Der Jubel der Unternehmen ist nicht zu überhören – das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein bestreitet ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Mindestbesetzungen. Der sperrige Begriff „Mindestbesetzung“ verschleiert fast, um was es geht: Die Beschäftigten in Krankenhäusern sind zunehmend nicht mehr bereit, ihre Arbeit mit zu wenig Personal und fehlender Zeit für Patienten auszuüben. Immer mehr Betriebsräte versuchen deshalb, über Mitbestimmungsrechte bei Dienstplänen oder Arbeitsschutz gegenzusteuern und verbindliche Regelungen zum Schutz der Beschäftigten durchzusetzen.
Im konkreten Beispiel stritten Betriebsrat und Unternehmensleitung einer Klinik “wiederholt über die Frage der Mindestbesetzung für den Pflegedienst auf bestimmten Stationen”, so das Landesarbeitsgericht. Der Streit endete in einer Einigungsstelle. „Es wurden insgesamt drei Gutachten zur Belastungs- und Gefährdungssituation des Pflegepersonals eingeholt“. Das Ergebnis des Einigungsstellenverfahren „sieht eine Schichtbesetzung mit einer bestimmten Zahl von Pflegekräften für bestimmte Belegungssituationen vor“. Dagegen klagte das Unternehmen – und gewann das Verfahren, die Entscheidung der Einigungsstelle wird für unwirksam erklärt! Das Unternehmen könne „aufatmen“, erklärt Rechtsanwalt Thomas Ubber. „Wie das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein festgestellt hat, besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zur Durchsetzung von Mindestbesetzungsregelungen“. Zwar ist sich Rechtsanwalt Ubber auch nicht ganz sicher, ob das Bundesarbeitsgericht nicht anders entscheiden wird, denn er stellt fest: Die Kapitalseite könne „zunächst aufatmen“.
Aber die Gerichtsentscheidung macht deutlich: Erreichen werden die Beschäftigten nur etwas als breite Bewegung, die für eine Tarifvertrag streitet und streikt – statt sich auf eine Stellvertreterpolitik durch den Betriebsrat zu verlassen.
Derzeitige Tarifbewegungen in den Klinken zeigen die Entschlossenheit der Belegschaften. Oder wie Labournet meldet: „ver.di fordert Krankenhäuser zu Verhandlungen über einen Tarifvertrag Entlastung auf“.
Vorbild ist der Kampf der Beschäftigten der Charité in Berlin: Die Verknüpfung tarifpolitischer Ziele mit gesamtgesellschaftlichen Themen stärkte den Arbeitskampf und führte zu einem vorbildlichen Tarifvertrag.
Unter dem Motto „Mehr von uns ist besser für alle“ wurde deutlich, dass auch die Kranken Vorteile durch den Tarifabschluss haben. So wurde eine hohe Streikfähigkeit erreicht, um so wirtschaftlichen Druck auszuüben. Nach dem Eckpunktepapier zum Tarifvertrag „Gesundheit und Demographie“ werden Arbeitsbedingungen gewerkschaftlich mitgestaltet. Es soll mehr Personal eingestellt werden – als Ergebnis des Streiks. Und es gibt Schlüssel für die Besetzung einzelner Schichten, die verbindlich durchsetzbar sind und vom Betriebsrat kontrolliert werden können. Der Arbeitskampf wurde monatelang unter starken Einbezug der Pflegekräfte vorbereitet. Dabei wurden neue Ansätze entwickelt. Gewerkschaftsmitglieder übernahmen die Funktion des Tarifberaters, der den regelmäßigen Kontakt zwischen einzelnen PflegerInnen in Stationen und der Tarifkommission pflegt. So bestanden kurze Informationswege zwischen denen, die verhandeln, und denen, um derer Arbeitsbedingungen es geht.
Aktuelle Beispiele aus Essen und Düsseldorf zeigen: „Streik zwingt Klinikvorstände zu verhandeln“! Denn die Belegschaften „haben sich selbst organisiert, sie haben neues Selbstbewusstsein entwickelt und gezeigt: Sie sind es, die ein Krankenhaus führen können, und sie sind es, die es auch blockieren können, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden“, erklärt Gewerkschaftssekretär Jan von Hagen.
Hoffnungen auf Arbeitsgerichte oder Bundesregierung haben die Beschäftigten kaum. „Die Bundesregierung tut so, als wolle sie die Probleme in der Pflege lösen. Tatsächlich haben erst die Streiks die Klinikvorstände gezwungen, über Entlastung zu verhandeln – Gesundheitsminister Jens Spahn hat dazu nichts beigetragen“, kritisiert Gewerkschafter Hagen.
Es liegt jetzt an den Beschäftigten, Regelungen zu erkämpfen.