In einem Wirtschaftssystem, das die zwanghafte Akkumulation von Kapital unter Konkurrenzbedingungen uneingeschränkt als ökonomische Grundlage für die Organisation gesellschaftlicher Entscheidungsprozesse betreibt, führen selbst bedrohliche Seuchen wie die aktuelle Pandemie zu einer weiteren Anhäufung von Vermögen und Reichtum einer gesellschaftlichen Minderheit. Die Superreichen in Deutschland sind noch viel reicher als bisher angenommen: Nach jüngsten Ergebnissen der Ungleichheitsforschung, in der verfügbare Statistiken mit Umfragestudien zusammenfasst sind, belief sich das geschätzte Gesamtvermögen der reichsten fünf Prozent der Deutschen 2012 auf ca. 2,9 Billionen Euro. Es dürften aber eher dreieinhalb Mal so viel sein, wären in Deutschland Daten über eine Vermögenssteuer bzw. eine amtliche Vermögensstatistik verfügbar. Die Bamberger Wirtschaftsforscher Mishael Milakovic und Jan Schulz weisen in ihren Berechnungen darauf hin, dass 01, bis 0,4 Prozent der äußerst Vermögenden in den groß angelegten Befragungen des Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) nicht erfasst sind, aber die extreme Vermögenskonzentration dieser winzigen Anteile massive Auswirkungen auf das geschätzte Gesamtvermögen haben. Beim obersten Prozent wächst das Vermögen sogar um das Dreieinhalbfache von etwa 2 auf 7 Billionen. Die öffentlich breit diskutierten Kennzahlen zur Vermögensungleichheit, so etwa der Vermögensanteil des obersten Prozents am Gesamtvermögen, wären nach den Worten der Ungleichheitsforscher viel zu niedrig gegriffen. Die Vermögensungleichheit in Deutschland dürfte weit größer sein als bisher vermutet. Sie plädieren dafür, bei der Erfassung des tatsächlichen Gesamtvermögens die Spitzenvermögen dringend mitzuberücksichtigen, weil sich durch die Vermeidung der derzeitigen Messfehler eine ganz andere, eine tatsächliche Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums darstellen würde. In ihren Berechnungen treffen sie bezüglich dieser Vermögensgruppe entsprechende Annahmen. Für große Teile der Menschheit ist die Pandemie lebensbedrohlich und mit Einkommensverlusten verbunden. Die Spitzenvermögen sind jedoch im gleichen Zeitraum noch einmal kräftig gewachsen.

Während der Pandemie konnten die zehn reichsten Milliardäre ihr Vermögen auf insgesamt 1,5 Billionen Dollar verdoppeln. Gleichzeitig leben 163 Millionen Menschen wegen der Pandemie in Armut. Diese Ungleichheit tötet jedes Jahr Millionen Menschen, etwa weil sie keine adäquate medizinische Versorgung bekommen.

beschreibt Oxfam, Deutschland die gegenwärtige Situation unter den Auswirkungen der Pandemie. So hätten die aktuell 2.755 MilliardärInnen ihr Vermögen seit Beginn der Corona-Pandemie stärker vermehrt als in den gesamten 14 Jahren zuvor. Dieser Vermögenszuwachs an der Spitze der Reichtums-Pyramide ist wohl in der Geschichte beispiellos. Die Aussagen korrespondieren weitgehend mit den Berechnungen der Bamberger Ungleichheitsforscher. So berichtet Oxfam, Deutschland, dass die Corona-Pandemie die Ungleichheit auch in Deutschland weiter verschärft habe. Das Vermögen der 10 reichsten Personen sei seit Beginn der Pandemie von rund 144 Mrd. US-Dollar auf etwa 256 Mrd. US-Dollar gewachsen. Allein dieser Gewinn entspräche annähernd dem Gesamtvermögen der ärmsten 40 Prozent, d.h. von 33 Millionen Deutschen. Währenddessen sei die Armutsquote in Deutschland auf einen Höchststand von 16,1 Prozent gestiegen. Bereits 2019 lebte fast die Hälfte der Menschheit – 3,2 Milliarden Menschen – unterhalb der von der Weltbank definierten Armutsgrenze von 5,50 Dollar pro Tag. Heute sind es 163 Millionen Menschen mehr als vor der Pandemie angenommen. Mindestens 13 Millionen Frauen hätten im Zuge der Pandemie Arbeit und Einkommen verloren. Weil viele Länder Schulen geschlossen haben, werden über 20 Millionen Mädchen zusätzlich nie wieder eine Schule besuchen. Die tödliche Ungerechtigkeit zeige sich auch beim Impfschutz: Millionen Menschen, die hätten gerettet werden können, sind wegen der ungerechten Impfstoffverteilung an der Pandemie und ihren Folgen gestorben. Mittlerweile sind über drei Milliarden Menschen zweifach gegen COVID-19 geimpft, doch nur rund neun Prozent der Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen haben mindestens eine Impfdosis erhalten.

Ursache für die wachsende soziale Ungleichheit ist die Profitlogik einer kapitalregierten Wirtschaft.  

Gewinne für Konzerne und ihre AktionärInnen zählen mehr als der Schutz der Menschenrechte und des Planeten. Politische Entscheidungen der vergangenen Jahrzehnte haben diese Tendenz verschärft. Gewissermaßen über Nacht haben einige Unternehmen, u. a. die Automobilkonzerne und die zu „Big Pharma“ zählenden Unternehmen und Personen, gerade durch den Lockdown erhebliche Gewinne erzielt. Das Online-Magazin t3n hat eine Liste der großen Gewinner und Verlierer der Pandemie aufgestellt: Aufgrund des Lockdowns und der Kontaktbeschränkungen seien etwa die Benutzerzahlen und damit die Einnahmen der Anbieter von Video-Conference-Tools, wie Microsoft Teams und Zoom in die Höhe geschnellt. Zoom soll inzwischen weit über 200 Millionen Nutzer zählen und der Gründer, Eric Yuan, ein stolzes Vermögen von umgerechnet etwa 7 Mrd. Euro erwirtschaftet haben. Durch das Arbeiten im „Home Office“ haben auch Anbieter von Cloudsystemen wie Amazon AWS, IBM, Google Cloud oder Microsoft Azure Cloud ihre Unternehmensgewinne deutlich steigern können. Serviceprovider für Echtzeitchats punkteten indes mit ihren effizienten und unkomplizierten Alternativen zum Verschicken von (internen) Mails. Zu den Pandemie-Gewinnern zählen auch die üblichen Social Media- Plattformen: Das soziale Netzwerk Facebook erwirtschaftete laut Statista im dritten Quartal 2021 rund 29,01 Milliarden US-Dollar. Gegenüber dem Vorjahresquartal entspricht dies einem Umsatzzuwachs um rund 35 Prozent. Hauptgewinner im Onlinehandel ist Amazon mit einer Wertsteigerung an der Börse von 45%. Streamingdienste wie Netflix (Wertsteigerung an der Börse um 46%), Amazon prime und Co., aber auch Hörbuchanbieter standen und stehen daher auch jetzt noch hoch im Kurs. Auch Unternehmen des medizintechnischen Bereichs verzeichnen seit Ausbruch der Pandemie einen starken Anstieg der Bestellungen. Der Aktienkurs des Herstellers von Medizin- und Sicherheitstechnik Drägerwerk, Lübeck soll sich von 50 auf 100 Euro verdoppelt haben. Der amerikanische Pharmakonzern Gilead wird an der Börse inzwischen zu einem höheren Wert als Siemens gehandelt.

Einschränkungen

Im Pandemie-Gewinner-Verlierer-Spiel gibt es auch solche Unternehmen, deren Umsätze seit Beginn der Pandemie und des darauffolgenden Lockdowns drastisch gesunken sind. Hierzu zählen Veranstalter von Events, Messen und Konferenzen. Großveranstaltungen wurden abgesagt und zu einem Teil in virtuelle Räume verlegt. Solo-Selbstständige haben indes entgegen der Annahme sehr oft keinen Anspruch auf viele Soforthilfe-Angebote, da diese nur beantragt werden können, um Betriebskosten bezahlen zu können. Viele Kreative haben aber keine hohen Betriebskosten, sondern leiden wirtschaftlich unter nach wie vor fehlenden Aufträgen. Reiseportale und Hotelbuchungsplattformen sehen ihr Geschäftsmodell aufgrund der langanhaltenden Reise-warnungen und -einschränkungen ebenfalls bedroht. 85 % von ihnen empfinden sich in ihrer Existenz ernstlich bedroht. Die Betreiber von Hotels und Gaststätten zeigen drastische Einbußen erforderlicher Einnahmen an.

Ein Fazit

Festzuhalten bleibt, dass jeden Tag mindestens 15.000 Menschen sterben, weil ihnen eine adäquate medizinische Versorgung verwehrt bleibt. Es sind dies die Folgen struktureller wirtschaftlicher Gewalt, mit zum Teil tödlichen Konsequenzen. Würde der internationale Patentschutz für Impfstoffe ausgesetzt und die verfügbare Technologie global geteilt werden, könnte eine gebotene globale Impfgerechtigkeit umgesetzt werden und ein systematischer Ansatz zur Bekämpfung der Pandemie erfolgen. Auch weil Regierungen ihre Entwicklung mit viel Steuergeld gefördert haben, müßten die Impfstoffe als öffentliches Gut behandelt werden. Die weltweite Produktion von ausreichend Impfstoff könnte von mindestens 120 Unternehmen zu erschwinglichen Preisen bewerkstelligt werden. In das Zentrum wirtschaftlicher Entscheidungen ist das Gemeinwohl zu stellen. Konzerne und Superreiche sind stärker zu besteuern, um Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen der privatwirtschaftlichen Profitlogik zu entziehen und als ureigenste Plicht staatlicher Daseinsvorsorge durch Steuergelder zu finanzieren.