In diesem Teil II  des Berichts zur Armut geht es um einen Überblick zu den Entwicklungen von Altersarmut, verdeutlicht am gewählten Beispiel des Landes Bayern.

Rutschbahn in die Altersarmut

„16,9% der in Deutschland lebenden Menschen sind von Armut betroffen, das sind rund 14,1 Millionen Menschen. Gerade auch durch die Pandemie bedingt hat sich die Armut weiter und schneller ausgebreitet. Neue Höchststände gibt es dabei in den Gruppen Kinder und Jugendlichen auch bei der Gruppe alter Menschen, deren Anteil in der Bevölkerung bei 18,2% liegt. Im bundesweiten Vergleich liegt Bayern mit
„nur“ 12,8% am untersten Ende.“ [1]

Jenseits der sogenannten bekämpften Armut, also derjenigen, die staatliche Leistungen erhalten, kommen noch „7,5 Millionen Menschen hinzu, die unter der Armutsschwelle liegen, aber noch knapp über Grundsicherungsniveau, dass sie keinen Anspruch auf diese Leistung haben und auch nicht wissen, wie sie finanziell das Ende des Monats erreichen sollen.“  [2].

In Bayern haben sich die Zahlen wie folgt entwickelt:

SGB II: Sozialgesetzbuch (SGB) XII.

Innerhalb Bayern ergeben sich deutliche regionale Unterschiede:

Die geringste Quote weist die Region Bayerischer Untermain mit 9,5% auf; am unteren Ende liegen auch die Regionen Ingolstadt mit 10,4% und Südostoberbayern mit 10,7%, während die höchste Quote   Donau-Wald mit 17% aufweist, gefolgt von Oberfranken Ost mit 15,8%.[3]

Die aktuelle Rentenhöhe ist "nicht zu bejubeln", sagt der Präsident des Bundessozialgerichts Schlegel in einem ARD- Interview online vom 14.12.2022. Wer 45 Jahre lang aus einem Durchschnittsentgelt - derzeit 43.142 Euro im Jahr - in die Rentenversicherung eingezahlt habe, bekomme heutzutage im Schnitt gerade mal eine monatliche Rente in Höhe von 1620 Euro brutto ausbezahlt. Im Osten liege der Durchschnittswert bei 1598 Euro brutto.

Die tatsächlichen Renten liegen netto in der Regel weit darunter: So erhielten im Jahr 2021 nur rund 18 Prozent der Männer eine Rente von 1200 bis 1500 Euro und nur noch zehn Prozent eine Rente von 1500 bis 1800 Euro. Das Rentenniveau der Frauen im Westen liegt nochmals weit darunter.

Und Ulrich Schlegel weiter am 15.1.23: „Viele Frauen erhalten zu wenig Rente "Rutschbahn in die Altersarmut" Millionen Frauen werden zu wenig Rente beziehen – obwohl sie 40 Jahre lang gearbeitet haben. Alle sollten einzahlen – auch Beamte und Selbstständige.“

2023 werden die Renten zum 1.7.23 um 4,39 % in den alten und in den neuen Bundesländern um 5,86 % erhöht. Die Bundesregierung selbst geht dabei für 2023 von einer Inflationsrate von rund 6% aus, so dass sich ein Realrentenverlust ergeben wird. Hinzu kommt ein weiteres zusätzliches aktuelles Armutsrisiko: Die Erhöhung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in 2023, die ja bei gesetzlich Versicherten zur Hälfte selbst getragen werden müssen, führt dazu, dass über 1,1 Millionen Menschen mehr allein in 2023 unter die Armutsschwelle geraten werden. Es bleibt noch weniger netto übrig. [4]

"Längerfristig sinkt das Sicherungsniveau vor Steuern über 46,6 % im Jahr 2030 bis auf 44,9% zum Ende des Vorausberechnungszeitraums im Jahr 2036. Bis zum Jahr 2036 steigen die Renten um insgesamt gut 43%. Dies entspricht einer durchschnittlichen Steigerungsrate von 2,6 % pro Jahr.“ [5]

Selbst die Bayerische Staatsregierung konstatiert in ihrem Sozialbericht 2022: „Die Armutsgefährdungsquoten der beiden ältesten betrachteten Altersgruppen von 75 bis unter 80 Jahren bzw. ab 80 Jahren fielen in Bayern mit 17,2% bzw. 21,4% höher aus als in Westdeutschland. Dies beruht darauf, dass noch heute teilweise unterdurchschnittliche Rentenzahlungen infolge der bis in die 1970er Jahre eher ländlich agrarisch geprägten Struktur Bayerns erfolgen. Diese Wirtschaftsstruktur ging mit vergleichsweise geringen Einkommen einher.“ [6]

„Die Anzahl der älteren Menschen steigt wie in ganz Deutschland auch in Bayern weiterhin an. Mit zunehmendem Alter erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch pflegebedürftig wird. Daher ist auch in Bayern die Zahl der Leistungsempfängerinnen und -empfänger in der Pflegeversicherung zwischen 1999 und 2019 um insgesamt 67 % angestiegen.“ [7]

Diese Entwicklungen der Lebenslagen im Alter sind dabei eingebettet in den gesamtgesellschaftlichen Kontext: Die Mittelschichten schrumpfen, die Reichen werden noch reicher und die weniger Begüterten werden noch ärmer.

Der Armutsbericht der Stadt München im Handlungsfeld Armut im Alter führt dazu aus:  „Dabei gibt es keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern, beide haben mit 25 Prozent dieselbe Armutsrisikoquote. Menschen mit Migrationshintergrund sind besonders häufig von Armut im Alter betroffen. Mit einem Anteil von 42,0 Prozent der älteren Münchner*innen mit Migrationshintergrund ist ihr Risiko, arm zu sein, mehr als doppelt so hoch wie für ihre deutschen Altersgenoss*innen ohne Migrationshintergrund mit 18,2 Prozent. Das Armutsrisiko von älteren Menschen mit Behinderungen liegt bei 32,2 Prozent und ist damit ebenfalls höher als im Durchschnitt. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass es sich hierbei um eine sehr heterogene Gruppe handelt, deren Mitglieder sich in ihren Lebenssituationen deutlich unterscheiden.“ [8]  „Insgesamt lebten damit rund 17.000 Menschen in München, die auf Leistungen der Grundsicherung im Alter angewiesen waren. Die Quote der Bezieher*innen von Grundsicherung im Alter an der Gesamtbevölkerung über 65 Jahren lag in München im Jahr 2021 bei 6,4 Prozent und ist damit seit dem letzten Armutsbericht 2017 gestiegen.“ [9]

Armut in der stationären Pflege

Hier das Beispiel einer aktuellen  Abrechnung einer stationären Altenhilfeeinrichtung in Oberbayern:

Die Kosten für einen Aufenthalt für eine einzelne Person, Einzelzimmer, Pflegegrad 3 liegt bei 4.456 € pro Monat. Davon sind abzuziehen die Leistungen der Pflegeversicherung (einmal Pflegegrad III 1.262 € und vom Eigenanteil an pflegebedingten Aufwendungen 25% = 487,51 € ) – somit verbleibt ein Eigenanteil von 2.900,18 €.

Welche/r RentnerIn verfügt über eine Nettorente in dieser Höhe? Selbst diejenigen der Altersklasse der heute 80jährigen und Älteren, die mit 1.900 € eine „gute“ Rente bekommen (und das ist viel) – haben eine Finanzierungslücke von 1.000 € jeden Monat.

Ein möglicherweise vorhandenes Vermögen in Form von Sparkonten, Grundstücken, Immobilien „verwertet“, muss  zumeist veräußert werden, um die Heimkosten zumindest für einen gewissen Zeitraum weiter tragen zu können. Was dann noch für jede/n einzelnen HeimbewohnerIn verbleibt, ist ein monatliches Taschengeld, in Höhe von 135,54 € im Jahr 2023. das offiziell Grundbarbetrag genannt wird Daraus sind die Kosten für Kleidung, Friseur und Fußpflege, einem Besuch im Heimkaffee bis hin zur neuen Zahnbürste und Kosmetik zu stemmen.

Stationäre Pflege in Heimen wird zunehmend zur "Armutsfalle"; zu diesem Ergebnis kommt eine DAK-Studie, die die Auswirkungen massiv gestiegener Kosten in den Fokus nimmt. Trotz erster Reformen in der Pflege (Zuschüsse des Bundes, gestaffelt nach der Aufenthaltsdauer im Pflegeheim (von im ersten Jahr 5 % des pflegebedingten Eigenanteils, im zweiten Jahr 25%, im dritten Jahr 45% und danach 70%) erreichen die Belastungen ein Rekordniveau. Die Belastung der Pflegebedürftigen erreicht trotz der jüngsten Reformschritte bereits in diesem Jahr ein neues Rekordniveau. Bis 2026 sei laut der Studie ein Anstieg der Sozialhilfequote in Heimen auf 36 Prozent zu erwarten. „Die Modellwerte weisen damit nachdrücklich auf weiteren Reformbedarf hin, wenn verhindert werden soll, dass dauerhaft mehr als ein Drittel der pflegebedürftigen Personen in stationärer Versorgung auf Sozialhilfeleistungen angewiesen sein werden.“ [10]

Das Bayerische Landespflegegeld in Höhe von 1.000 € pro Jahr ab Pflegegrad II – ein Tropfen auf den heißen Stein.

Die Zahl der Menschen, die in den nächsten Jahren pflegebedürftig wird, steigt an - immer mehr werden aus den verschiedensten Gründen in die stationären Einrichtungen wechseln. Die Zahl der in der Pflege Beschäftigten – nimmt gleichzeitig aufgrund schlechter Bezahlung und zum Teil schlechter werdender Arbeitsbedingungen ab – die Handlungsnotwendigkeiten liegen also auf dem Tisch - getan wird zu wenig. Und es bleibt auch die Frage offen, wie lange sich dies ältere Menschen noch werden gefallen lassen.

Armut in der ambulanten Pflege

 „Wenn der Pflegedienst kündigt: Grenzen der Selbstbestimmung, weil er es mit dem noch vorhandenen Personal nicht mehr schaffen kann, dann stehen viele bisher zuhause Pflegebedürftige sehr schnell vor der Frage: Muss ich jetzt, obwohl ich eigentlich nicht möchte, in eine stationäre Einrichtung wechseln, so ein Bericht in BR 24 am 3.3.23. Und am gleichen Tag auf dem gleichen Sender „Personalnot in der Pflege: "Wir haben ein massives Problem" – In den letzten drei Jahren waren wir einige Male gezwungen, bestehende Versorgungsverträge zu kündigen", sagt  Pia Dinnebier, Tagespflege Sonthofen. Mangels Personal mussten sie beim ASB in Immenstadt die Anzahl der Pflegetouren von 14 auf acht reduzieren. … Zudem zwingt die Personalnot nicht nur ambulante Pflegedienste dazu, ihr Angebot einzuschränken. Quer durch Bayern gibt es immer häufiger Berichte über Pflegebetten, die nicht belegt werden können, weil Personal fehlt. In der Stadt und im Landkreis Coburg könnten derzeit mehr als 100 Plätze in Pflegeheimen nicht vergeben werden, weil Personal fehle, berichtet der ASB-Pflegeheimleiter Reiner Walz…. Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht schnell änderten, drohe dem Pflegesystem der Zusammenbruch, warnt der Arbeiter-Samariter-Bund in Bayern.“

Das Gezerre um den Entlastungsbetrag in Höhe von 125 € monatlich im Bereich der ambulanten Pflege, ja das dies auch der Nachbar/die Nachbarin sein kann und man dazu nicht erst selbst einen z.B. vierwöchigen Pflegegrundkurs erfolgreich absolvieren muss, ist ein weiteres aktuelles Beispiel, wie sich Sozialpolitik verheddert, Zuständigkeiten werden hin- und hergeschoben, Anträge erstmal abgelehnt.

Pflegegeldbeziehende

„Pflegebedürftige, denen eigene finanzielle Mittel für den Pflegeaufwand fehlen, haben in Deutschland Anspruch auf Hilfe zur Pflege nach §§ 61ff. Sozialgesetzbuch (SGB) XII. In Bayern erhielten zum Jahresende 2019 insgesamt 37.289 Personen bzw. 8,0% aller Empfängerinnen und Empfänger von Leistungen der Pflegeversicherung Hilfe zur Pflege (Deutschland: 301.547 bzw. 7,3%). Von den bayerischen Empfängerinnen und Empfängern wurden 32.197 stationär und 5.117 außerhalb von Einrichtungen gepflegt (Deutschland: 250.007 bzw. 52.351) [11]

 „ …  Die Anzahl der Empfängerinnen und Empfänger von Leistungen der Pflegeversicherung in Bayern lag am Jahresende 2021 bei 578 147. Rund 81,4 Prozent der Pflegebedürftigen waren 65 Jahre alt oder älter. Wie das Bayerische Landesamt für Statistik weiter mitteilt, erhielt über die Hälfte der Leistungsempfängerinnen und -empfänger ausschließlich Pflegegeld bzw. landesrechtliche Leistungen zur Unterstützung im Alltag (344 431). Darüber hinaus wurden 123 401 Menschen durch ambulante Dienste versorgt und 109 988 vollstationär in Pflegeheimen.“ [12]

„Zwischen 2015 und 2019 hat sich die Anzahl der Empfängerinnen und Empfänger der einzelnen Leistungsarten nach SGB XII (nachweislich in Bayern) unterschiedlich entwickelt. Die Anzahl der Leistungsberechtigten von Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe zur Pflege und Hilfen zur Gesundheit ist im Berichtszeitraum gesunken. Gestiegen ist die Anzahl der Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und von Hilfen in anderen Lebenslagen.“ [13]

 
Die Tendenz sind fast überall ansteigende Werte, hier wäre eine weiter in die Tiefe gehende Evaluation sinnvoll, um Detailaussagen der doch recht unterschiedlich in der Statistik zusammengefassten Lebensbereiche zu erhalten.

„Einkommensverhältnisse und Hilfe zur Pflege“

Die Betrachtung des Nettoäquivalenzeinkommens … erlaubt einen Vergleich des Einkommensniveaus auf Personenebene über verschiedene Haushaltskonstellationen. Daten des Mikrozensus zeigen, dass der Median des monatlichen Nettoäquivalenzeinkommens von Personen in Privathaushalten in Bayern 2019 bei 1.925 € lag. Dieses mittlere Nettoäquivalenzeinkommen fiel für Pflegebedürftige (1.594 €) gleichsam wie für ältere Menschen ab 65 Jahren (1.597 €) jeweils etwas geringer aus als im bayernweiten Durchschnitt … . Die Armutsgefährdungsquote – der Anteil der Menschen mit einem Äquivalenzeinkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze von 60% des Bundesmedians und damit vielmehr eine Niedrigeinkommensquote – lag für Pflegebedürftige in Privathaushalten mit 15,1% über dem bayernweiten Durchschnitt von 11,9% aller Personen, aber unterhalb der Armutsgefährdungsquote für Ältere (17,5%). Dieser Effekt blieb auch bei Betrachtung des Alters der Pflegebedürftigen bestehen. Die Armutsgefährdungsquote von Pflegebedürftigen ab 65 Jahren in bayerischen Privathaushalten lag 2019 bei 14,9%. Neben der Höhe der Haushaltseinkommen kann für die überdurchschnittliche Armutsgefährdung Pflegebedürftiger wie älterer Menschen auch eine im Mittel kleinere Haushaltsform eine Rolle spielen, deren Armutsgefährdung durch die Äquivalenzgewichtung beeinflusst und ggf. überzeichnet sein könnte  .“ [14]

Rente im Alter

Die erzielbare Höchstrente 2023 liegt bei 3.141,82 Euro brutto oder 2.791,51 Euro netto in den alten Bundesländern. Diese Rentenhöhe erreicht man dann, wenn man von 1977 bis 2022 in jedem seiner 45 Arbeitsjahre ein Gehalt in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze verdient hätte – so viel erreichen nur ganz Wenige. Von den rund 21,2 Millionen Altersrentnern erhalten 17 Millionen eine Rente von unter 1.000 Euro im Monat und fast jeder Zweite weniger als 803 Euro.

Besonders niedrig sind die Renten von Frauen. Unbezahlte „Reproduktionsarbeit“ wird fast ausschließlich von Frauen geleistet, dazu zählen zusätzlich zur Haushaltsführung vor allem die Erziehung von Kindern und die Pflege im Älter. Frauen werden damit zweimal „bestraft“, einmal durch meistens geringere Löhne und Gehälter und zu einem weiteren, dass sie vielfältige Arbeiten tun, die sich in der eigenen Alterssicherung nicht widerspiegeln.

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) operiert mit der Standardrente eines "Eckrentners", der 45 Jahre Beiträge ein Durchschnittsentgelt eingezahlt hat. Immer weniger Menschen bringen zum einen die 45 Beitragsjahre zusammen und zum anderen nicht in Höhe der Durchschnittsentgelte.

In den von der Deutschen Rentenversicherung verschickten Renteninformationen stehen die zu erwartenden Bruttorenten. Selbst wenn man die zum Teil erheblichen Leistungskürzungen von bis zu 14,4% bei früherem Rentenbeginn unberücksichtigt läßt, müssen von der jeweils verbleibenden Bruttorente noch der anteilige Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag zuzüglich möglicher Zusatzbeiträge abgezogen werden, damit sich der monatliche tatsächliche Renteneingang auf dem Konto realistisch abschätzen läßt. Die Zusatzbeiträge der Krankenkassen steigen kontinuierlich an, die Inflation bleibt auf hohem Niveau – damiit bleibt von der Rentenerhöhung zum 1.7.23 in Höhe von 4,39 in den alten, und 5,86% in den neuen Bundesländern nichts übrig – im Gegenteil, es kommt zu einem Rentenminus.

Eine weitere „Baustelle“ sind die fast zwei Millionen Solo-Selbständigen; oft reichen bei ihnen die monatlichen Einnahmen nicht, um eine eigene Altersvorsorge aufzubauen.

Für Bayern hat sich der DGB – 2023 bereits zum sechsten Mal – der Aufgabe gewidmet, einen Rentenreport zu veröffentlichen - „die Rente ist der Spiegel des Erwerbslebens“, so die stellvertretende Vorsitzende des DGB Bayern Dr. Verena Di Pasquale. [15]

Der Report benennt zunächst wichtige Faktoren, die zu geringen Renten führen:

a) Die Erwerbsminderung stellt eines der zentralen Armutsrisiken in Deutschland dar[16]; inzwischen ist dabei „Psychische Gesundheit“. die häufigste Diagnose;

b) des Weiteren gelang es einem erheblichen Teil der Beschäftigten nicht, „über eigene Beiträge substanzielle Ansprüche gegenüber dem Rentenversicherungssystem aufzubauen.“ [17];

c) der Anteil der in Nichtnormalarbeit Beschäftigten stieg auf 38% in 2020, wobei das vor allem Frauen betrifft. [18].

 

Rentenzahlbeträge in Bayern, 2021

Eine Übersicht über die Rentenzahlbeträge liefert eine Grafik des Rentenreports des DGB, 2023, S. 13:

 

In Bayern bezogen Mitte 2022 insgesamt 137.000 Menschen Grundsicherungsleistungen, Tendenz: steigend s.S. 14, wobei von einer hohen Dunkelziffer derjenigen ausgegangen werden muss, die mögliche Leistungen nicht beantragen. Und für die Zukunft wird erwartet, „dass von mehr als 3,7 Millionen Menschen, das entspricht rund 43%, selbst nach 40 Arbeitsjahren eine Rente unterhalb von 1200 € und damit auch unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle erwartet.“ [19] „Mit 26% war mehr als jeder Vierte  der über 65jährigen Frauen in Bayern im Jahr 2021 von Armut bedroht. … Die Armutsgefährdungsquote in Bayern war 201 um etwa ein Drittel höher als die der gleichaltrigen Männer.“ [20]

Die regionalen Unterschiede in Bayern:

Quelle: Rentenreport 2023, S. 20f.

Eine nach Stadt und Landkreise in Bayern unterscheidende Aufstellung nach Frauen und Männern macht zusätzlich große regionale Unterschiede deutlich.

Altersrenten Männer

In der Stadt Landshut und im Landkreis Berchtesgadener Land lag die Neurentenhöhe 1021 unter 1000 €. Zwischen 1000 und 1200 € lagen viele Landkreise im Süden Bayerns, aber auch in sehr vielen Städten Augsburg, München, Regensburg, Ansbach, Passau, Straubing,Amberg, Weiden, Nürnberg, Fürth, Bamberg, Würzburg, Schweinfurt, Corburg, Hof, Bayreuth, Weiden und Amberg, Memmingen. Über 1400 € Rente gab es nur in den Landkreisen Aschaffenburg, Erlangen-Höchstadt, Nürnberger Land und der Stadt Erlangen, im Landkreis Dingolfing-Landau und in den Landkreisen und um Ingolstadt herum Eichstätt, Kelheim, Pfaffenhofen und Neubirg-Schrobenhausen

Quelle: Rentenreport 2023, S. 22

Altersrenten Frauen

Unter 700 € lagen in Neurentenhöhe 2021 in den Landkreisen Freyung-Grafenau, Cham;  über 900 € in den Landkreisen Altötting, München, Fürstenfeldbruck, Dachau und der Stadt München, in Stadt und Landkreis Coburg und in den Städten Erlangen, Fürth und den Landkreisen Nürnberger Land und Fürth.

Quelle: Rentenreport 2023, S. 23

Auch wenn jeweils Familienzusammenhänge und weitere andere Einkünfte dabei nicht berücksichtigt sind , relativiert sich schnell das angebliche Bild des abgesicherten materiellen Alters ohne Sorgen – selbst wenn die eigene Pflegebedürftigkeit noch weit weg sein sollte.
Die durchschnittlichen Rentenzahlungen spiegeln zum Teil die wirtschaftliche Stärke der jeweiligen Region wider, insbesondere bei den Männern. Bei den Frauen ist sowohl die Rentenhöhe als auch die regionale Disparität noch viel dramatischer.

Zwischenfazit

Es lassen sich verschiedene, teilweise gegenseitig beeinflussende Altersarmutsszenarien angeben:

  • zu niedrige Rentenzahlungen führen zur vorprogrammierten materiellen Altersarmut
  • durch Pflege ausgelöste Altersarmut einer wachsenden Anzahl von Betroffenen.

Mit den bestehenden Alterssicherungssystemen und deren  Entwicklungen in den nächsten Jahren, also mit den  gesetzlichen Rentenhöhen wie auch  mit dem  gesamten Bereich der Pflege im Alter ist es recht schlecht bestellt.
Statt eines notwendigen komlexen Umbaus auf der Basis einer Bürgerversicherung für Alle anzugehen, was  auch die  im Alter existenz- und teilhabesichernden Rente und die Ausstattung aller umfassenden und finanziell ohne Eigenbeteiligungen ausgestatteten Pflegeversicherungsleistungen einzubeziehen hätte,  wird  jeweils an einzelnen Symptomen  laboriert,  ein Heftpflaster hier und eines da. Das ist zu wenig!

Armut im Alter – Armut in Bayern Teil I

 

Quellen

[1] Ulrich Schneider: Armut größer als angenommen in: Soziale Sicherheit 4/2023, Seite 151

[2] Ulrich Schneider, ebd.

[3] https://www.der-paritaetische.de/themen/sozial-und-europapolitik/armut-und-grundsicherung/armutsbericht-2022-aktualisiert/

[4] https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/sozialversicherung-steigende-kassenbeitraege-vdk-und-linke-warnen-vor-armutsgefahr-fuer-rentner-id65813901.html

[5] Deutscher Bundestag Drucksache 20/4825; 20. Wahlperiode 01.12.2022.  Rentenversicherungsbericht 2022, Seite 9.

[6] Quelle: Bayerischen Sozialbericht 2022, S. 516.

[7] Quelle: Bayerischer Sozialbericht 2022, S. 51

[8] Münchener Armutsbericht 2022, S. 189.

[9] ebd., S. 190

[10] DAK-Studie „Hilfe zur Pflege in Pflegeheimen –Zukünftige Entwicklung unter Berücksichtigung der aktuellen Reformmaßnahmen“, Seite 28.

[11] LfStat, StBA – Genesis Online, Statistik der Empfänger von Leistungen nach dem 5. bis 9. Kapitel. Quelle: Bayerischer Sozialbericht 2022, S. 558.

[12] Quelle: Bayer. Landesamt für Statistik, PM 317/2022/54/K, 28. Oktober 2022.

[13] Bayerischer Sozialbericht 2022, S. 130.

[14] Bayer. Sozialbericht 2022, Seite 557

[15] Rentenreport 2023, S. 5

[16] ebd, S. 6

[17] ebd. S. 9

[18] ebd. S. 10

[19] Rentenreport, a.a.O, S. 16

[20] ebd. S. 17