„Wenn wir verhindern wollen, dass sich die Schulkinder im Winter alle mit dem Coronavirus infizieren, brauchen wir in jedem Klassenraum einen mobilen Luftfilter“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. „Eine Luftfilteranlage kostet pro Schüler maximal 100 Euro. Das sollten uns die Kinder wert sein. Betriebe in der Corona-Krise hat der Staat wöchentlich mit einem Vielfachen dieser Summe unterstützt“, so der Virologe. Er forderte Bund und Länder bereits Anfang September auf, kurzfristig diese Luftfilteranlagen für alle Klassenzimmer anzuschaffen. Die Kosten sollte nach Ansicht Lauterbachs der Bund übernehmen.

Selbst das Umweltbundesamt, die Behörde, die die Kultusminister der Länder in solchen Fragen berät, hat die Wirksamkeit der Geräte bei richtiger Dimensionierung und Handhabung attestiert.

Professor Joachim Curtius von der Frankfurter Goethe-Uni (experimentelle Atmosphären-forschung) hat Luftfiltergeräte getestet. Das Ergebnis: 100 Prozent Schutz vor Aerosolen habe man nicht, aber „in einem typischen Klassenzimmer konnten in einer halben Stunde 90 Prozent der Aerosole entfernt werden“. Auch ein Team vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Bundeswehr-Universität in München hatte einen Raumluftreiniger untersucht. Mit der entsprechenden Filterkombination konnten selbst kleine Aerosol-Partikel zu 99,99 Prozent ausgeschieden werden, berichteten die Forscher. Und: in einem 80 Quadratmeter großen Raum konnte die Aerosolkonzentration binnen sechs Minuten halbiert werden. Da die Aerosole rausgefiltert werden, würden die Geräte auch nicht zur Virenschleuder, so die Wissenschaftler.

Trotz der nachgewiesenen Wirksamkeit der Luftfilter-Geräte werden sie nicht flächendeckend und für alle Schulen beschafft. Nur vier von 16 Bundesländern geben eine finanzielle Unterstützung. Nicht einmal die Kultusminister, verantwortlich für die hygienischen und gesundheitlichen Bedingungen an den Schulen, sprechen sich geschlossen dafür aus. „Es ist den Schulträgern, es ist den Ländern, die ja dafür zuständig wären, zu teuer“, sagt Heinz-Peter Meidinger vom Deutschen Lehrerverband. Die Kultusminister empfehlen stattdessen Lüften im Zwanzig-Minuten-Takt, was einen kontinuierlichen Unterricht kaum mehr möglich macht und gerade jetzt im Winter zusätzliche Erkältungen vorprogrammiert. Ganz zu schweigen, dass in etwa einem Drittel der Klassenräume richtiges Lüften gar nicht möglich ist. Anstatt gemeinsam von der Bundesregierung die Mittel für die Anschaffung der nötigen Filter einzufordern, geben sie denjenigen Schützenhilfe, die einen solchen Schutz für nicht finanzierbar halten. So z.B. die NRW-Kultusministerin Yvonne Gebauer (FDP): Sie halte von den Geräten viel, aber die Anschaffung für alle Klassenzimmer würde „Unsummen verschlingen“.

„Unsummen“? Gewiss, zum Nulltarif, wie das Lüften im zwanzig-Minuten-Intervall, ist es nicht zu haben. Das „bezahlen“ Schüler und Lehrer mit ihrer Gesundheit. Die Ausstattung pro Klasse mit einem Luftfilter-Gerät beziffert Gebauer auf 3000 Euro (entspricht den 100 Euro pro Schüler*in, die Lauterbach nannte). Würde man zunächst die 100.000 Klassenräume ausstatten, die nicht richtig, insbesondere nicht quer gelüftet werden können, dann würde das 300 Millionen Euro kosten. Man muss der NRW-Kultusministerin zugutehalten, dass sie bei der Landesregierung wenigstens Geld locker machte, für mobile Luftreiniger in den Klassenzimmern, die nicht oder nicht ausreichend gelüftet werden können.

Für alle Klassenzimmer mit insgesamt 8,33 Millionen SchülerInnen an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland würde sich der finanzielle Aufwand auf knapp 900 Millionen Euro hochrechnen. Gewiss eine gewichtige Summe. Aber „verschlungen“ wären die Gelder nicht, sondern nützlich angelegt.

„Unsummen verschlingen“ Waffenprojekte

„Verschlungen“ sind dagegen die Gelder für neue Waffen, die der Haushaltsausschuss des Bundestags Anfang November durchgewunken hat – mit den Stimmen der Luftfilterverweigerer CDU/CSU, SPD und FDP. Geordert werden noch im Monat November beim Rüstungskonzern Airbus Defence 38 Kampf-Jets vom Typ Eurofighter. Kostenpunkt für die sogenannte Quadriga-Tranche: 5.4 Milliarden Euro (5.400 Millionen). Jedes dieser neuen Militärflugzeuge verschlingt die Ungeheuer- „Unsumme“ von 142 Millionen Euro. Mit dem Geld für sechs dieser Kampf-Jets könnte man die Klassenzimmer aller Schulen komplett mit mobilen Luftfilter-Geräten ausstatten. Sie wären ein Beitrag zur Reinhaltung der Luft, während die Kampfflugzeuge diese mit zusätzlichen Ab- und Klimagasen verpesten. Mit dem Zulauf der 38 Maschinen umfasst die deutsche Eurofighter-Luftflotte dann knapp 180 Flugzeuge dieses Typs. Der Eurofighter, ursprünglich konzipiert als Luftüberlegenheitsjäger, wurde in den letzten Jahren mit zusätzlicher Ausrüstung auch zum Kampfbomber getrimmt. Da die herkömmlichen Luft-Boden-Raketen dadurch für den Kampfjet zu schwer wurden, bekommen die deutschen Eurofighter jetzt für mehr als 200 Millionen Euro sogenannte Präzisionsbomben, die mit rund 230 Kilogramm nur halb so schwer sind wie die bisherigen. Sie werden beim Waffenkonzern Diehl-Defence geordert.

Es ist sicher kein Zufall, dass die Beschaffung dieser Milliarden-schweren Waffenprogramme mitten im Lockdown in der zweiten Corona-Welle durchgezogen wurden. Auf dem Höhepunkt der Pandemie haben die Menschen andere Sorgen, als den Hochrüstern auf die Finger zu sehen. Diese Überrumpelungstaktik der Rüstungs-Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte sich für sie schon in der ersten Corona-Welle bewährt. Menschenverachtend und zynisch ist es, diese Waffen-Deals mit der Rüstungsindustrie als Beitrag zur „Sicherheit“ unseres Landes anzupreisen, während gleichzeitig Millionen Schüler*innen weitgehend schutzlos der Covid-19-Seuche ausgesetzt sind. Milliardenschwere Weihnachtsgeschenke an den Militär-Industrie-Komplex, in einer Zeit, in der Kulturschaffende, Soloselbständige und Kleingewerbetreibende nicht wissen, wie sie über den Lockdown und Winter kommen können.

Siehe auch: Fred Schmid – Startschuss für Europas teuerstes Waffenprogramm aller Zeiten.