„Hopp, hopp, hopp – Kohlestopp“ skandierten die Teilnehmer u.a. beim vierten globalen Klimastreik. Menschen in 158 Ländern waren für die Rettung des Klimas auf die Straße gegangen. Doch zu Kohleausstieg und Klimaneutralität ist noch ein weiter Weg. Insbesondere die großen Konzerne und ihre Lobby in den Parlamenten mauern. Am gleichen Tag, als in Deutschland 630.000 Menschen sich an Fridays For Future beteiligten, winkte der Bundesrat in arroganter Mißachtung des Volkswillens die Attrappe eines „Klimapakets“ durch.
Zwei Tage vor dem jüngsten Friday For Future war eine Studie des Frankfurter Klimaberatungsunternehmens right.based on science erschienen, die aufzeigt, dass insbesondere die großen Konzerne das Klima weiter aufheizen. Aus dem #Whatif-Report, der die Klimaziele der Dax-30-Unternehmen untersucht, geht hervor, dass beim derzeitigen Stand nur sechs der 30 Konzerne (Telekom, Fresenius, FMC, Infineon, Merck, SAP) das Ziel erreichen, die Erderwärmung bis 2050 auf 1,75 Grad Anstieg (Klimakonferenz: „deutlich unter zwei Prozent“) zu begrenzen. Legt man die Erfüllung der konzerneigenen Zielsetzungen zugrunde, dann sind es lediglich noch drei mehr, also neun: Allianz, Bayer, Deutsche Post kämen hinzu.
Konzernen ist der Klimaschutz egal
Zwei Drittel der deutschen Blue-Chip-Konzerne ist das Klima im Wesentlichen egal, denn sie liegen auch nach Verwirklichung ihrer Klima-Ziele zum Teil erheblich über der 2-Grad-Grenze. Schlimmer noch: Ihre Klimaziele weichen meist nur minimal von ihrem derzeitigen Wirtschaften ab. Fünf Dax-Unternehmen haben sich nicht einmal Klimaziele gesetzt. Im (ungewichteten) Durchschnitt der restlichen 25 Konzerne liegt der Erwärmungs-Faktor bei 3,9 Grad. Die Zahl will besagen: Wenn alle Unternehmen der Welt so emissionsintensiv wirtschaften würden wie die Dax-Unternehmen im Durchschnitt, dann würde sich die Erde bis 2050 um 3,9 Grad erwärmen. Ein doppelt so hoher Temperaturanstieg als ihn fast alle Klima-Wissenschaftler für beherrschbar halten.
An der Spitze der Klima-Killer stehen die Stromkonzerne, die mit der weiteren Kohlverstromung unsere Welt zur Sauna machen. Bei Eon liegt der Wert bei Erfüllung seines Ziels bei 8,06° Celsius (jetzt: 8,25°), bei RWE 9,50° (Ziel) (jetzt: 13,82°). Würden sich also alle Unternehmen der Welt an Eon bzw. RWE ein Beispiel nehmen, würde die Erderwärmung Mitte des Jahrhunderts 8,06° bzw. 9,5° betragen. Übertroffen wird das nur noch von Heidelberg Cement: derzeit: 10,69° C; ihr Ziel: 10,3°. Auch die Autokonzerne haben nicht die Absicht, ihre CO2-Bilanz wesentlich zu verbessern. Die Werte sind bei BMW jetzt 2,57° C, und 2,56° als Ziel; Daimler jetzt 2,98° (2,84°); VW 3,38° (3,28°). Chemie-Konzerne: BASF 4,26° jetzt, 4,24° als Ziel. Covestro: 5,12° (5,09). Bayer schneidet relativ gut ab: 2,02 (1,79°).
Auch die High-Tech-Industrie gehört zu den Klimasündern: Siemens 4,29° (Ziel: 4,26°). Der Luftfahrt- und Rüstungskonzern MTU Aero Engines (Triebwerke für Zivil- und Kampf-Flugzeuge) bringt es als einziger Konzern fertig, seine Werte sogar noch zu erhöhen: Jetzt: 5,84° C; Ziel: 5,88°. Der weltgrößte Rückversicherer Munich Re trägt selbst dazu bei, dass sich die weltweiten Klimaschäden häufen: Seine Energiebilanz als Maß für alle Unternehmen der Welt, würde zur Erderwärmung um 5,26° (Ziel) beitragen; Derzeit: 5,30°C. Hannah Helmke, Gründerin von Right und Mitautorin der Studie, erklärte gegenüber dem Handelsblatt: „Es gibt nur sehr wenige Unternehmen wie SAP und Continental, die Klimaschutz als entscheidendes strategisches Thema für die Zukunft betrachten“. Zu diesen Firmen zählt auch die Allianz, mit dem ambitioniertesten Reduktionsziel. Der Versicherungsgigant will seine Klima-Emissionen mehr als halbieren: von jetzt 3,23° C auf 1,50° C, wenn der Konzern alle Maßnahmen zur CO2-Reduzierung umsetzt[1].
Investorendruck auf Kohlekonzerne
Die ehrgeizige Zielstellung der Allianz hängt auch damit zusammen, dass der Konzern zur Gruppe der Großinvestoren gehört, die im September 2019 die „Net-Zero Asset Owner Alliance“ gründeten, die sich zum Ziel gesetzt hat, ihr Anlageportfolio bis 2050 klimaneutral zu stellen. Insgesamt sind es bisher 16 große Versicherer, Vermögensverwalter und Pensionskassen, die mit ihrem Portfolio – Gesamtvolumen derzeit vier Billionen US-Dollar, weltweit aber haben die Asset-Manager 37 Billionen Dollar angesammelt – Druck auf Konzerne zu klimaschonendem Wirtschaften ausüben wollen. Insbesondere soll nicht mehr in Werte von Unternehmen investiert werden, „die neue Kohlekraftwerke mit einer Leistung von mehr als 300 Megawatt bauten oder in deren Energiemix die Kohle mehr als 30 Prozent einnehme“, sagte Céline Soubranne, die für die Klimapolitik von Axa zuständig ist; der französische Großversicherer ist neben drei weiteren Investoren vergangene Woche dem Pool beigetreten.
Von den großen US-Pensionsfonds und Vermögensverwaltern hat sich nur Calpers dem Bündnis angeschlossen. Die gigantischen US-Vermögensverwalter wie BlackRock, Vanguard, State Street, Capital Group, … verhalten sich dagegen weiterhin kontraproduktiv. Wie der britische Thinktank Influence Map in einer Untersuchung des Abstimmungsverhaltens ermittelten, stimmten BlackRock und Capital Group im Jahr 2018 in 90 Prozent der Abstimmungen auf den Hauptversammlungen, 2018 gegen Aktionärsanträge, die eine Unterstützung der Pariser Ziele zum Inhalt hatten. „Influence Map hat insgesamt 50.000 Fonds analysiert, die von 150 Finanzgruppen gemanagt werden und 8,2 Billionen Dollar an Investments gefunden, die in Schlüsselindustrien für den Klimawandel liegen. Dazu zählen die Experten die Branchen Öl und Gas, Kohleförderung, Automobile und Energieerzeugung“.
Diese Fakten sprechen allen Hohn, die uns glauben machen wollen, man könne die Klimarettung der regelnden „unsichtbaren Hand“ des Marktes überlassen. Dem Markt ist das Klima egal. Eine Klimawende zum Positiven wird von den entscheidenden Handelnden auf dem Markt, den großen Konzernen und dem Finanzkapital blockiert. Profitmaximierung und Klimasanierung aber gehen nicht ineinander. „Planet over Profit war eine Losung der 33.000 Menschen auf dem Münchner Königsplatz. Und: „People over Profit“.
[1] Für die gesamte Tabelle der DAX-30-Unternehmen, siehe #Whatif-Report, S. 13/14