevolution".

Demgegenüber bezeichnete der Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Zucman, Koordinator der Europäischen Beobachtungsstelle für Steuern die 15 Prozent als "lächerlich niedriger Satz": "Wir brauchen einen Steuersatz von 25 Prozent, 15 Prozent ist ein lächerlich niedriger Satz. In den Achtzigern waren es 50 Prozent. In 40 Jahren sind wir von 50 % auf 22 % gesunken. Heute liegen alle G7-Länder (Deutschland, Kanada, USA, Frankreich, Italien, Japan und Großbritannien) noch deutlich über dieser Schwelle von 15 Prozent.″ Der Vorschlag der Informationsstelle lautet, einen Steuersatz von 25 % festzulegen, was allein auf europäischer Ebene zusätzliche Einnahmen in Höhe von 170 Milliarden Euro pro Jahr garantieren würde. ″Es würde dazu dienen, die Spirale des Steuerwettbewerbs zu durchbrechen, die die EU in ein Kasino verwandelt hat, in dem irische, niederländische, luxemburgische oder zypriotische Regierungen multinationalen Konzernen erlauben, einer fairen Besteuerung zu entgehen″, so Gabriel Zucman.

Der internationale Verbund von Hilfs- und Entwicklungsorganisationen Oxfam kritisiert die Vereinbarung ebenfalls heftig, da der Steuersatz von 15 Prozent nahe bei den Sätzen liegt, die in Steueroasen wie Irland, der Schweiz oder Singapur gelten. Nach Oxfam sollte der Steuersatz bei 25 Prozent liegen. "Der Deal ist nicht fair. Es handelt sich um ein Top-Down-Steuerabkommen, das von nur sieben Ländern ausgehandelt und vor dem für diesen Sommer erwarteten globalen Abkommen beschlossen wurde. Er wird überwiegend den reichen Ländern zugute kommen und die Ungleichheit vergrößern. Milliarden von Dollar an entgangenen Einnahmen in Steueroasen würden jedes Jahr an reiche Länder gehen, in denen die meisten der großen multinationalen Unternehmen wie Amazon und Pfizer ihren Sitz haben. Die G7 kann nicht erwarten, dass die Mehrheit der Länder der Welt Brosamen von ihrem Tisch akzeptiert."

Wer erhält die Steuereinnahmen?

Denn neben dem Prozentsatz der Steuer und dem Berechnungssystem geht es vor allem auch um die Verteilung der zusätzlichen Einnahmen. Der Vorschlag der G7 begünstigt ebenso wie der Vorschlag der OECD, die seit 2019 über ein globales Steuersystem verhandelt, die reichsten Länder, in denen die multinationalen Unternehmen den Löwenanteil ihres Umsatzes machen und ihren Hauptsitz haben. Diese Länder erwirtschaften 45 % des globalen Bruttoinlandsprodukts, obwohl sie nur 10 % der Weltbevölkerung haben. Bei einer Umverteilung nur innerhalb dieser Länder stünden den G7 mehr als 60 % der Mehreinnahmen zu (andere sprechen von 75 %). Der kleine Club der reichen Länder ist also nicht nur für zwei Drittel der seit den 1980er Jahren begangenen Steuervergehen verantwortlich, sondern würde auch in den Genuss der Mehreinnahmen kommen. Im Gegensatz dazu würden Länder mit niedrigem Einkommen einen erheblichen Teil ihrer Steuereinnahmen verlieren und nur wenig von der Mindeststeuer profitieren. Oxfam verweist auf die mutigeren Vorschläge der Entwicklungsländer, wie ihn das African Tax Administration Forum im Namen von 38 afrikanischen Ländern präsentiert.

Das internationale Tax Justice Network hat den "Minimum Effective Tax Rate" vorgeschlagen, einen Index, der es ermöglichen würde, die Einnahmen auch in den Ländern zu verteilen, in denen die eigentliche wirtschaftliche Aktivität der multinationalen Unternehmen stattfindet, ohne zwischen den Ländern zu unterscheiden, in denen sie ihren Sitz haben und denen, in denen sie tätig sind. Indien würde damit dreimal so viel erhalten wie den von der OECD geschätzte Betrag, fast 13 Milliarden US-Dollar. China 32 Milliarden USD; Brasilien 10 Mrd. gegenüber 3 Mrd. USD.

Liz Nelson von Tax Justice Network betont, dass es nicht nur um Zahlen geht, sondern dass es sich um eine zutiefst politische Auseinandersetzung handelt: "Kolonialmächte wie Großbritannien und die Niederlande", sagt sie, "waren maßgeblich an der Entwicklung eines missbräuchlichen globalen Steuersystems beteiligt, das heute Ländern mit niedrigem Einkommen - in denen die Hälfte der Weltbevölkerung lebt - Steuern in Höhe von mehr als der Hälfte ihrer öffentlichen Gesundheitsbudgets raubt. Wir dürfen nicht vergessen, dass es die Sklavenhalter waren, die bei der Abschaffung der Sklaverei vom Kaiserreich entschädigt wurden, nicht die Sklaven selbst. Wir dürfen heute nicht die Geschichte wiederholen und die schlimmsten Verursacher von globalem Steuermissbrauch belohnen."

Nach dem Beschluss der G7-Finanzminister*innen muss sich der kommende G7-Gipfel dem Vorschlag anschließen. Dann müssten weitere Länder ins Boot geholt werden, damit die Einigung auch in die Tat umgesetzt werden kann. Vor allem ist die Zustimmung der G20 - der 20 wichtigsten Volkswirtschaften der Erde zu denen auch die VR China, Brasilien, Südafrika, Indien und Australien gehören - für ein globales Besteuerungsprinzip und einen globalen Mindeststeuersatz notwendig. Im September sind Verhandlungen über die Bildung eines zwischenstaatlichen Gremiums zur Festlegung von globalen Steuerregeln durch die UN vorgesehen. In diesem Gremium haben dann auch die armen Länder eine stärkere Stimme.

Mit freundlicher Genehmigung von kommunisten.de.