Bei den Rüstungsausgaben hat die Bundesregierung ein Darstellungsproblem. Während sie gegenüber der eigenen Bevölkerung den Verteidigungsetat (Einzelplan 14) möglichst kleinredet, packt sie gegenüber ihren NATO-Partnern auch die in anderen Haushaltsposten versteckten Rüstungsausgaben mit auf den Tisch. So erfolgt beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister und sicherlich auch zum NATO-Gipfel im Dezember. Als „Verteidigungsausgaben nach NATO-Kriterien“ firmiert dann der entschleierte Posten. Unter die zusätzlichen Militärausgaben fallen z.B. Beteiligung an den Kosten für den Neubau des NATO-Hauptquartiers, Ausgaben für den Wehr-Beauftragten, Vorfinanzierungen für Waffenentwicklungen und andere militärrelevante Posten im Einzelplan 60 (Allgemeine Finanzverwaltung), Beteiligung an den Kosten der Stationierung von US-Streitkräften in Höhe von 1 Milliarde US-Dollar (28% der Stationierungskosten) sowie „friedensschaffende und friedenserhaltende Maßnahmen“ aus dem Budget des Auswärtigen Amtes, u.a.

Die Militärausgaben nach NATO-Kriterien sind dadurch um etwa zehn Prozent höher als der offizielle Verteidigungsetat. Für 2019 weist letzterer 43,2 Milliarden Euro aus; einschließlich der für die NATO relevanten Ausgaben sind es 4,1 Mrd. Euro mehr: in Summe 47,32 Mrd. Euro. Für 2020 sind im Einzelplan 14 (Verteidigung) 45,1 Mrd. Euro angesetzt, nach NATO-Kriterien kommen über fünf Milliarden dazu, womit die Rüstungsausgaben Deutschlands erstmals die Schallgrenze von fünfzig Milliarden durchbrechen: 50,32 Milliarden Euro. Das entspricht einer Steigerung um 6,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Da das nominale BIP (einschließlich Inflationsrate) im kommenden Jahr nur um etwa zwei Prozent steigt, geht der Rüstungsetat im Marschtempo auf den 2%-Anteil am BIP-Anteil, den der NATO-Gipfel von Wales (2014) den Mitgliedsstaaten vorschreibt. Annegret Kramp-Karrenbauer in ihrem ersten Interview als Verteidigungsministerin: „Am NATO-Ziel halte ich fest“. 2020 dürfte der Anteil bereits bei 1,4% liegen; die 1,5%-Zwischenetappe, erst für 2024 geplant, wird vermutlich vorfristig erfüllt werden.

Jedem Bundesbürger, ob Kind ob Greis, kosten Wehr und Waffen bereits in 2020 610 Euro, für eine vierköpfige Familie sind es fast 2500 Euro im Jahr.

Ein Journalist fragte auf der Regierungspressekonferenz am 16. Oktober: „Diese Summe (der Verteidigungsausgaben – Anmerkung des Autors) entspricht ja mittlerweile – bei fünfmal längeren Landesgrenzen, die es zu verteidigen gilt – fast dem Verteidigungsbudget der Russischen Föderation. Können Sie noch einmal präzisieren, für was für Verteidigungsziele diese gestiegenen Summen denn eingesetzt werden sollen? … Können Sie mir zwei, drei Beispiele nennen?“ Die Sprecherin des Verteidigungsministeriums, Fregattenkapitänin Christina Routsi: „Das kann ich nicht“.

Die angemahnten Beispiele aber lassen sich unschwer aus Aktivitäten und Verlautbarungen der Bundesregierung der vergangenen Tage herleiten: Einmal aus der angeschobenen Entwicklung und dem Bau neuer Superwaffen. Beim deutsch-französischen Ministerrat Mitte Oktober in Toulouse feierten Frankreich und Deutschland die Einigung bei gemeinsamen Rüstungsprojekten, dem Kampfflugzeugverbund „Future Combat Air System“ (FCAS) und den neuen Kampfpanzer „Leo 3“. Für die Steuerzahler ist das allerdings kein Grund zum Feiern, denn es handelt sich um Europas teuerstes Waffenprogramm aller Zeiten. Das Luftwaffenprojekt FCAS soll 500 Milliarden Euro kosten, der neue Wunder-Panzer wird mit 100 Mrd. Euro veranschlagt. Der Boss des Panzer- und Kanonenbauers Rheinmetall, Armin Pappberger, spricht bereits heute von einem „Super-Zyklus“ in der „Rüstungssparte“, resultierend aus Waffenexport-Boom und „von der Bundeswehr kommt angesichts des Nachholbedarfs ein Großauftrag nach dem anderen“.

Zum anderen strebt die neue Wehrministerin mit der Bundeswehr („es geht um eine Bundeswehr, die die Aufgaben erfüllen kann, die wir ihr geben“) offenbar eine militärische Machtprojektion weit über NATO-Territorium hinaus an. Nach den Plänen der Ministerin soll, zusammen mit anderen europäischen NATO-Staaten, in Nordsyrien völkerrechtswidrig eine „Schutzzone“ installiert werden. Deutschland soll offenbar künftig nicht nur „am Hindukusch“, sondern auch am Euphrat „verteidigt“ werden. Den syrischen und irakischen Ölquellen wäre man dann wesentlich näher.