Die EU-Oberen gaben sich forsch-entschlossen: Man werde nicht mit der Trump-Administration bei aufgesetzter Pistole auf der Brust verhandeln. Erst müssten die US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium zurückgenommen werden.

Beim Juncker-Trip ins Weiße Haus war von dieser Entschlossenheit nichts mehr übrig, er glich mehr einem Canossa-Gang. Er habe „einen Deal mit Trump gemacht“, frohlockte der Präsident der EU-Kommission anschließend wichtigtuerisch. Vor lauter Busserln, Tätscherln und Umarmungen mit dem Handelskrieger Trump merkte er gar nicht, dass ihn letztlich der US-Präsident über den Tisch gezogen hatte.

Die Sonderzölle für Autos sind nicht vom Tisch, sondern nur aufgeschoben, solange die Verhandlungen über neue Handelsabkommen laufen. Für diesen Zoll-Waffenstillstand hatte Juncker erhebliche Zusagen und Zugeständnisse gemacht. „Für die er kein Mandat hatte“, wie Sarah Wagenknecht, die Fraktionsvorsitzende der Linken richtig feststellte. Juncker könne kein EU-Land und keine Firma zwingen, „Soja und Flüssiggas aus den USA zu kaufen“. Außerdem mache Juncker einseitig Politik für die deutsche Autoindustrie.

Der Import von Flüssiggas (LNG: Liquified Natural Gas) würde zudem die Verbraucher teuer zu stehen kommen. Es ist um 30 bis 50 Prozent teurer als Röhren-Erdgas. Ganz abgesehen davon, dass es als Fracking-Gas unter verheerenden Umweltbelastungen gewonnen wird. Zudem ist der US-Export von LNG nach Europa Teil der US-Strategie zur Aushebelung von Nordstream 2, einer zweiten Doppelröhre von Russland durch die Ostsee nach Deutschland, die zuverlässig und billiges Erdgas nach Europa liefern würde.

EU fällt China in den Rücken

Zudem hat Juncker mit der Zusage, große Mengen Sojabohnen abzunehmen, der Einfuhr von genmanipulierten Pflanzen nach Europa Tür und Tor geöffnet.

Noch schwerwiegender sind dabei die handelspolitischen Auswirkungen dieses Deals. Damit fällt die EU den Chinesen im Abwehrkampf gegen den von Trump angezettelten Handelskrieg in den Rücken. Diese wehren sich gegen die Strafzölle der USA mit Gegenzöllen. Der größte Posten sind dabei Sojabohnen, deren größter Abnehmer (12 Mrd. Dollar/Jahr) China ist. Sie sind die wirksamste Waffe bei den Konter-Zöllen, denn sie zielen unmittelbar auf Trumps Klientel und Wähler, die Farmer im Mittleren Westen.

Und diese Waffe zeigte bereits Wirkung, der von Trump angezettelte Handelskonflikt schlägt auf die Vereinigten Staaten zurück. Die Proteste von Farmern und ihren Verbänden und den Politikern aus diesen US-Staaten nahmen zu. Der US-Präsident will jetzt mit einem 12-Milliarden-Dollar schweren Sonderprogramm den US-Landwirten unter die Arme greifen. Schließlich stehen Wahlen an; bei den US-“Halbzeitwahlen“ am 6. November wird das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel der Senatoren neu gewählt. Am Tag des Trump-Juncker-Treffens waren Senatoren, Kongressmitglieder und eine große Zahl Farmer zum Protest in Washington angereist. Trump choreografierte sie medienwirksam in die Abschluss-Pressekonferenz im Rosengarten des Weißen Hauses und informierte sie über den Durchbruch bei den Soja-Bohnen. Jubel statt Protest. Einen Tag später trat er im Bundesstaat Iowa mit Farmer-Mütze auf, und der Aufschrift: „Make Our Farmers Great Again“. Und er rief den Landwirten zu: „Wir haben euch Farmern gerade Europa geöffnet. Bisher wart ihr total eingeschränkt. Ihr hattet Barrieren, die es euch unmöglich gemacht haben, dorthin zu verkaufen“. Aber jetzt „habt ihr einen großen, offenen Markt bekommen, wie es ihn noch nie gegeben hat“.

Wahlkampf- und Schützenhilfe seitens der EU für einen ausgewiesenen Handelskrieger! EU-Kommissions-Präsident Juncker im ARD-Interview: „Für mich bedeutet der Deal – das Abkommen – mit Herrn Trump nicht den Beginn einer neuen Freundschaft, sondern die Fortsetzung einer alten Freundschaft… Die USA und Europäische Union sind nicht nur Verbündete auf Zeit und nicht nur Verbündete, wenn die Umstände passen, sondern Verbündete für allezeit“.

Juncker hat Trump den Rücken gestärkt, den Chinesen ist er in den Rücken gefallen. China hatte der EU mehrmals angeboten, gegen die Konfliktstrategie des US-Handelskriegskabinetts gemeinsam vorzugehen, was aber jeweils abgeschmettert wurde: Man lasse sich nicht gegen die USA vereinnahmen. Umgekehrt hatte sich die EU bei den USA mehrfach angebiedert, sich zusammen gegen die angeblich „unfairen Handelspraktiken“ Chinas zu positionieren, was Trump bis dato ignorierte. Möglicherweise ist der US-Präsident mittlerweile zu der Erkenntnis gelangt, dass ein Zweifrontenkrieg auf Dauer nicht durchzustehen ist und begradigt nun die Westfront, um sich voll auf die Fernost-Front konzentrieren zu können. Analytiker der US-Investmentbank Merrill Lynch schreiben in einem Bericht: „Was bedeutet das für die Verhandlungen zwischen USA und China? Die Folgen sind nicht eindeutig, aber wir glauben, dass das Juncker-Trump-Abkommen die Wahrscheinlichkeit einer neuen Zollrunde erhöht“. Und in der „Gemeinsamen Erklärung der USA und EU“ heißt es: “Wir haben vereinbart, unsere Kräfte zu bündeln, um amerikanische und europäische Unternehmen besser vor unlauteren globalen Handelspraktiken zu schützen“ – gemeint ist China.

Der Schulterschluss zwischen EU und USA gegen China ist also vorerst gelungen. Der Deal hat womöglich noch weitreichendere Folgen. Eine hochrangige Arbeitsgruppe soll bis Ende November sondieren, wie beide Seiten Zölle auf Industrieprodukte bis auf null senken sowie regulatorische Vorgaben und technische Standards in Sektoren wie Chemie, Pharma und Medizinprodukte angleichen können. Auch nicht-tarifäre Handelshemmnisse und Dienstleistungen sind Teil des Pakets. Solange die Gespräche laufen, wird Trump die europäischen Autohersteller nicht mit den angedrohten hohen Sonderzöllen belegen. Doch die Pistole bleibt aufgesetzt.

Der Verhandlungsrahmen klingt stark nach den Eckpunkten, die im geplanten TTIP-Abkommen festgelegt waren. Das Argument, dass es sich um ein angestrebtes „TTIP light“ handelt, ist t nicht von der Hand zu weisen. Angestrebt wird offenbar ein Beziehungsgeflecht, das im Inneren Normen und Standards zu Lasten der Umwelt, der Verbraucher und Arbeitnehmer schleift und sich nach außen als Wirtschaftsblock gegen Dritte, insbesondere gegen China und andere Schwellenländer geriert. Die von der damaligen Außenministerin Hillary Clinton geplante TTIP als „Wirtschafts-NATO“ feiert fröhlich Urständ.