Mehr als 600 chinesische Unternehmen, stehen auf der schwarzen Liste der USA, der sogenannten Entity List, die den Zugang zu US-Technologien, -Ausrüstung und -Dienstleistungen ohne Zustimmung Washingtons einschränkt. Die staatlich herbeigeführten Einschränkungen des Handels mit Halbleiterprodukten, die weltweit für die industrielle Fertigung von Automobilfahrzeugen für Klimaanlagen, Reifendruckkontrolle, Airbag-Sensorik, Künstliche Intelligenz, IT sowie Mobilfunkgeräten und iPads nicht wegzudenken sind, sollen die wirtschaftliche Gleichstellung der VR China eindämmen.

Der vom US-amerikanischen Präsidenten Joe Biden im Jahr 2022 unterzeichnete Chips and Science Act stellt 53 Milliarden US-Dollar für die Finanzierung der heimischen Chip-Produktion und -Forschung bereit.[1] Dabei handelt es sich um eine wirtschaftskriegerische Maßnahme, die sich gegen das chinesische Konkurrenzpotential auf dem Gebiet der Halbleiterproduktion richtet und den technologischen Fortschritt Chinas ausbremsen soll.

Die amerikanischen Zulieferer setzten im Zuge dieser speziellen Sanktion die Geschäfte mit in China tätigen Firmen aus (die autonome Wirtschaftsregion Taiwan ausgenommen), nachdem das US-Handelsministerium aktualisierte Richtlinien veröffentlicht hatte, die darauf abzielen, die Lieferung von fortschrittlichen Chips und Halbleiterfertigungstechnologien zu stoppen, die für Chinas Schlüsselindustrien von Nutzen sein könnten.

Im Oktober 2022 hat das dem US-Handelsministerium unterstellte Büro für Industrie und Sicherheit den Geltungsbereich seiner Exportkontrollvorschriften erweitert. Die Hauptzielsetzung der Einrichtung ist darauf gerichtet, den Zugang chinesischer Chiphersteller zu Werkzeugen, Software und US-Fachkräften weiter einzuschränken und so Chinas gegenwärtige Chipfertigungskapazitäten zu begrenzen. Dazu gehören Beschränkungen für Logikchips auf technisch anspruchsvollem Niveau (16-Nanometer-Ebene oder höher) sowie für 3D-NAND-Speicher mit 128 Schichten oder mehr.

Zweifelsfrei stören diese Handelsbeschränkungen die bestehenden globalen Chip-Lieferketten und beeinflussen offenbar den Fortschritt der chinesischen Chipherstellung. So gibt es beispielsweise keine praktikablen inländischen Alternativen für die von der US-Firma KLA gelieferten Messgeräte oder die fortschrittlichen Lithografiesysteme von ASML, Niederlande. In die Exportbegrenzungen sind auch japanische Halbleiterfertigungen von Canon und Nikon Produkte einbezogen werden. Bereits im Januar d. J. haben sich Berichten zufolge die USA, Japan und die Niederlande darauf geeinigt, die Ausfuhr bestimmter fortschrittlicher Chip-Herstellungsanlagen nach China einzuschränken. [2]

Die Niederlande haben im März zugesagt, sich den Bemühungen der USA anzuschließen, die Exporte von hochentwickelten Chips und Geräten nach China einzuschränken. Auch Japan kündigte im März an, dass es von mehreren japanischen Unternehmen, darunter dem führenden Hersteller von Halbleiterfertigungsanlagen Tokyo Electron, verlangen werde, Lizenzen für die Lieferung von 23 Arten von hochmodernen Chipfertigungsanlagen nach China zu beantragen. Nach meinem Dafürhalten ein Ausdruck von erzwungenem Protektionismus.

Anfang Mai d.J. erklärte die China Semiconductor Industry Association (CSIA), ein staatlich unterstützter chinesischer Halbleiterhandelsverband, dass Japans jüngster Schritt zur Ausweitung der Exportbeschränkungen für fortschrittliche Chipherstellungstechnologie "noch größere Unsicherheiten" für die globale Chipindustrie mit sich bringe und dass sie die chinesische Regierung auffordern werde, "entschlossene Gegenmaßnahmen" als Antwort zu ergreifen. Im Rahmen seiner Mitgliedschaft in der WTO setzt sich China zum Schutze seiner heimischen Industrie gegen die von den USA praktizierten Exportkontrollmaßnahmen für Halbleiter zur Wehr, da diese Maßnahmen nicht mit den Verpflichtungen der USA aus mehreren WTO-Abkommen vereinbar seien. [3] Die zunehmenden Proteste seitens China auch auf dem Gebiet der Technologie unterstreichen die wachsende Kluft zwischen China und den USA im Bereich der Halbleiter-Lieferketten. China fordert die WTO dazu auf, ihre „Überwachung“ von US-Maßnahmen, die gegen WTO-Regeln verstoßen, zu verstärken.

China forciert die Entwicklung von Chips in Eigenregie

Als Gegenmaßnahme der sich abzeichnenden Eskalation und einseitigen Einflussnahme auf den internationalen Chip-markt strebt China mit großem Nachdruck eine Selbstversorgung mit Halbleitern an. Seine 190 Chip-Firmen werden ihrerseits mittlerweile mit staatlichen Subventionen, Darlehen oder Direktinvestitionen für die Fortsetzung fortschrittlicher, zukunftsweisender Chipherstellung unterstützt. [4]

Mit dem steigenden Grad der Digitalisierung und Vernetzung gerade von Automobilen steigt die Nachfrage nach Halbleitern kontinuierlich an, unabhängig von der jeweiligen Antriebsart. Der weltweite Umsatz mit Halbleiterprodukten für den Automobilbereich von 29 Milliarden US-Dollar im Jahr 2014 auf rund 50 Milliarden US-Dollar 2021 gestiegen. Nach dem deutlichen Corona-Einbruch von etwa acht Milliarden US-Dollar im Jahr 2020, springen die Umsätze 2021 somit wieder in die Höhe. Es scheint vor allem an der weltweiten Chip-Knappheit zu liegen, gepaart mit einer starken Nachfrage, die sich durch viele verschiedene Branchen zieht.

Umsatzentwicklung der weltweiten Halbleiterindustrie 2015 – 2022

Quelle: https://de.statista.com/infografik/23469/geschaetzter-umsatz-mit-computerchips-weltweit

Die gesamten Umsätze der Halbleiterindustrie liegen laut WSTS bei rund 502 Mrd. US-Dollar im Jahr 2022. [5] Neben Auto-Herstellern fragen auch Smartphone-Herstellern immer mehr Speicher-Chips nach. Der Anteil von Halbleitern und passiven Bauelementen ist in den letzten Jahren stark angestiegen. So sind beispielsweise in einem voll ausgestatteten Premiumauto bis zu 10.000 Halbleiter und ein Vielfaches davon an passiven Bauelementen verbaut. Die Sinnhaftigkeit der Überproduktion von Automobilen für den Individualverkehr ist hier nicht Gegenstand der Debatte.

Für die sich abzeichnende Fertigungsoffensive chinesischer Automobilherstellern von Elektrofahrzeugen ist anzumerken, dass der niederländische Hersteller von Lithografiesystemen ASML nach eigenen Schätzungen davon ausgeht, dass der chinesische Bedarf an ASML-Produkten außergewöhnlich ansteigen werde, dass dafür bis zu sieben vollwertige Logik-Halbleiterfabriken benötigt würden.

Die Niederlande beweisen sich aber trotz ihrer eigenen wirtschaftlichen Win-Win-Chancen als vasallentreue transatlantische US-Alliierte und ordnen ihre volkswirtschaftlichen Interessen, neben anderem, dem wirtschaftlichen Sanktionspfad der USA gegenüber China zu. Die Einsicht oder Nichteinsicht der USA, ihre seit vielen Jahrzehnten bestandene wirtschaftliche und technologische Führungsposition in der Welt zunehmend einzubüßen, führt in Fortsetzung des unter Donald Trump eingesetzten offenen Feldzuges zu einer regelrechten Phobie gegenüber China. [6]

Die wirtschaftliche Vormachtstellung der USA

Im Grunde genommen geht es um eine Umsetzung der geopolitischen und geostrategischen Strategie der USA, die „unter dieser Fanfare die Welt in zwei Blöcke aufteilen wollen, die sich antagonistisch gegenüberstehen“. [7] Die USA wollen den von ihnen geführten „Demokratien“-Block in diesem Jahrzehnt zum endgültigen Sieg über den von China und Russland angeführten Block der Autokratien.

So lautet die offizielle Strategie der USA vom Oktober 2022: …unsere Welt ist an einem Wendepunkt…meine Präsidentschaft (Joe Biden, Anm.) will dieses entscheidende Jahrzehnt ergreifen, um Amerikas vitale Interessen voranzubringen, die Vereinigten Staaten so zu positionieren, dass unsere geopolitischen Wettbewerber ausmanövriert werden … Rund um die Welt ist das Bedürfnis nach amerikanischer Führerschaft so groß, wie es je gewesen ist. Wir sind inmitten eines strategischen Wettbewerbs um die Zukunft der internationalen Ordnung … Die Volksrepublik China hat die Absicht und in wachsendem Maß die Fähigkeit, die internationale Ordnung zu einer umzuformen, die zu ihren Gunsten verzerrt wird, selbst wenn die Vereinigten Staaten dabeibleiben, den Wettbewerb zwischen unseren Ländern verantwortungsvoll zu gestalten …Also werden die USA fortfahren, die Demokratie überall auf der Welt zu verteidigen … Wir werden mit jeder Nation zusammenarbeiten, die unsere Grundüberzeugung teilt, dass die wertebasierte Ordnung die Grundlage für globalen Frieden und Wohlstand bleibt … Wir kommen aus jeder Krise stärker hervor. Nichts liegt außerhalb unserer Möglichkeiten…“ [8]

Neue amerikanisch klingende EU-Sanktionen gegen China

Angeführt von ihrer Präsidentin Ursula von der Leyen plant die EU-Kommission Sanktionsmaßnahmen gegen 7 chinesische Unternehmen, die der Waffenlieferungen bzw. militärische Komponenten für russische Rüstungskonzerne beschuldigt werden. (Financial Times)

Die die EU beschuldigt den Semiconductors-Produzenten 3HC, US-Produkte zu beschaffen und sie an russische Unternehmen weiterzuverkaufen, die aber Ausfuhrbeschränkungen unterliegen. Berichten aus Berlin zufolge gibt es Überlegungen der Bundesrepublik, den Export von Chemikalien für die Halbleiterproduktion in China zu untersagen. Einem Berlin-Bericht zufolge wurde kürzlich von Überlegungen berichtet, den Export von Chemikalien aus Deutschland, die für die Halbleiterproduktion unverzichtbar sind, nach China zu verbieten. Es gehe dabei um Grundstoffe, die vor allem BASF und Merck in die Volksrepublik exportieren; BASF sei bei den Chemikalien Marktführer in Europa sowie in Asien, während sich die Merck-Produkte „in beinahe jedem Chip weltweit“ befänden, hieß es vergangene Woche in Berichten. [9]

Offenbar schmiedet die EU unter Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland an einem umfassenderen Maßnahmenpakets, das der chinesischen Wirtschaft Schaden zufügen soll. Vorgesehen sind Beschränkungen bei Investitionen europäischer Unternehmen, um technisches Know how nicht an chinesische Anwender preiszugeben. [10]

Die geplante Einführung des US-amerikanischen „Outbound Investment Screening“ für Investitionen in China könnte  sozusagen als eine simultane Einführung von De-facto-Kapitalverkehrskontrollen interpretiert werden, welche die Unterstützung Europas erfordern; ein erneutes Beispiel amerikanischer Wirtschaftspolitik, die Bereitschaft von Europa auszuloten, in welchem Masse sie sich den ökonomischen Interessen der USA unterordnen lassen und ein weiteres Mal  die  transatlantischen Beziehungen auf einen harten Prüfstand stellen.

Es geht um eine "sanfte Abkopplung", um die Verlagerung von zunehmend „systemrelevanten“ Lieferketten bei Halbleitern, in der Luft- und Raumfahrt, bei KI, IT, Robotik und anderen kritischen Technologiesektoren in Länder wie China zu verhindern. Damit würde in der Konsequenz die Investitionsfreiheit von Unternehmen in aufstrebenden und zukunftsorientierten Technologiebranchen eingeschränkt [11] – staatsmonopolistischer Protektionismus eben.

Die wirtschaftspolitische Reaktion von China

Die chinesische Staatsregierung kündigt im Falle der geplanten Sanktionen ihrerseits entschlossene Gegenmaßnahmen ergreifen. [12] Bereits vor zwei Jahren griff China zu empfindlichen Gegenmaßnahmen. Seitdem hat die EU-Kommission Strafmaßnahmen gegenüber vermieden. Nach Berichten von german-foreign-policy.com hat China vor Kurzem Schritte eingeleitet, die zu zweierlei Gegenmaßnahmen führen können. Zum einen hat es Untersuchungen eingeleitet, die auf Sanktionen gegen den US-Chiphersteller Micron hinauslaufen. Zum anderen erwäge China ein Embargo auf solche Technologien zu verhängen, die zur Weiterverarbeitung von Seltenen Erden nötig seien.[13] Experten äußern dazu, ein solches Verbot allein werde im Westen keinen großen Schaden anrichten, da die entsprechenden Technologien auch dort verbreitet seien. Anders sehe es aus, wenn die Volksrepublik, um den Sanktionskrieg des Westens abzuwehren, zu einem vollen Embargo auf Seltene Erden selbst greife: Dann hätte der Westen „ein Problem“. [14]

 

Quellen:

[1] https://www.whitehouse.gov/briefing-room/statements-releases/2022/08/09/fact-sheet-chips-and-science-act-will-lower-costs-create-jobs-strengthen-supply-chains-and-counter-china

[2] https://www.scmp.com/tech/tech-war/article/3219279/tech-war-china-slams-us-chips-act-subsidies-wto-beijings-latest-protest-against-washingtons

[3] https://www.golem.de/news/handelskrieg-um-chips-was-china-gegen-die-us-handelsblockade-tut-2212-170611.html

[4] https://www.scmp.com/tech/tech-war/article/3219279/tech-war-china-slams-us-chips-act-subsidies-wto-beijings-latest-protest-against-washingtons

[5] https://www.wsts.org/65/WSTS
WSTS Inc. ist eine gemeinnützige Gesellschaft auf Gegenseitigkeit, deren Satzung und Statuten Dienstleistungen für die weltweite Halbleiterindustrie festlegen, einschließlich der Verwaltung der Erfassung und Veröffentlichung von Handelsnetzlieferungen und Prognosen für die Halbleiterindustrie.

[6] Wolfgang Müller: China: neuer Hauptfeind des Westens? Nach 100 Jahren der Erniedrigung will das Land der Welt auf Augenhöhe begegnen. Hamburg 2023, S. 14 ff.

[7] https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5086-demokratien-gegen-autokratien

[8] Ebd.

[9] Pläne Berlins bedrohen die China-Geschäfte von Merck und BASF. manager-magazin.de  27.04.2023

[10] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9210

[11] https://www.agora-strategy.com/de/post/outbound-investment-screening-a-tool-of-us-china-rivalry-or-a-burden-for-transatlantic-relations

[12] handelsblatt.com 08.05.2023.

[13] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9233

[14] Ebd.