Welche Überlegungen haben vor 30 Jahren dazu geführt, das isw zu gründen?

Ich spreche jetzt hauptsächlich für mich selbst: um das Jahr 1989/1990 war der Sozialismus, wie er in den osteuropäischen Ländern und in der Sowjetunion praktiziert wurde, zusammengebrochen. Ende 1989 musste das Institut für Marxistische Studien und Forschungen (IMSF) seine Arbeit einstellen. Ich hatte die Hoffnung, dass etwas an die Stelle des IMSF treten könnte, vielleicht praktischer ausgerichtet und mit weniger umfassendem Anspruch, allein schon aus Kapazitätsgründen aber auf jeden Fall auch mit marxistischer Ausrichtung. Mich hatte damals aber auch schon der Gedanke eines pluralen Marxismus sehr angesprochen. Unser Arbeitskreis, mehr war es ja am Anfang nicht, hatte schon in den ersten Analysen und Publikationen die Zielrichtung ganz klar Richtung Gewerkschaft und kritische Linke. Von der Thematik demzufolge wirtschaftspolitisch, kapitalismuskritisch und die ökonomischen Herrschaftsverhältnisse in der Bundesrepublik analysierend. Ich weiß heute selber nicht mehr, was uns zur Namensgebung „ökologisch“ geführt hat. Beginnend mit den Berichten des Club of Rome in den siebziger Jahren hatte das Thema in den achtziger Jahren Hochkonjunktur. Es gab zu der Zeit eine Flut von Veröffentlichungen, die sich mit ökologischen Themen beschäftigt haben. Daher war für uns klar, dass wir um dieses Thema keinen Bogen machen konnten und wollten. Wir hatten den Anspruch uns aus kapitalismuskritischer Sicht mit ökologischen Themen zu beschäftigen. Es blieb aber zunächst bei dem Anspruch. Wer dann letztlich die Idee hatte, unser Projekt „Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung“ zu nennen, weiß ich nicht. Es war auf jeden Fall eine gute Idee und es hat sich als vorausschauend erwiesen.

Was hat mich nun persönlich dazu bewogen beim Projekt isw mitzumachen?

Ich kannte Leo Mayer und Fred Schmid aus gemeinsamer politischer Aktivität, mit Fred hatte ich schon ein Buchprojekt realisiert. Fred war sicher der Motor des Projekts isw. Im Arbeitskreis Wirtschaftspolitik und dann anschließend im isw mitzumachen war für mich eigentlich selbstverständlich, zumal ich mich als Volkswirt und auch als EDVler einbringen konnte. Wenn man die Hefte Revue passieren lässt, waren alle von gesellschaftskritischer Kapitalismusanalyse und kritischer sozialwissenschaftlicher Forschung geprägt. Dazu gehörte immer auch sorgfältige Recherche und die Vermittlung von Theorie und Praxis durch Beispiele. Mit der Erweiterung der Redaktion ergab sich auch schon bald ein Mix von Autoren aus dem isw und von Gastautoren, die „frisches Blut“ in die Redaktionsarbeit einbrachten. Damit verbunden waren auch eine Erweiterung der thematischen Möglichkeiten sowie neue Gesichtspunkte. Fred hat ja in seinem Beitrag schon gesagt, dass Konzernanalysen, Kritik der neoliberalen Globalisierung und die Analyse der Macht der Multis am Anfang eine wesentliche Rolle in unserer Arbeit spielten. Heute kommen sicherlich die transnationalen Konzerne und die transnationalen Produktions-und Distributionsnetzwerke im weitesten Sinne dazu. Klassische Softwarekonzerne wie Oracle und SAP und die großen Internetkonzerne wie Alphabet/Google, Facebook und Amazon werden eine wachsende Rolle spielen müssen.

Mir persönlich ist besonders ein Themenfeld für die weitere Arbeit des isw in Zukunft wichtig.

Theoretisch formuliert oder wenn man will auch hochtrabend gesprochen, ist es das Thema der Natur als Grenze und Schranke der Entwicklung des Kapitalismus. Erstmals hatten wir die Thematik 1992 behandelt: „Mit Energie ins Treibhaus“. Es folgte 1994 ein Report: „Energie Müll Verkehr - zur Umweltpolitik der Bundesregierung“. Diese Thematik haben wir dann immer wieder in unseren Publikationen behandelt, zuletzt im Report 123 „Gegen die Zerstörung des Planeten - Wirtschaftswachstum auf dem Prüfstand“ vom November letzten Jahres. Ich denke, dass die Thematik der Nutzung von Natur, besser der „Vernutzung“ und Ausbeutung der Natur im Kapitalismus und der Alternativen dazu zunehmend wichtiger geworden ist. Sie sollten in den Publikationen des isw weiterhin einen breiten Raum einnehmen: Alternativen jenseits des Kapitalismus statt „Green New Deal“. Wo wir meinem Eindruck nach etwas schwach auf der Brust geworden sind, sind konkrete Analysen von Konzernen und Konzernkonglomeraten im Euroraum und auch darüber hinaus. Das ist natürlich auch eine Frage der Ressourcen und der Gewinnung von Autoren. Was mir spontan einfällt, ist zum Beispiel eine Analyse der Pharmakonzerne und was sie treiben und welche Bedeutung sie haben. Ein anderes Beispiel wäre eine Analyse des Cloud-Computings, also des Auslagerns von IT-Diensten wie Datenspeicherung, Rechenleistung oder Anwendungssoftware und in diesem Zusammenhang die Rolle von Konzernen wie zum Beispiel Amazon, Google oder auch IBM und Microsoft. Weiterhin wichtig bleiben die Wirtschaftsinfos als Basis unserer Arbeit.