Die Bedeutung von China als Absatzmarkt deutscher Exporteure  ist rückläufig,  es nimmt deutschen Firmen Anteile an ihrem zentralen Absatzmarkt, der EU, und setzt die Bundesrepublik in zunehmendem Maß unter Konkurrenzdruck.
Dies zeigen zwei aktuelle Studien aus führenden Denkfabriken der deutschen Wirtschaft. Demnach sinkt der deutsche Export in die Volksrepublik preisbereinigt seit 2018, weil chinesische Firmen Produkte, die China lange Zeit aus Deutschland bezog, immer häufiger selbst herstellen können.
Auch konnten chinesische Unternehmen ihre Exporte in die EU in den vergangenen Jahren erheblich steigern. Dabei gelang es ihnen, deutschen Unternehmen Marktanteile abzunehmen. Dies wiegt schwer, da die EU traditionell als bedeutendster Absatzmarkt der deutschen Industrie gilt. Während das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) urteilt, deutsche Exporteure müssten sich in Zukunft mehr nach Südostasien oder Indien orientieren, um Absatzrückgänge in China auszugleichen, heißt es beim Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft, wegen wirtschaftlicher Probleme in Deutschland und schnell zunehmendem „Konkurrenzdruck“ aus China seien „Wohlstandsverluste“ nicht auszuschließen.

Das Ende des Exportbooms

Die Phase des rasanten Wachstums der deutschen Exporte nach China ist gebrochen. Das ist das zentrale Ergebnis einer aktuellen Untersuchung des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel).[1] Wie das IfW konstatiert, sind die Ausfuhren deutscher Unternehmen in die Volksrepublik zwar kontinuierlich von 12 Milliarden Euro im Jahr 2002 auf 107 Milliarden Euro 2022 gestiegen. Auch gewannen sie im Vergleich zu Ausfuhren in andere Länder stark an Bedeutung; lag ihr Anteil am deutschen Gesamtexport im Jahr 2002 noch bei 1,9 Prozent, so erreichte er 2022 bereits 6,8 Prozent. Der kontinuierliche Anstieg verdeckt allerdings, dass sich im Jahr 2018 eine Wende vollzogen hat. Dies zeigt ein Blick auf den preisbereinigten Wert der Exporte, bei dem Inflationseffekte herausgerechnet werden. Dieser stieg dem IfW Kiel zufolge in den Jahren von 2002 bis 2018 um das Vierfache, ging aber von 2018 bis 2022 um 7,5 Prozent zurück. Das reale Schrumpfen der deutschen Exporte in die Volksrepublik spiegelt sich inzwischen auch in ihrem sinkenden Anteil am deutschen Gesamtexport wider. Erreichte ihr Anteil im Jahr 2020 gut 7,9 Prozent, so lag er im ersten Halbjahr 2023 nur noch bei 6,2 Prozent. Die Ausfuhr nach China verliert im Vergleich zur Ausfuhr in andere Länder wieder an Bedeutung.

Folgen des Wirtschaftskriegs

Das IfW Kiel identifiziert für diese Entwicklung zwei Gründe. Zum einen, so heißt es in der Analyse, hat der technologisch-industrielle Fortschritt in der Volksrepublik dazu geführt, dass diese mittlerweile Güter selbst herstellen kann, die sie zuvor noch einführen musste – so etwa Maschinen und Anlagen, die sie lange Jahre zu einem guten Teil in der Bundesrepublik erwarb.[2] Gestiegen ist zwar Chinas Import arbeitsintensiver Vorprodukte; diese allerdings werden kaum in Deutschland, sondern vor allem in südostasiatischen Schwellenländern, etwa in Vietnam und in Malaysia, gekauft. Resultat ist, dass die Einfuhren aus Deutschland sinken, was die Berechnungen des IfW Kiel ja bestätigen. Es kommt hinzu, dass auch deutsche Unternehmen begonnen haben, Produkte, die sie an ihren Standorten in China benötigen, nicht mehr aus der Bundesrepublik einzuführen, sondern sie stattdessen in der Volksrepublik herzustellen. Eine der Ursachen ist, dass dies kostengünstiger ist; eine andere, wohl entscheidende ist der US-Wirtschaftskrieg gegen China, der perspektivisch alle Lieferungen in das Land zum Risiko macht und es aus Sicht auch deutscher Firmen ratsam erscheinen lässt, auf lange Sicht die gesamte Produktionskette in der Volksrepublik zu konzentrieren.[3]

Wachstumstreiber der Zukunft

Der Rückgang der China-Exporte hat im deutschen Fall relativ spät eingesetzt; die Ausfuhren aus den Vereinigten Staaten in die Volksrepublik etwa gehen schon seit 2015 zurück. Dass es zu einem erneuten deutlichen Anstieg der deutschen China-Exporte kommen könnte, hält das IfW Kiel dennoch für unwahrscheinlich.

„Der China-Export verliert damit an Bedeutung als Wachstumstreiber für die deutsche Wirtschaft“, urteilt Vincent Stamer, Autor der IfW-Studie; „zukünftige Wachstumsmärkte für deutsche Exportfirmen“ lägen „eher in Südostasien und Indien“.[4]

Der bedeutendste Absatzmarkt

Während die Bedeutung des deutschen China-Exports sinkt, nimmt parallel die Konkurrenz zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen um Lieferungen in die EU zu. Das wiegt schwer, denn die EU ist traditionell der mit erheblichem Abstand bedeutendste Absatzmarkt der deutschen Industrie – freilich mit sinkender Tendenz. Gingen 1991 rund 66,2 Prozent aller deutschen Ausfuhren in EU-Mitgliedstaaten und im Jahr 2003 immer noch 65,2 Prozent, so sank der Anteil im Jahr 2011 mit 59,4 Prozent erstmals unter die 60-Prozent-Schwelle und ging bis 2019 auf 58,5 Prozent zurück. 2022 lag er wegen des Austritts Großbritanniens nur noch bei 54,6 Prozent.

China holt auf

Der langsame Bedeutungsverlust der EU als Absatzmarkt für deutsche Firmen geht mit einer gesteigerten Exporttätigkeit chinesischer Unternehmen einher. Dies zeigt eine aktuelle Studie des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) anhand von Angaben, die den Anteil Deutschlands respektive Chinas am Gesamtimport der EU-27 (ohne Großbritannien) messen. Demnach erreichte die Bundesrepublik ihren Spitzenwert im Jahr 2005; damals stellte sie 15,3 Prozent aller EU-Importe.[5] Noch erheblich größer war ihr Anteil bei anspruchsvollen Industriewaren: In dieser wichtigen Produktgruppe kamen sogar 19,1 Prozent sämtlicher EU-Importe von deutschen Herstellern. Im Jahr 2022 lagen die deutschen Anteile bereits deutlich niedriger – bei 12,5 Prozent (EU-Importe allgemein) respektive 15,5 Prozent (Importe von anspruchsvollen Industriewaren). China wiederum hatte seinen Anteil an den EU-Einfuhren allgemein von 2,6 Prozent im Jahr 2000 auf 8,8 Prozent im Jahr 2022 steigern können, während sein Anteil an den EU-Einfuhren von anspruchsvollen Industriewaren sogar von 2,5 Prozent (2000) auf 13,0 Prozent (2022) in die Höhe geschnellt war. Dabei hat China seine Exportzuwächse nicht zuletzt in Branchen erzielt, die zu Paradebranchen der deutschen Industrie gehören – etwa im Maschinenbau und in der Kfz-Industrie.

Deutschlands Exportmodell wankt

Wie das IW festhält, steigt damit der „Konkurrenzdruck durch China“ auf dem wichtigsten Absatzmarkt der deutschen Industrie.[6] In der Elektroindustrie, heißt es in der Analyse, habe die Volksrepublik die Bundesrepublik als Lieferant der EU bereits „überholt“. Im Fall der deutschen Chemieindustrie sei unklar, wie sie „ihre gesamtwirtschaftlich relevanten Exporterfolge bei so hohen Energiekosten verteidigen“ solle, „zumal China auch hier Boden wettgemacht hat“. Sogar in der Kfz-Branche drohe Deutschland ins Hintertreffen zu geraten: China sei „bei Elektrofahrzeugen gerade dabei, die europäischen Märkte zu erobern“. In der Tat zeigen Branchenstatistiken, dass chinesische Hersteller in der Elektromobilität energisch auf dem Vormarsch sind, während deutsche Produzenten tendenziell zurückfallen.[7] Das IW schlägt mit Blick auf die neuen Erfolge der chinesischen Konkurrenz Alarm: „Das deutsche industrielle Exportmodell scheint ins Wanken zu geraten.“[8] Möglicherweise stehe man inzwischen vor der „Gefahr von Wohlstandsverlusten für Deutschland insgesamt“.

 

[1], [2] Vincent Stamer: Deutsche Exporte ausgebremst: China ersetzt „Made in Germany“. Kiel Institut für Weltwirtschaft, August 2023.

[3] S. dazu Einstieg in den Abstieg und Die Dialektik des Chinageschäfts.

[4] Deutsche Exporte ausgebremst: China ersetzt „Made in Germany“. ifw-kiel.de 28.08.2023.

[5], [6] Jürgen Matthes: Entwicklung des Konkurrenzdrucks durch China auf dem EU-Markt. Köln, 15.08.2023.

[7] S. dazu Deindustrialisierung in der Autobranche.

[8] Jürgen Matthes: Entwicklung des Konkurrenzdrucks durch China auf dem EU-Markt. Köln, 15.08.2023.

 

Zum Thema

https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5117-5-5-wachstum-der-chinesischen-volkswirtschaft-eine-zwischenbilanz-1-halbjahr-2023

https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5124-china-konsum-oder-investitionen