Dass der Slogan des DGB „Solidarisch ist man nicht allein“ zum 1. Corona-Mai so schnell als Aufforderung zum gemeinsamen Kampf für den Erhalt der Arbeitsplätze der Beschäftigten bei Galeria Karstadt Kaufhof werden muss, daran hatte niemand gedacht. Doch solidarisches Handeln ist angesagt, um die fast 6.000 Beschäftigten aus 62 Galeria Karstadt Kaufhof Filialen bei ihrem Kampf um den Ausverkauf ihrer Arbeitsplätze zu unterstützen.
Zu den Galeria Karstadt Kaufhof Filialen kommt die Schließung von zwei Schnäppchencenter-Filialen des Konzerns hinzu. Das Tochterunternehmen Karstadt-Sports wird 20 seiner insgesamt 30 Filialen schließen. Bei Karstadt-Feinkost GmbH stehen ebenfalls von den 50 Filialen eine große Zahl auf der Streichliste des Konzerns. Es wird hierzu vom ver.di-Bundesfachgruppenleiter Orhan Akman am Samstag geäußert „dass mindestens 26 Filialen erhalten bleiben und es für vier weitere Filialen Hoffnung auf den Erhalt gibt“.
Insgesamt treffen die Schließungen gut ein Drittel der Filialen, was dann ebenfalls die Arbeitslosigkeit für die dort Beschäftigten bedeutet. Für diese Kolleg*innen ist die Frage, ob das „Glas halb voll oder halb ist“ eigentlich beantwortet, obwohl die Verhandlungsführung der Gewerkschaft zu Recht darauf hinweist, dass von den zur Schließung vorgesehenen 80 Filialen nun „nur“ 62 betroffen sind.
Der Kampf muss weitergehen
Es ist auch bei ver.di-Handel klar, dass der Kampf weitergehen muss: „Wir werden mit aller Kraft für den Erhalt der Standorte und die Zukunft der Beschäftigten kämpfen. Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen!“ erklärte Stefanie Nutzenberger, Bundesvorstandsmitglied der ver.di.
Die von ver.di in den Verhandlungen erkämpften Vereinbarungen, sind für die Kolleg*innen in den betroffenen Filialen eine aktuell wichtige Unterstützung, wenngleich kein Ersatz für den Arbeitsplatz. Die Flächentarife waren bei Karstadt und nach der Fusion bei Galeria Karstadt Kaufhof in einem Sondertarifvertrag abgesenkt. Diese werden seit dem Einstieg des Unternehmens in das Schutzschirmverfahren Anfang April 2020 wieder gezahlt. Begonnene Ausbildungen sollen zu Ende geführt werden, das gilt auch für die Auszubildenden in Filialen, die geschlossen werden sollen. Eine Transfergesellschaft soll gebildet werden, in die Beschäftigte zur Qualifizierung für ein halbes Jahr aufgenommen werden können. Für bei Entlassungen notwendigen Abfindungen gelten die von den Betriebsräten abgeschlossenen Sozialpläne.
Wir unternehmen alles Mögliche, um Filialschließungen zu verhindern und Arbeitsplätze zu erhalten. Dazu schmieden wir kommunale Bündnisse. Wir geben nicht auf.
Orhan Akman, Bundesfachgruppenleiter Einzelhandel bei ver.di
Sollten die Schließungen der Filialen vom Tisch gekämpft werden, wird auch den von Kündigung bedrohten Kolleg*innen die Vereinbarung helfen, dass die Beschäftigten und ver.di in die Zukunftsgestaltung von Galeria Karstadt Kaufhof mit einbezogen werden. Grund genug, jetzt alles gegen die Schließung zu tun – oder aber sich später wie andere Menschen, solidarisch an die Seite der noch Beschäftigten zu stellen. Zweifel kommen jedoch jetzt schon auf, ob der Weg in die Zukunft tatsächlich von beiden Tarifparteien gemeinsam gegangen wird. Während die Kolleg*innen mit der Gewerkschaft für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze kämpfen, teilweise Unterstützung von den Politiker*innen aus den Kommunen erhalten, lässt René Benko in Interviews tief blicken.
René Benko geht es um die Immobilien
Der Eigentümer von Galeria Karstadt Kaufhof, René Benko, ist gleichzeitig auch Immobilienbesitzer. Ein großer Teil der GKK-Filialen sitzt in Mietobjekten, die Benko gehören. Als Vermieter mit der Forderung auf Mietkürzungen konfrontiert erteilte Benko dieser umgehend laut „Manager Magazin“ eine Absage. Seine Warenhäuser könnten schließlich auch in der KaDeWe-Gruppe unterkommen, die ihm ebenfalls gehört.
Und, auch dies schreibt das „Manager Magazins“, Benko will mit seinem Sanierungsplan „Galeria 2.0“ bis zu 60 Millionen Euro an Mieten bei den Warenhäusern einsparen. Das bestätigt, was viele bereits bei der Übernahme von Karstadt, als auch dann der Fusion mit Galeria Kaufhof geäußert haben: René Benko interessiert nicht das Warenhausgeschäft – es geht ihm nur um die Immobilien!
Menschen vor Mieten
Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern
Es werden sich also die Beschäftigten von Galeria Karstadt Kaufhof, die Gewerkschaft ver.di, die sich solidarisierenden Kund*innen und die unterstützenden Kommunen, die mit den Schließungen des Warenhauses eine weitere Verödung der Innenstädte sehen, auf einen längeren harten Kampf eingestellt werden müssen.
„Alles unter einem Dach“?
„Alles unter einem Dach“, hieß im Jahr 1881 die Formel, mit der Rudolph Karstadt in Wismar das erste Warenhaus eröffnete; nicht nur beim Gründer selbst, sondern auch in allen politischen kapitalistischen Systemen der nachfolgenden Generationen der Familie bis zu denen, die mit dem Namen Karstadt auch nach vielen Fusionen und Übernahmen bis heute große Gewinne erzielten.
Auch für die Fusion zu Galeria Karstadt Kaufhof steht: die Warenhäuser befinden sich in den Innenstädten, dem Trend des Handels, der vor Jahren auf die „Grüne Wiese vor der Stadt“ ging, sind die Warenhäuser nicht gefolgt.
Sie waren somit, wenn man Innenstadtleben mit Shopping-Erlebnis gleichsetzt, einer der wenigen Magneten, die aufgrund ihrer Größe, aber auch mit ihrem breiten Angebot die Menschen in die Innenstadt lockten. „Die Warenhäuser sind für viele Innenstädte systemrelevant“.
Für viele Orte gilt dies nach wie vor und entsprechend stellt der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, zu den Schließungen von Galeria Karstadt Kaufhof-Filialen fest: „Die betroffenen Kommunen müssen gemeinsam mit dem Handel und den Immobilieneigentümern Zukunftsstrategien erarbeiten“. Eine zentrale Rolle komme den Immobilieneigentümern zu. Wie wichtig dies für Kommunen ist, stellte bereits im Mai Norbert Portz vom Deutschen Städte- und Gemeindebund gegenüber der Deutschen Presse-Agentur fest: „Galeria Karstadt Kaufhof ist nicht irgendwer. Die Warenhäuser sind für viele Innenstädte systemrelevant“.
Dabei wird (bewusst?) vergessen, dass viele Kommunen mit ihrer Städtebaupolitik selbst zu öden, langweiligen und unattraktiven Innenstädten beigetragen haben. Als Gegenspiel und mit dem Versuch die Entwicklung „auf die grüne Wiese“ aufzuhalten, wurde mit Einkaufzentren und Shoppingmeilen, allesamt überdacht und mit eigenen Strukturen vom Warenangebot bis zur Vermietung der Ladenflächen, vermeintlich eine Alternative geschaffen.
Viele kleinere Läden sind bereits seit Jahren aus den Innenstädten verdrängt: die Mieten zu teuer, die Konkurrenz der großen Handelsketten aller Branchen zu nah und verkehrstechnisch – auch mit ÖPNV – oft schlecht erreichbar, da die gute Anbindung den Einkaufzentren vorbehalten bleibt. Einhergehend mit dieser Veränderung der Innenstädte hat sich auch das Einkaufsverhalten der Bevölkerung geändert. Galeria Karstadt Kaufhof ist nicht erst seit der Corona-Pandemie dabei, über Veränderungen nachzudenken, um die geringer werdenden Einnahmen auf dem Rücken der Beschäftigten auszugleichen.
Der Chefkorrespondent der TextilWirtschaft Hagen Seidel schreibt: „Die wirtschaftlichen Folgen dieser Pandemie haben es nur unmöglich gemacht, das Notwendige noch weiter hinauszuschieben.“ Nach Jahrzehnten mit ständigen Veränderungen in der Übernahmen und Fusionen, der Zusammensetzung und Zusammenlegung von Geschäftsführungen, der Inhaber und der Unternehmensstruktur bei Karstadt, Galeria Kaufhof und nun Galeria Kaufhof Karstadt war die Ausrichtung immer auf Profitmaximierung, kapitalistisch eben, wie bereits zu Gründerzeiten.
Ebenfalls wie zu Gründerzeiten wurde nur darauf geschielt, möglichst viel Umsatz mit möglichst wenig Ausgaben zu erreichen. Das hat dazu geführt, dass die Warenhäuser einerseits dem Trend „auf die grüne Wiese“ nicht folgten, aber auch sonst jede Veränderung ignorierten. Sei es nun der Online-Handel und auch der aktuell stattfindende Rückwärtstrend im Handel von der Wiese zu den sogenannten „urbanen Bevölkerungsgruppen“ wieder in die Städte legt bisher keine oder nur wenig Planungen für ein „Kaufhaus der Zukunft“ offen.
Eine „Kundenbindung“ gibt es für Warenhäuser anscheinend nicht mehr, die sogenannte „Laufkundschaft“ bleibt aus. Viele jüngere Menschen zählen Galeria Karstadt Kaufhof nicht mehr zu ihrem Einkaufsort. Dieses Dilemma zeigt der Eintrag eines Mittvierziger auf Facebook: „Die Schließung (…) ist für mich auch ein ganz persönliche Kiste: Jahrzehntelang hat meine Oma da gearbeitet, ich kann mich genau erinnern, wie ich sie da mit meinem Opa (…) abgeholt habe. Und wenn Einkaufen angesagt war, war es Karstadt …“ Der bekannte Name Karstadt, durch alte Verbindungen und nicht dem eigenen Einkauf.
Es wechseln die Zeiten…
Was den Beschäftigten bei Galeria Karstadt Kaufhof bleibt, ist es den Kampf für die Arbeitsplätze zu verbinden mit dem Druck für Veränderungen. Oft wird der „Wandel im Handel“ beschrieben. Gemeint sind damit in der Regel die Veränderungen, die mit dem Online-Handel einhergehen. Was der Herr Keuner von Bertholt Brecht mit Erschrecken hörte, dass ihm nach längerer Zeit beim Wiedersehen ein Kompliment gemacht wird, weil er sich nicht verändert habe, sollte erst recht für den Eigentümer und die Geschäftsführungen von Warenhäusern Grund zu Veränderung sein. Immerhin lassen sie 24.000 Menschen dafür arbeiten, damit der Profit des Unternehmens ihnen selbst saftige Gehälter und Gewinn in die Taschen spült.
Wenn nun endlich die Beschäftigten und die Gewerkschaft an Zukunftskonzepten für Galeria Karstadt Kaufhof beteiligt werden sollen, ist dies hoffentlich die Erkenntnis, dass die, die jeden Tag in ihrem Beruf, in „ihrem“ Laden arbeiten, auch über ihre Arbeit und die Entwicklung mitentscheiden sollen. Ein Fragezeichen bleibt, denn immerhin hätte das „Warenhaus der Zukunft“ schon lange auf den Weg gebracht werden müssen. An den Beschäftigten und ihren betrieblichen Gremien hat es nicht gelegen, bisher wurde es verhindert mit ihnen darüber zu reden.
Es ist also genau hinzuschauen, ob die Geschäftsführung von Galeria Karstadt Kaufhof jetzt nur ihrem eigenen Druck folgen und den Ball den Beschäftigten zuwerfen, damit diese die Kohlen aus dem Feuer holen. Das könnte bedeuten, das Unternehmen letzten Endes abzuwickeln, während Herr Benko und andere sich noch am Rest bedienen und die Taschen vollstopfen. Doch da ohne die Beschäftigten in den Warenhäusern, in der Logistik, in der Buchhaltung und im Verkauf nichts läuft und der Erhalt der Arbeitsplätze mehr denn je von Mitdenken und Mitentscheiden abhängt, könnte dies auf lange Sicht ein Konzept werden, mit dem die Beschäftigten dann auch den Betrieb selbst in die eigene Hand nehmen. Wer weiß, wie dann ein Kaufhaus aussieht – Handel unter sozialen, ökologischen und bedarfsorientierten Gesichtspunkten. Aber das wäre ein anderer Artikel. Jetzt gilt es den Kampf, nicht nur um das Teewasser sondern für die Arbeitsplätze der Beschäftigten bei Galeria Karstadt Kaufhof, erfolgreich zu führen!