Der Kampf der fortschrittlichen ökologischen Kräfte gegen die Lobby der Atomenergiewirtschaft schien in Deutschland mit dem Atomenergiekompromiss zwischen der rot-grünen Regierung und den vier großen Energiekonzernen vom Juni 2000 vorerst beigelegt. Nun aber – neun Jahre später und ein Jahr vor den ersten vereinbarten AKW-Stilllegungen von Biblis A, Biblis B und Neckarwestheim 1 – setzen und hoffen die Konzerne auf einen Regierungswechsel. CDU/CSU und FDP sind bereit, eine Laufzeitverlängerung der 34 und 36 Jahre alten Atommeiler durchzuboxen und damit wieder hinter den erreichten gesellschaftlichen Kompromiss, der durchaus große Rücksichten auf die Interessen der Atomkraftwirtschaft nimmt, zurückzugehen. Dieser wurde damals nach einer Neubewertung der Risiken von Atomkraftwerken erzielt und führte zu der Entscheidung, die Laufzeit der deutschen Atomkraftwerke auf durchschnittlich 33-34 Jahre zu befristen. Entscheidend waren dabei das erhöhte Unfallrisiko (und die ungeklärte Entsorgung der Atomabfälle).

Diese Einschätzung wird durch die Störfälle, z.B. kürzlich im AKW Krümmel bei Hamburg, bestätigt: Am 28 Juni 2007 brannte ein großer Transformator aus, das AKW musste notabgeschaltet werden – dann wurde zwei Jahre lang repariert, nun aber, nach nur zwei Wochen Betrieb am 4.7.2009, gab es wieder einen gravierenden TrafoDefekt mit notwendiger Schnellabschaltung des Reaktors! Eine entsprechende Statistik des Bundesamtes für Strahlenschutz (SZ v. 9.7.09) stellt einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Alter eines AKWs und der Zahl „meldepflichtiger Ereignisse pro Jahr“ fest. Dies verwundert einen vernünftig denkenden Menschen eigentlich nicht, denn ein 34 Jahre altes Auto hat nun einmal auch bei der besten Pflege ein höheres Pannenrisiko als ein gut gepflegtes fünf Jahre altes. Aber die „deutschen“ Atomlobbyisten tönen, wie auch damals die US-amerikanischen (vor dem GAU von Harrisburg am 28.März 1979) und die sowjetischen Atomlobbyisten (vor dem Super-Gau von Tschernobyl am 25.April 1986), dass die jeweils eigenen AKWs und Sicherheitsmaßnahmen inkl. Ingenieure und Techniker besonders gut und zuverlässig seien. Dabei können gerade auch sog. zunächst kleinere Störfälle Anlass sein für eine Katastrophe, wie das Resümee der Untersuchungskommission zum Harrisburg-GAU betont (Der Störfall von Harrisburg, 1979). Der Bundestag entschied deshalb 2002 mit der Änderung des Atomgesetzes, dass die Risiken aus alten AKWs nur noch für eine begrenzte Dauer verantwortbar sind. Dieser gesellschaftliche Kompromiss soll nun wieder zur Disposition gestellt werden.

Die Bundestagswahl wird in dieser Frage eine Richtungsentscheidung sein.

Die “neuen” Argumente der Atomenergiebefürworter

Die Atomlobbyisten versuchen neuerdings, die Atomenergie als unentbehrlich zur Rettung des Klimas und zur Eindämmung des Treibhausgas-Ausstoßes zu erklären. So preist Bayerns „Umweltminister“ Markus Söder eine Laufzeitverlängerung alter AKWs mit den Worten: “Es gibt in der jetzigen Phase keine ökologischere und sozial verträglichere Energieform als die Kernenergie.” Die CSU streite nicht um Atomkraftwerke per se, sondern für Klimaschutz und bezahlbare Strompreise. Dafür benötige man die Kernenergie als Übergangstechnologie. Das erinnert in unseligem Angedenken an Bush, der die Nutzung der Kernenergie als „Schlüssel im Kampf gegen den Klimawandel“ bezeichnete.

Die atomkraftfreundliche Internationale Energieagentur (IEA), eine Unterorganisation der OECD (= Zusammenschluss der westlichen Industrieländer), summierte lt. SZ vom 7.6.08 dann schon mal locker den „Bedarf“ von Atomkraftwerken: Global brauche man im Kampf gegen den Treibhauseffekt und zur weiteren Strombedarfsdeckung bis zur Mitte des Jahrhunderts 1300 neue AKWs, d.h.: ca. 32 neue AKWs pro Jahr bzw. alle 12 Tage irgendwo auf der Erde ein neues AKW ! Gleichzeitig damit wird in letzter Zeit immer wieder von einer angeblichen „Renaissance der Atomenergie“ geredet und geschrieben.

Die “Renaissance der Atomenergie” ist ein Wunschdenken der Atomlobbyisten. Eine solche herbeigesehnte „Renaissance“ gibt es jedoch faktisch (noch) nicht. Die Daten sehen folgendermaßen aus: Derzeit im Betrieb sind 438 AKWs in 31 Ländern. Im Bau befinden sich lt. SZ (v. 10.2.2009, bzw. atw v. 31.12.08) 42 AKWs in 14 Ländern.

Land im Betrieb im Bau
USA 104 1
Frankreich 59 1
Japan 54 2
Russland 31 7
Südkorea 20 5
Indien 17 6
China 11 10
Taiwan 6 2
Finnland 4 1
Slowakei 4 2
Bulgarien 2 2
Argentinien 2 1
Pakistan 2 1
Iran 1
Summe (14 Länder) 312 42

 

Wenn man sich diese Tabelle genauer anschaut, dann sieht man, dass von den 42 Neubauprojekten der Hauptanteil von 34 AKWs auf Asien und Russland entfällt, deren Entscheidung für neue AKWs (Nachholbedarf, militär-/machtpolitische Aspekte, Illusionen) hier nicht erörtert werden soll. Lediglich sechs neue AKWs sind in Europa, und jeweils nur ein Neubau ist in den USA und ein AKW in Lateinamerika im Bau. Unter den im Bau befindlichen Projekten in Europa befindet sich z.B. das früher hochgelobte, angeblich so vorbildliche AKW-Neubau-Projekt von Areva-Siemens in Olkiluoto in Finnland, das nun schon seit 2005 für negative Schlagzeilen wegen Sicherheits-Mängeln, Verstößen gegen die Bauvorschriften, starkem Zeitverzug und exorbitanten Kostenüberschreitungen, um über 50% auf 4,5 Mrd. Euro, sorgt. Auch bei einem anderen EPR-Neubau (EPR = neue Reaktorlinie “Europäischer Druckwasserreaktor”), im französischen Flamanville in der Normandie, gibt es ähnliche Probleme.

Ein anderes hochproblematisches Bauprojekt befindet sich z.B. in Bulgarien nahe dem Städtchen Belene unweit der Donau, etwa auf halbem Weg zwischen Bukarest und Sofia. Diese Gegend ist ein bekanntes Erdbebengebiet. Schon alleine dies wäre Grund genug, dort niemals eine so gefährliche Technologie einzusetzen. Der deutsche Stromkonzern RWE, der mit 49 Prozent an Belene beteiligt ist, sieht dort jedoch in erster Linie seine Profitmöglichkeit.

In den folgenden 18 Ländern laufen zwar 124 AKWs, es sind z.Zt. jedoch keine neuen AKWs im Bau:

Großbritannien 19 Ungarn 4
Kanada 18 Rumänien 2
Deutschland 17 Brasilien 2
Ukraine 15 Mexiko 2
Schweden 10 Südafrika 2
Spanien 8 Niederlande 1
Belgien 7 Slowenien 1
Tschechien 5 Litauen 1
Schweiz 5 Armenien 1

 

Von den derzeit 438 AKWs sind 342 älter als 20 Jahre, 111 AKWs erreichen in den nächsten 10 Jahren das Betriebsalter von 40 Jahren und sollten schleunigst stillgelegt werden. In Summe nimmt derzeit die Zahl der AKWs sogar ab, heute sind immerhin bereits vier AKWs weniger in Betrieb als im Jahre 2002. Auch der Anteil der Stromproduktion aus Atomkraft, der heute weltweit bei knapp 15 % liegt, dürfte selbst nach optimistischer Schätzung auf 9 %, wahrscheinlich auf 7 % zurückgehen.

Also, wie auch die IAEA (UN Agentur f. Atomic Energy) meint: Es ist zumindest verfrüht, von einer Renaissance der Kernenergie zu sprechen. „Eine Renaissance gibt es nur beim theoretischen Interesse, nicht aber bei den konkreten Bestellungen“. Insofern ist auch die Schlagzeile „Deutschland bei Atomkraft isoliert“ bewusst irreführend: Wer will schon isoliert sein, soll dem Bürger suggeriert werden.

Riesige Profite der Energiekonzerne

Dass allerdings die Atomindustrie in Europa (insbes. auch in Frankreich) und USA im Verbund mit den Energiekonzernen heftigst daran arbeitet, diese Situation zu ihren Gunsten wieder zu verändern, ist vor allem aus den daraus erzielbaren Gewinnen und Extraprofiten erklärlich. So haben die großen vier Energiekonzerne in Deutschland E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall in den letzten Jahren riesige Profite eingefahren: – die Nettoprofite der vier betrugen addiert in 2002 schon über 4 Mrd. Euro, in 2007 stiegen sie sogar auf fast 13 Mrd Euro, in den sechs Jahren insgesamt über 50 Mrd. Euro. (vgl. isw-report 73, S. 36).

AKW-Laufzeitverlängerung verhindert den Umbau der Energiewirtschaft

Ein weiteres aktuell gern gebrauchtes und besonders scheinheiliges Argument der Atomlobbyisten lautet: Eine Laufzeitverlängerung der bestehenden alten AKWs und ein Neubau von AKWs sei ja gar nicht gegen regenerative Energien gerichtet, sondern quasi als Begleitmaßnahme, als „Brückentechnologie“ sinnvoll, um den stetigen Aufbau regenerativer Kapazitäten erst realistisch zu ermöglichen. Diese Argumentation wird entlarvt von einer aktuellen Studie des Wuppertal-Instituts vom April 2009 (Fischedick u.a., 4/2009), die detailliert nachweist, dass eine Laufzeitverlängerung alter AKWs und noch mehr ein Neubau von AKWs gerade ein Hindernis ist für einen zügigen weiteren Ausbau regenerativer Energiequellen. Die zentralen Punkte sind:

  • Durch eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke besteht die Gefahr, dass Bemühungen, die Effizienz in der Stromerzeugung zu verbessern und erneuerbare Energien deutlicher auszubauen, zumindest abgebremst oder sogar gestoppt werden.
  • „Eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke würde Strommengen im Markt belassen, die ansonsten sukzessive durch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ersetzt werden könnten. Dadurch würde der weitere Ausbau der KWK deutlich behindert und Dezentralisierungstendenzen gebremst.“
  • Atomkraftwerke sind die unflexibelsten Anlagen im traditionellen Kraftwerkspark. Sie sind kaum regelbar und häufiges An- und Abschalten muss schon aus Sicherheitsgründen möglichst vermieden werden. Die Stromerzeugungskapazitäten dieser AKWs müssen und wollen möglichst vollständig am Markt abgesetzt werden. Dies würde zu einer Verringerung der Anreize führen, die Stromproduktivität (= Wirtschaftsleistung pro verbrauchter Stromeinheit ) weiter signifikant zu erhöhen, Unflexible Atomkraftwerke behindern also neue Effizienztechniken und -innovationen.
  • Um eine klimafreundliche Wende der Energieerzeugung zu erreichen, ist neben großen Energiereduzierungsbemühungen ein massiver Aufbau solarer und Windenergiesysteme nötig. Atomkraft und erneuerbare Energien sind jedoch im Systemverbund nicht kompatibel Die Stromerzeugung aus den wichtigen erneuerbaren Energiequellen Sonne und Wind liefert ein fluktuierendes Energieangebot. Dies erfordert insbesondere eine hohe Flexibilität der konventionellen Kraftwerkskapazität im System, z.B. schnell regelbare Gas- und Dampfturbinenkraftwerke. Unflexible AKWs können keine Beiträge zum Fluktuationsausgleich leisten. Im Gegenteil führt die geringe Regelbarkeit der Atomkraftwerke zu einem zusätzlichen Regelungsbedarf.
  • Der Ausstieg aus der Atomenergie eröffnet die Möglichkeit eines Umstrukturierungsprozesses zu einem auf
    die erneuerbaren Energien angepassten Kraftwerkspark. Ohne diesen schrittweisen Ausstieg ist es sehr schwierig, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2020 auf mindestens 30 Prozent und im Jahr 2030 auf 50 Prozent zu steigern.
  • Traditionell ist das Stromversorgungsnetz in Deutschland entsprechend der ökonomischen Machtstrukturen
    zentralistisch auf wenige große Stromerzeugungsanlagen – Kohle- und Kernkraftwerke – ausgerichtet. Bei einem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien muss sich die Struktur des Stromnetzes auf mittlere bis langfristige Sicht jedoch stärker dezentralisieren. Eine Laufzeitverlängerung würde auf längere Sicht den Fortbestand der zentralen Strukturen bedeuten. • Auch die Einführung eines verbesserten EU-weiten Stromverbundnetzes für erneuerbare Energien würde durch eine Laufzeitverlängerung behindert.
  • Selbst im Hinblick auf den Aspekt Versorgungssicherheit sind AKWs entgegen den Beteuerungen ihrer Befürworter eher riskanter. Selbst bei kleineren Störfällen in einem Atomkraftwerk müssen oft weitere Atomkraftwerke zur Überprüfung stillgelegt werden.

Bei einem durchaus im Bereich der Möglichkeit liegenden schweren Störfall in einem deutschen Atomkraftwerk oder im näheren europäischen Umfeld könnte dieser Effekt massiv auftreten. 2007 lagen gleichzeitig mehrere Atomkraftwerke wegen Sicherheitsmängeln über längere Zeiträume still (Biblis A und B, Brunsbüttel, Krümmel), so dass aus Atomkraftwerken lediglich 141 Terawattstunden Strom produziert wurde, also gut 25 Terawattstunden weniger als zu erwarten gewesen wäre. Zum Vergleich: Im Jahr 2006 wurden 167 Terawattstunden produziert. Atomkraftwerke hatten somit 2007 einen Anteil von nur 22 Prozent an der Stromproduktion. Dies wurde u.a. durch einen höheren Anteil von erneuerbaren Energien kompensiert (Aufwuchs in 2007 auf 14 Prozent).

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor für die Stromversorgung durch AKW ist die durch den Klimawandel steigende Trockenheit in den Sommermonaten und der damit verbundene Mangel an Kühlwasser. Dies ist schon 2003 so geschehen.

  • Auch wird die Importabhängigkeit durch AKWs nicht entschärft, denn der Kernbrennstoff muss zu 100% importiert werden und eine Verknappung ist ebenfalls schon absehbar.
  • Eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke würde sich aufgrund der heute herrschenden Markt mechanismen der Strompreisbildung nicht oder kaum in niedrigeren Strompreisen niederschlagen, sondern lediglich zu einer deutlichen Steigerung der Einnahmen der Kraftwerksbetreiber (s.o. Profitentwicklung) führen. Bei einer Laufzeitverlängerung würden in den nächsten Jahren Zusatzgewinne i.H. von drei bis vier Mrd. Euro pro Jahr für die Kraftwerksbetreiber anfallen (Matthes 2008).

Nach den gängigen Rechnungen sind die vorhandenen Atomkraftwerke bereits seit etlichen Jahren in Betrieb und daher abgeschrieben. Im Gegensatz zu neu gebauten Kraftwerken müssen sie nicht mehr ihre Investitionskosten, sondern nur noch ihre Betriebskosten erwirtschaften, deshalb sind sie aus Konzernperspektive so attraktiv. Ein neu gebautes Atomkraftwerk, das mit hohen Kapitalkosten und Unsicherheiten in der Umsetzung verbunden ist, wäre im Markt ohne staatliche Unterstützung nicht wirtschaftlich zu betreiben, erst recht nicht, wenn die bestehenden Risiken vollständig eingepreist wären. Atomkraftwerke helfen also nicht gegen steigende Energiepreise

Generell ist zu sagen:

Mit einer Abkehr vom Ausstieg würde Deutschland die Möglichkeit zum Nachweis aus der Hand geben, dass eine nachhaltige, risikoarme, auf erneuerbaren Energien und Energieeffizienzsteigerungen fußende Energieversorgung möglich ist. Negative Wirkungen wären nicht nur durch eine Verlangsamung der Dynamik des Zubaus erneuerbarer Energien wahrscheinlich, sondern auch bei der Umsetzung von Stromeinsparmaßnahmen und dem Ausbau der dezentralen Kraft-Wärme-Kopplung.

Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien, die Steigerung der Energieeffizienz und die Abkehr von der Risikotechnologie Atomkraft hingegen könnte weltweit ein gutes Beispiel in Technologieentwicklung, Klimaschutz und Handlungsfähigkeit beim Aufbau alternativer Energieerzeugungsstrukturen gegeben werden. Die Fortsetzung des Atomausstiegs und der hierdurch induzierte Druck tragen zentral dazu bei, dass dieser Entwicklungsweg nicht verspielt wird. Im übrigen hat sich die Situation und die Argumentation gegen Kernkraft in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten kaum geändert. Nach wie vor gelten die Argumente gg. den sog. “Ausweg KKW“, wie sie für den Ausstiegsbeschluss und davor gegolten haben. Wir müssen jetzt immer wieder daran erinnern und auch, dass manche Argumente heute sogar noch verstärkt durch die bisherige Entwicklung gültig sind. Zusammengefasst lauten die wichtigsten, nach wie vor gültigen Argumente (s. isw-report 73 S. 28f; Broschüre Elektrizitätswerke Schönau):

1) Die extrem hohen gesellschaftlichen Gesamtkosten der Kernenergie

Bereits die Forschungsaufwendungen für Kernenergie wurden und werden größtenteils staatlich getragen: in den OECD-Ländern mit vier Mrd. Dollar jährlich (in den 80er Jahren waren es sogar zehn Mrd. Dollar). Das ist mehr als das Doppelte der Forschungsaufwendungen für alle übrigen Energieträger zusammen – wobei die fossilen Energieträger an zweiter Stelle liegen und abgeschlagen kommen am Schluss die regenerativen Energien. Für die gesamte staatliche Atomförderung wurden bis heute weltweit – in heutigen Finanzwerten mehr als 1.000 Mrd. Dollar, ausgegeben, für Regenerative dagegen nur 40 Mrd. Dollar (Hermann Scheer).

2) Das Unfallrisiko

Es gibt weltweit keine einzige Versicherungsgesellschaft, die bereit wäre, für irgendein AKW die volle Schadenshaftpflicht zu übernehmen. Die AKWs sind zwar bis zu einem Schaden von maximal einigen Milliarden versichert; aber alles was darüber hinausgeht, übernimmt ganz offiziell der Staat, d.h. das Risiko wird auf die Allgemeinheit abgewälzt. Würden die Kernenergieunternehmen die tatsächlichen Haftpflichtrisiken tragen müssen, wäre die angeblich kostengünstige Energie allein dadurch schon ad absurdum geführt. Jeder Ingenieur weiß, dass keine Technik jemals absolut sicher sein kann. Nicht die Tatsache, dass Fehler vorkommen, ist verwerflich – auch wenn alles getan werden muss, Fehler so weit wie möglich zu vermeiden – sondern eine Technologie, die auf Fehler „unfreundlich“ (wie der Techniker sagt) reagiert, d.h. aus einem kleineren Fehler
oder Problem schnell eine Katastrophe werden lässt. Genau so eine „fehlerunfreundliche“ Technologie ist die AKW-Technik heute immer noch, trotz aller langjährigen und staatlich finanzierten kostspieligen Bemühungen. Der Super – GAU eines Kernkraftwerkes würde das Land in weiten Teilen unwiederbringlich verseuchen. Tschernobyl, Harrisburg und andere Unfälle sprechen eine deutliche Sprache, und man hüte sich vor der Illusion, ein solcher Super – GAU wäre hier nicht möglich.

3) Die ungelöste Endlagerung

Es gibt weltweit kein Land mit einem Endlager für Atommüll. Die Entsorgung radioaktiver Abfälle hat sich als ein nicht wirklich lösbares Problem erwiesen. Experten streiten sich, ob radioaktive Abfälle 500.000 oder 40 Millionen Jahre gekühlt und bewacht werden müssen. Ein aberwitziger Streit. Nehmen wir „nur“ 10 Millionen Jahre und die entsprechenden Polizisten und Techniker zu ihrem heutigen Sold, und die angeblich kostengünstige Energie verkehrt sich zu einem unverantwortlichen, nicht nur finanziellen Abenteuer zu Lasten unvorstellbar vieler kommender Generationen.

4) Die Verknüpfung mit der Atombombe

Nicht nur im Iran liegt der Zusammenhang Atomstrom- Atombombe auf der Hand. Insgeheim ist diese Verknüpfung wahrscheinlich für viele Machtpolitiker in manchen Staaten der eigentliche Grund für ihre Befürwortung der Kernenergie.

5) Die Gesundheitsbeeinträchtigung auch schon beim Normalbetrieb

Neuere Langzeitstudien weisen wieder einmal eine erhöhte Krebsrate in der Nähe von AKWs nach, ganz zu schweigen von den Gesundheits- (und Umwelt-) Schäden beim Uranabbau, z.B. für die dort Arbeitenden und für indigene Völker.

6) Die Reservenreichweite

Die OECD-Kernenergiebehörde und die Internationale Atomenergiebehörde schätzen gemeinsam die Reichweite der Uran-Vorkommen bei heutiger Technik auf unter 70 Jahre (beim heutigem Jahresverbrauch in Höhe von 70.000 Tonnen Uran).

7) AKWs sind eine absolute Großtechnologie für Großkonzerne in einer stark zentralisierten Energieversorgung

Eine dezentralisierte, verbrauchernahe, kommunale, demokratisch bestimmte Energieversorgungsstruktur – was unabdingbar ist für eine Klimasanierung – ist mit einer auf AKWs fixierten Versorgungsstruktur nicht machbar.

Insbesondere jetzt vor der Bundestagswahl sind die vielfältigen Aktionen der Anti-AKW-Bewegung – z.B. „Mit neuen Energien in die Zukunft“, Aktionsbündnis „Neue Energien für D“ – Ja zu Atomausstieg und Klimaschutz www.Aktion-EE.de – zu unterstützen.

 

Literatur:

  • Der Störfall von Harrisburg, Der offizielle Bericht der von Präsident Carter eingesetzten Kommission über den Reaktorunfall auf Three Mile Island, Erb Verlag, 1979
  • Fischedick u.a., Hindernis Atomkraft, Die Auswirkungen einer Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke auf erneuerbare Energien, , Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH 4/2009),
  • https://www.bmu.de/dossier_ee_und_atomenergie/doc/44363.php isw-Report Nr.73, Klima-Killer Konzerne, 4/2008
  • Matthes, F.C., 2008. Laufzeitverlängerungen der deutschen Atomkraftwerke und Strompreissubventionen, Berlin: Öko-Institut e.V. atw Fachzeitschrift Atomwirtschaft, Deutsches Atomforum e.V.
  • Broschüre Elektrizitätswerke Schönau, “100 gute Gründe gegen Atomkraft“, 2009 SZ – Süddeutsche Zeitung