Die Shell Jugend-Studie ist eine empirische Untersuchung, finanziert vom Mineralöl-Konzern Shell, die darauf abzielt, aktuelle Trends und Veränderungen in der Jugendkultur zu identifizieren. Die Studie untersucht, wie sich die Einstellungen, Werte, Gewohnheiten und Verhaltensweisen der Jugendlichen im Laufe der Zeit entwickeln und wie sie auf die gegenwärtige gesellschaftliche Situation reagieren.  

Im Abstand von etwa vier Jahren erfolgt eine repräsentative Befragung mit über 2.400 jungen Menschen  die seit der 14. Welle von Wissenschaftlern der U'niversität Bielefeld in Zusammenarbeit mit der Kantar Public (das ehemalige Forschungsinstitut Infratest) durchgeführt wird.  Mit der aktuellen 19. Ausgabe der Shell Jugendstudie wird das Standardwerk der Jugendforschung in Deutschland fortgeschrieben.
Nicht zu übersehen ist die Intention der Studien-Reihe, das Vertrauen der Jugendlichen in staatliche Institutionen und den Medien zu erheben, um daraus gegfls. politische Maßnahmen ableiten zu können.


Zentrale Untersuchungsergebnisse

Aus den jüngsten Ergebnissen der 19. Untersuchungswelle ergibt sich, dass die Mehrheit der befragten Jugendlichen zwischen 12 und 25 Jahren die Meinung vertreten, dass den erkannten Krisen und Sorgen entgegengewirkt werden muß. Ein großer Teil der
Jugendlichen sorgt sich um die langfristige Finanzierung des Alltags.
Dennoch bleibt zum Glück der jugendliche Optimismus und ein positives Zukunftsbild, trotz aller Krisen und Sorgen, bestehen.

Der Umgang der meisten jungen Menschen mit den vielfältigen Herausforderungen ist weiterhin bemerkenswert pragmatisch: Zentral für sie bleiben der soziale Nahbereich und die Orientierung an Leistungsnormen. Sie passen sich auf ihrer Suche nach einem gesicherten und eigenständigen Platz in der Gesellschaft den Gegebenheiten an und
wollen ihre Chancen ergreifen. Dabei nehmen sie Zukunftsfragen deutlich bewusster wahr und artikulieren ihre Ansprüche offensiver.[1]

Das Interesse an Politik ist im Vergleich zu früheren Studien deutlich gestiegen. Mehr als die Hälfte der jungen Menschen bezeichnet sich als politisch interessiert. In der zurückliegenden Befragungswelle 2019 lag der vergleichbare Wert bei 39 %. Die Jugendlichen signalisieren heute eine gesteigerte Bereitschaft, sich politisch und gesellschaftlich zu engagieren. 
Die politische Ausrichtung junger Menschen ist gemäß den Befragungsergebnissen von inzwischen 41% als tendenziell „leicht links“ einzuordnen.  (2019: 38 Prozent) während sich von den jungen Männern inzwischen ein Viertel als rechts beziehungsweise eher rechts bezeichnet. [2]
Von den weiblichen befragten Jugendlichen liegt dieser Wert der rechtslastigen politischen Ausrichtung bei 11 Prozent.  In Summe geben weitere 14% der Befragten an, politisch nicht positioniert zu sein.


Kritische Haltung gegenüber politischen Institutionen

Trotz des gestiegenen politischen Interesses bleibt eine ausgeprägte Skepsis gegenüber Parteien und Parlamenten bestehen. Das Vertrauen in Parteien ist weiterhin unterdurchschnittlich, und 69% der Jugendlichen stimmen der Aussage zu, dass Politiker sich nicht um Belange junger Menschen kümmern.  Dennoch läßt sich der 19. Befragungs-Welle entnehmen, dass Jugendliche mehrheitlich positiv auf die Möglichkeiten blicken, die ihnen Staat und Gesellschaft bieten, trotz vieler Krisen und Zukunftssorgen.[3]
So zeigt sich treffenderweise auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend höchst zufrieden mit dem Befragungsergebnis, keine allzu großen Irritationen bei den Jugendlichen gegenüber dem Staat und der praktizierten Gesellschaftspolitik zur Kenntnis nehmen zu müssen.[4]

 Das ließe sich auch so interpretieren, dass die aktuelle Shell-Studie als ein renommierter Gradmesser für die Stimmung bei jungen Menschen für das zuständige Ministerium für Jugend keinen Anlaß dazu liefert, das gesellschaftskritische Potential bei den Jugendlichen nicht innerhalb der aktuellen Bildungs- und Arbeitsmarkt-Politik abwickeln zu können.

 
Ängste und Sorgen

Der folgenden Tabelle sind die Angaben zu Ängsten und Sorgen aus der aktuellen Befragung zu entnehmen, im Vergleich zu den Ergebnissen der Studie von 2019. Dabei sind insbesondere die Ängste bezüglich eines Krieges in Europa und der zunehmenden Armut hervorzuheben.[5]
 

Quelle: https://www.shell.de/about-us/initiatives/shell-youth-study-2024


Stellungnahme zum Ukrainekrieg und Gaza-Krieg

Angst machen einer großen Mehrheit der Jugendlichen demnach die Kriegsgefahr (81 %) sowie die wirtschaftliche Lage und womöglich steigende Armut (67 %). Die Sorge, selbst arbeitslos zu werden, hat dagegen im Vergleich zu den Ergebnissen von 2019 abgenommen (2024: 35%, 2019: 29 %).

In der Einschätzung des Krieges zwischen der Ukraine und Russland sehen zwei Drittel der Jugendlichen Russland als den Hauptschuldigen. Aber insgesamt belegt das Befragungsergebnis einen Rückgang bei der Zustimmung zur fortdauernden Militärhilfe für die Ukraine. Ein bemerkenswerter Unterschied ergibt sich dabei zwischen den Jugendlichen in Ost und West:  21 % der ostdeutschen Jugendlichen sind nicht dafür, dass Russland für seinen Angriff auf die Ukraine bestraft werden solle, während im Westen ein solches Ansinnen nur von 13 % abgelehnt wird.  Einer andauernden militärischen Unterstützung der Ukraine stimmen im Osten 44 % der Jugendlichen zu, im Westen dagegen 52 %.  
Ein weniger eindeutiges Bild zeigt sich bei der Bewertung des Krieges in Gaza.
Ein Drittel der Jugendlichen hält die deutsche Unterstützung für Israel nach dem Hamas-Überfall für richtig, ein ebenso großer Anteil lehnt sie hingegen ab. Die verbleibenden 30 % äußerten Keine Meinung zur Frage des Gaza-Krieges.[6]

 

Berufliche Aussichten und die Bedeutung des materiellen Nutzens

Mehr als vier Fünftel der Jugendlichen (84%) sind zuversichtlich, ihre beruflichen Wünsche verwirklichen zu können. Bei den Erwartungen an die Berufstätigkeit dominiert das
Bedürfnis nach Sicherheit. Für 91% der Jugendlichen ist ein sicherer Arbeitsplatz (sehr) wichtig.[7] Ein hohes Einkommen (83% zu 76% im Vergleich zu 2019) und gute Aufstiegsmöglichkeiten (80% zu 74%) nehmen an Bedeutung zu. Auch der Wunsch, beruflich von zu Hause aus arbeiten zu können, hat gegenüber 2019 zugenommen (69% zu 61%).[8]

Das Geschlecht hat laut der Studien-Ergebnisse bei nahezu allen Dimensionen die größte Erklärungskraft:

Männlichen Jugendlichen ist der materielle Nutzen in ihrem Beruf wichtiger als den weiblichen.
Jungen Frauen sind vor allem sozialer Nutzen und eine hohe Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben wichtig. Mit Blick auf die Erwartung einer persönlichen Erfüllung unterscheiden sich junge Frauen und Männer nicht.
Das heißt: Unabhängig vom Geschlecht streben die meisten Jugendlichen nach einem erfüllenden Berufsleben, das unter anderem in einer hohen Anerkennung durch andere gesehen wird.[9]

Aktualität von Themen

Generell beschreiben die Studien-Ergebnisse die Jugend- Generation, die trotz vielfältiger Herausforderungen und Sorgen aktiv und engagiert an der Gestaltung ihrer Zukunft mitwirken möchte und dabei ein hohes Maß an Pragmatismus und Optimismus an den Tag legt.

Soziale Gerechtigkeit und Antidiskriminierung

Junge Menschen setzen sich verstärkt für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung ein. Die Shell Jugendstudie 2024 zeigt, dass Jugendliche besonders für Gender-Gerechtigkeit sensibilisiert sind und sich demonstrativ offen für non-binäre Geschlechterdefinitionen zeigen.

Globale Solidarität

Junge Menschen engagieren sich verstärkt für globale Themen wie Frieden, Menschenrechte und internationale Zusammenarbeit. Die Vernetzung über soziale Medien fördert ein Bewusstsein für globale Herausforderungen. Diese neuen Themen weisen darauf hin, dass die Jugendlichen sich mit den globalen Herausforderungen befassen und sich für eine nachhaltige, gerechte und inklusive Zukunft einsetzen wollen.

Medialer Einfluss auf die Meinungsbildung Jugendlicher

Nicht zu übersehen ist allerdings, dass trotz der Zunahme der Nutzung digitaler Medien für Kommunikation, Unterhaltung und Informationsbeschaffung die klassischen Medien wie ARD und ZDF-Fernsehnachrichten (83 Prozent) und überregionale Tageszeitungen (80 %) die Meinungsbildung, wie auch in anderen Altersgruppen, stark beeinflussen. [10]

Insofern verwundert es nicht, dass das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in seiner Stellungnahme zu den Shell-Studien-Ergebnissen sich recht gelassen zeigt, ob der etablierten und funktionierenden Wege der Einflussnahme auf die Meinungsbildung Jugendlicher. Für weiterführende Ausführungen wäre auf einschlägige medienkritische Literatur zu verweisen, die an dieser Stelle kaum vollständig abbildbar wäre. [11], [12]

 

Kritische Anmerkungen

Die Shell-Jugend-Studie 2024 zeigt einerseits auf, dass die Sorgen und Ängste bei Jugendlichen deutlich zugenommen haben und die kritischen Äußerungen zur gesellschaftlichen Entwicklung und der aktuellen Politik in Deutschland ebenfalls angestiegen sind.  Es ist unklar, inwieweit die Ergebnisse der aktuellen Studie mit denen früherer Jahre vergleichbar sind. Die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren stark verändert, was die Interpretation von Trends eher erschwert.
Andererseits ist die Stimmung unter Jugendlichen, vielleicht auch ein Privileg für junge Menschen, durchaus optimistisch geprägt, weil dadurch auch Potentiale erkannt werden, die auf eine Beeinflussbarkeit hinweisen. Die durchaus kritisch zu bewertende politische Polarisierung entspricht dem Zeitgeist, der Rechtsentwicklung in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung, was aber keine politische Sonderstellung bei Jugendlichen bedeuten muss. Die Studie wurde in einem von Krisen geprägten Zeitraum durchgeführt. Es ist zu hinterfragen, inwieweit aktuelle Ereignisse wie der Krieg in der Ukraine, die Inflation oder die Klimakrise die Antworten der Jugendlichen beeinflusst haben und ob diese als langfristige Trends oder als kurzfristige Reaktionen zu interpretieren sind.

 

 

Quellen

[1] https://www.shell.de/about-us/initiatives/shell-youth-study-2024

[2] Ebd.

[3] Ebd.

[4] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/19-shell-jugendstudie-veroeffentlicht

[5] Siehe hierzu aktuell:  https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5309-armut-global-und-ihre-messung

 [6] Ebd.

[7]Ebd.

[8] Ebd.

[9] Ebd.

[10] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles

[11] https://media-bubble.de/wie-die-medien-unsere-wahrnehmung-praegen;

[12]   https://www.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/RKZ82/medienkritik-von-links