Die AfD hat im Osten vielleicht ihre Hochburgen. Aber vermisst wird der Blick in die westlichen Bundesländer.
Die AfD ist kein Problem des Ostens. So lautete der Titel meiner Kolumne im Februar 2024. Heute kommt Teil 2 – denn auch wenn alle Finger gerade auf den vermeintlich braunen Osten zeigen, ist und bleibt „die Rechte“ kein „Ossi-Problem“.
Sie ist eine deutsche, europäische und globale Aufgabe. Das heißt, die Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen stehen für einen Rechtsruck, der keine Grenzen kennt.
Medial existiert dieser Rechtsruck vor allem in ostdeutschen AfD-Hochburgen. Diese Hochburgen führen oft westdeutsche Politik-Eliten, beispielsweise Thüringens AfD-Landeschef BjörnHöcke. Er kommt aus Nordrhein-Westfalen. Die AfD ist hier keine Ausnahme. Schon im Jahr 2022 beschrieb Denis Huschka in der Berliner Zeitung, Wie der Osten zum Sprungbrett für Politiker aus dem Westen wurde“ Laut Huschka ist der Grund für die mangelnde Teilhabe Ostdeutscher in der Politik nicht deren Unwille. Es gebe strukturelle Gründe, wie ein „Wahlkreisroulette“. Das bevorzuge westdeutsche Politiker:innen, repräsentiere aber kaum die Menschen vor Ort. Diese Lücke nutzt die AfD: Sie gibt sich volksnah, repräsentativ und schlägt Profit aus der ostdeutschen Geschichte.
Blick auf die politische Deutschlandkarte
Das heißt auch, wir sollten die Probleme dort suchen, wo sie liegen – nicht nur in Sachsen und Thüringen, sondern vor unser aller Haustür. Ein Blick auf die politische Deutschlandkarte kann hier helfen. Beispiel Baden-Württemberg: Laut dem Südwestrundfunk verloren alle im Landtag vertretenen Parteien im Jahr 2023 Mitglieder – bis auf die AfD. Nach eigenen Angaben wuchs sie um 44 Prozent. Sie legte bei den Kommunalwahlen zu und war bei der Europawahl 2024 die zweitstärkste Partei im Land. Warum sehen wir das nicht in der Tagesschau?
Beispiel Bayern: Bei der letzten Landtagswahl erzielten die AfD und die rechtskonservativen Freien Wähler zusammen mehr als 30 Prozent. Die erzkonservative CSU schaffte es auf 37 Prozent. Zusammen kamen die Rechtskonservativen in Bayern so auf fast 70 Prozent. Kürzlich machte der AfD-Landesverband in der Süddeutschen Zeitung Schlagzeilen. Neuerdings sollen AfD-Mitglieder die „Verfehlungen anderer Parteien“ per E-Mail melden, inklusive Beweismaterial. „Demokratiewächter“ nennt es die AfD, einschüchternde „Stasimethode“ die CSU. Warum schwingt die CSU die DDR-Keule und vergisst die bayerische Diktaturgeschichte?
Die AfD schüchtert aber nicht nur Politiker:innen ein. Erst am Wochenende forderte der hessische AfD-Landtagsabgeordnete Maximilian Müger mit dem Sturmgewehr im Anschlag den Kampf gegen Migration. Das heißt: mehr Waffen für weniger Migrant:innen. Der hessische AfD-Landeschef Robert Lambrou fand das TikTok-Video toll. Es bringe „inhaltlich vieles auf den Punkt“, sagte er dem Hessischen Rundfunk. Das ist Wildwest-Manier, die man im Osten vergeblich sucht. Sie schafft es immerhin auf tagesschau.de.
Die Liste geht weiter. Sie zeigt: Das Abschieben „der Rechten“ auf „den Osten“ ist keine Lösung. Denn das Abstempeln von Menschen und Regionen verschleiert nur die Gründe für die AfD-Erfolge. Rechtspopulist:innen gewinnen, weil die Volksparteien versagen.
Und Nachrichtenmedien verlieren Vertrauen, weil sie zu oft an der Oberfläche kratzen.
Bis heute scheinen „der Osten“ Stasiland und der AfD-Erfolg die logische Folge zu sein. Es wird Zeit, diese Geschichte endlich umzuschreiben.
Erstveröffentichung: Berliner Zeitung