Autoindustrie vergesellschaften, da sie dem Allgemeinwohl schadet. IG Metall: Chance zur Verkehrswende nutzen oder mit der Autoindustrie verlieren; Ressourcen für nachhaltige Produktion freisetzen; Arbeitszeitverkürzung!
Der gewerkschaftliche Anspruch, Teil der Umweltbewegung zu sein, ist noch nicht eingelöst.

Freiheit statt Tempolimit – sagt der VW-Boss. Wessen Freiheit, wessen Tempo, wessen Limit? „Sie steigen auf ihrem Bürodach in die Drohne und fliegen über alle Staus hinweg zum Flughafen, da dürfte es jedem Innovationsfan in den Fingern kribbeln.“ Konstrukt der Konkurrenz als Produktivitätspeitsche. Bahn für Alle? Das erfordert unglaublich viel Arbeit. Arbeiter*innen wissen um die Notwendigkeit der Verkehrswende. Das Kapital nimmt keine Rücksicht auf die Bedürfnisse der Arbeiterinnen und Arbeiter, sondern orientiert sich ausschließlich an den erwarteten Profiten. Gewerkschaften, Klimabewegung und Transformationsräte. Die IG Metall nutzt die Chance nicht, ihre Stärke in der Bahnindustrie auszubauen.

Die Autoindustrie in Deutschland (VW, Daimler und BMW) hält an ihrem umweltzerstörerischem Wachstumsmodell fest. Elektroantriebe sind kein Weg, die Klimakatastrophe zu begrenzen, sondern führen zu zusätzlichen globalen Verwerfungen. Die Anzahl der Beschäftigten in der Auto- und Zulieferindustrie sank in den letzten vier Jahren um ca. 60.000, die Inlandsproduktion sank von 5,7 Mio. auf 3,4 Mio., während die Profite auf sagenhafte 60 Milliarden Euro stiegen. Die IG Metall hat noch hunderttausende Mitglieder in der Autoindustrie (ca. 750.000 Beschäftigte), nutzt die Chance jedoch nicht, ihre Stärke in der Bahnindustrie (ca. 200.000 Beschäftigte) auszubauen. Während die Autoindustrie trotz hoher Gewinne mit Milliarden durch die Bundes- und Landesregierungen subventioniert wird, werden die Kapazitäten in der Bahnindustrie vernichtet und Betriebe geschlossen. Die Mächtigen haben die Karre in den Dreck gefahren und blockieren jetzt die möglichen und überfälligen Veränderungen.

Daraus ergeben sich erste Thesen:

  • Die Big three der Autoindustrie können nach Artikel 14/15 vergesellschaftet werden, da dieses Eigentum an Produktionsmitteln dem Allgemeinwohl schadet.
  • Die IG Metall hat die Chance, die Verkehrswende mitzugestalten und zu gewinnen – oder sich an die Autoindustrie zu ketten und zu verlieren.
  • Weniger umweltzerstörerische Produkte (z.B.Autos) setzen Ressourcen frei für nachhaltige Produktion (z.B. Fahrzeuge für den öffentlichen Verkehr) und kollektive Arbeitszeitverkürzung.

Wessen Freiheit, wessen Tempo, wessen Limit?

„Freiheit statt Tempolimit“ – tönte vor kurzer Zeit der oberste VW-Manager Blume (NDR, 28.10.22). Für ihn ist es ein Gütezeichen, dass Fahrzeuge in einem Land entwickelt werden, in dem es kein Tempolimit gibt. Die Wolfsburger Presse schreibt von „Balsam für die Werker-Seele“. Was für ein Schmalz, was für ein ideologisches Geschwätz. Angesichts tiefgreifender ökonomischer und politischer Krisen, angesichts teuren Öls und knapper elektrischer Energie muten solche Aussagen wie die von Wahnsinnigen an. Manager des Autokapitals sprechen über die Freiheit der Reichen, tun und lassen zu können, was ihnen beliebt – ohne Rücksicht auf die Mehrheit der Menschen, ohne Rücksicht gegenüber schrumpfenden Ressourcen, ohne Rücksicht gegenüber dem erreichten Limit von Natur und Klima. Deren Freiheit ist purer Egoismus. Die Mächtigen im Land glauben sich in Übereinstimmung mit den 750.000 Beschäftigten der Autoindustrie. Das Freiheitsgerede und die Milliarden Euro Kurzarbeitergeld seit 2020 sollen die Beschäftigten bei Laune halten. Das funktioniert zu einem guten Teil, weil das Leben für viele fast so weitergeht, als gäbe es keine Unsicherheit des Arbeitsplatzes und keine Reallohnsenkungen. Stehen die EU und die Regierungen der Länder wie Deutschland, Frankreich, Polen, Rumänien, Portugal und die Slowakei machtlos gegen die mächtigen Autokonzerne? Es ist immer das Zusammenwirken von Kapital und neoliberaler Politik, wie an zwei weiteren Beispielen deutlich wird:

  • In Chattanooga/USA ist es der rechten Administration durch das Zusammenspiel mit dem Management von VW gelungen, eine gewerkschaftliche Interessenvertretung zu verhindern. Als Dank hat VW jetzt entschieden, für zwei Milliarden $ zwei weitere Fabriken in den USA für dort beliebte riesige Pick-ups zu bauen. Betriebsrat und IG Metall erklären lapidar, das Projekt werde „die Transformation in Richtung Elektromobilität weiter vorantreiben, dabei müssten die Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesichert sein.“
  • In Mexiko sollte mithilfe des deutschen „Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte“ (NAP-Branchendialog Automobil) ein Beschwerdemechanismus für automobile Lieferketten aufgebaut werden. Volkswagen hat nun seinen Ausstieg aus dem geplanten Beschwerdemechanismus angekündigt. Das Unternehmen erklärte, dass der geplante Mechanismus „keine ausreichenden Vorteile gegenüber den bestehenden Beschwerdesystemen bei VW“ biete. Dem widersprechen die am Dialog beteiligten zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie die unabhängigen Expert:innen der mexikanischen Zivilgesellschaft ausdrücklich (https://www.transparency.de/fileadmin/Redaktion/Bilder/Stellungnahmen_PMs_und_Meldungen/2022/22-12-08_Branchendialog_Automobil_Stellungnahme__VW-Ausstieg.pdf).

Die vom Kapital erwünschte und immer wieder neu erzeugte Konkurrenz zwischen den Standorten und den Beschäftigten wirkt als Produktivitätspeitsche. Den Beschäftigten schwant, dass die goldene Zeit der Autoproduktion vorbei ist. Das Kapital orientiert sich schon um, setzt nicht mehr auf den Massenmarkt, baut vermehrt Luxusautos, greift mit Fahrservice-Flotten den ÖPNV an, lässt das Personenbeförderungsgesetz dafür ändern, erprobt Passagierdrohnen: „Stellen Sie sich vor, Sie steigen einfach auf ihrem Bürodach in die Drohne und fliegen über alle Staus hinweg zum nächsten Termin, zum Flughafen, nach Hause … da dürfte es jedem Innovationsfan doch in den Fingern kribbeln!“1 Weil die Gewerkschaften mangels eigener Konzepte und Visionen weitgehend ratlos vor dieser Entwicklung stehen, beschränken sie sich auf die möglichst schmerzlose Regulierung der veränderten Geschäftsmodelle des Kapitals. Der „Zukunftsfond Automobil“ der Bundesregierung und die „konzertierte Aktion Mobilität“ von Regierung, Arbeitgebern und IG Metall, auf Wachstum und Subventionen angelegt, bieten keine Alternativen für einen großen Teil der Beschäftigten.

So lange wie irgend möglich soll es beim privat finanzierten und genutztem Auto bleiben – bis 2030 sollen 15 Millionen E-Autos in Deutschland zugelassen werden. Das von der EU beschlossene Verbrenner-Aus ab 2035 wurde von der deutschen Autoindustrie erfolgreich aufgeweicht. Während „wir alle“ zum Sparen von Energie genötigt werden, benötigen 15 Millionen E-Autos etwa 40 TWh elektrische Energie, viermal so viel, wie in der Stadt Hamburg jährlich durch Haushalte und Industrie verbraucht werden. Diese auf weiteres Wachstum orientierte Strategie verschärft die globalen Verteilungskonflikte um Rohstoffe und Energie; die Strategie wird scheitern, weil die erforderliche Menge erneuerbare Energie nicht zur Verfügung steht. Kein Bündnis mit den Scheichs aus Katar noch neokolonial gewonnener Wasserstoff aus Namibia werden diese Lücken füllen.

Bahn für Alle – das erfordert unglaublich viel Arbeit!

Die Autoindustrie wird – trotz glänzender Profite – mit Milliarden Euro durch die EU, den Bund und die Länder subventioniert. Autos bekommen kostenlos Zugang zu Straßen und Autobahnen. Die öffentlichen Verkehrsbetriebe führen ihren Versorgungsauftrag mit mehr als 12 Milliarden Beförderungsfällen pro Jahr durch. Dort fließen wesentlich weniger Gelder, die Bahnbetriebe zahlen stattdessen Trassengebühren von 5 bis 6 Cent pro gefahrenen Kilometer und die Löhne sind geringer als in der Autoindustrie.

Das 9-Euro-Ticket ebenso wie das 49-Euro-Ticket haben den Bedarf offenbart und die Bereitschaft, vom Auto auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen, wenn das Angebot gut ist. Die Angebote sind aber nicht gut und der Ausbau kommt nicht voran. Am Beispiel der Ermstalbahn, der Regionalstadtbahn Neckar-Alb in Baden-Württemberg, wird das Dilemma deutlich. Vor 20 Jahren ist der reguläre Personenverkehr durch Bürgerinneninitiative wieder aufgenommen worden. Jetzt werden dort als Übergangslösung geliehene Elektrotriebzüge aus Augsburg eingesetzt, weil die in Auftrag gegebenen Fahrzeuge erst in fünf Jahren ausgeliefert werden (Schwäbisches Tageblatt, 10.12.2022 / eigene Recherche). Die Kapazitäten im Schienenfahrzeugbau sind zu gering, um die Verkehrswende voranzubringen.

Mit dem 9-Euro-Ticket, mit der Debatte um die sozial-ökologische Transformation, den Aktionen von Verdi für bessere Arbeit im ÖPNV gemeinsam mit Fridays for Future, der Letzten Generation hat sich vieles geändert. Für die Verkehrswende braucht es neben Produktionskapazitäten im Schienenfahrzeug- und Busbau vor allem Geld und Personal für Betriebe des öffentlichen Verkehrs und den Infrastrukturbau. Die öffentlichen Verkehrsbetriebe suchen händeringend Lokomotivführer*innen, Busfahrer*innen, Schaffner*innen und Planer*innen – und finden viel zu wenige. In einem planmäßigen Prozess der Schrumpfung der Autoindustrie können Beschäftigte aus dieser Branche solche Aufgaben übernehmen. Aber dieser Prozess wird nicht geplant, weil im öffentlichen Verkehr keine Profite zu erzielen sind. Diese Planlosigkeit führt zu großen Verunsicherungen – in den Kommunen und bei den Beschäftigten.

Während in der Autoindustrie Arbeitsplätze verschwinden (müssen), können im Schienenfahrzeugbau viele neue Arbeitsplätze entstehen. Aber eben nicht durch am Profite interessierten Investoren, sondern durch am Gemeinwohl orientierte Gruppen oder Institutionen: Genossenschaften, Kooperativen oder kommunale oder landeseigene öffentlich-rechtliche Betriebe. Dazu bedarf es einer bisher fehlenden Sicherheit der Investitionen durch einen planmäßigen Ausbau des schienengebundenen Nah- und Fernverkehrs, durch einen vom Kopf auf die Füße gestellten Bundesverkehrswegeplanes und einer Kostenübernahme weitgehend durch den Bund. Warum eigentlich kein Sondervermögen von 200 Milliarden Euro für die Schieneninfrastruktur, den Schienenfahrzeugbau, den Bau von smarten Bussen, den Ausbau und Betrieb des ÖPNV in Stadt und Land?

Teils noch aktive Lokomotiv- und Waggonbaubetriebe in Bautzen, Dessau, Görlitz, Halle, Niesky und Vetschau können aktiviert, die Kapazitäten in Berlin, Chemnitz, Henningsdorf, Mannheim, München, Salzgitter und Stendal können ausgebaut werden. Die Beschäftigten der Bahnindustrie würde es freuen, wenn ihre Arbeit aufgewertet und mehr Anerkennung erfahren würde. Die Erfahrungen beim Ausstieg aus der Kohle, Blicke in die Lausitz, das mitteldeutsche oder das rheinische Kohlerevier zeigen, dass 40 Milliarden Euro und ein Zeitraum von 20 Jahren nicht ausreichen, wenn das Geld ohne demokratische Beteiligung der Menschen in der Region zweckentfremdet eingesetzt wird. Kritik an Strukturwandel landauf und landab (Aachener Zeitung, 15.3.21; Mitteldeutsche Zeitung 5.12.2022). Der DGB hat „Revierwende-Büros“ eröffnet und sagt zur provinziellen Zweckentfremdung, zu Schlosssanierung oder Kirchenanstrich statt alternativer Produktion und Beschäftigung: „So etwas geschieht, wenn keine unabhängigen Kontrollgremien gewollt sind. Von neuen Arbeitsplätzen müssen die Menschen im Revier profitieren. Die Bemühungen um bessere Lebensbedingungen im Revier müssen sich an den Wünschen der Menschen vor Ort ausrichten“ (Revierkurier 1/2022). Im Kohlebergbau und bei der Kohleverstromung geht es um einen absoluten Abbau, in der Mobilitätsindustrie geht es „nur“ um einen radikalen Umbau – allerdings mit viel mehr Menschen.

Arbeiter*innen und Verkehrswende

Wir haben Autoarbeiter*innen zum sozial-ökologischen Umbau der Autoindustrie befragt („E-Mobilität, ist das die Lösung? Luxemburg Beiträge 6 /2021) – Menschen mit Hoffnungen, Wünschen, Sorgen, mit kritisch-reflektierter Produzentenintelligenz. Viele schämen sich nach dem gigantischen Abgasbetrug für ihre Arbeitgeber, spätestens von ihren Kindern wissen sie vom Zusammenhang ihrer Arbeit mit der Klimakatastrophe. Sie sind überwiegend keine beinharten Männer mit Benzin im Blut. Gesagt haben sie, dass sie auch anderes als Autos produzieren könnten. Aber die Beschäftigten entscheiden nicht darüber. „Mitbestimmung in der Wirtschaft ist vom Ansatz her radikal-demokratisch und antikapitalistisch“ (Otto Brenner). An Demokratie und Antikapitalismus fehlt es, auch in den Gewerkschaften. Zweitens müssen, so die Aussagen der Befragten, die Einkommen sicher sein. Die relativ guten Löhne in der Autoindustrie hängen an der Exportlastigkeit, der höheren Wertschöpfung, der Ausbeutung in der Lieferkette und daraus resultierenden Profiten. Lars Hirsekorn, Mitglied des Betriebsrates bei VW in Braunschweig sagt: „Die Belegschaften in der Autoindustrie haben bei diesem Thema gemischte Einstellungen. Große Teile sind der Meinung, dass das Elektroauto ökologisch nicht sinnvoll ist. Einige meinen, dass man dann gleich beim Verbrenner bleiben kann. Aber es gibt inzwischen viele Leute, die einsehen, dass wir etwas grundlegend ändern müssen“ (www.nationalgeographic.de/).

In diversen Studien wurde herausgearbeitet und dokumentiert, dass eine solche Verkehrswende die Arbeitsplatzverluste in der Autoindustrie überkompensiert (Spurwechsel, VSA-Verlag; Mfive, Gesamtwirtschaftliche Wirkungen durch die Transformation zu nachhaltiger Mobilität).

Die Ängste der Beschäftigten in der Autoindustrie sind dennoch berechtigt und begründet – das Kapital nimmt keine Rücksicht auf die Bedürfnisse der Arbeiterinnen und Arbeiter, sondern orientiert sich an den erwarteten Profiten. Die Beschäftigten bei VW in Wolfsburg und Emden hoffen, mangels Alternativen, bald wieder ausgelastet eine weitere Million große und teure Autos pro Jahr zu produzieren. Volkswagen jedoch beginnt, Autos aus chinesischer Produktion nach Europa zu exportieren. Die Batteriezellfertigung in Salzgitter soll es geben, wenn Volkswagen so viele Subventionen bekommt wie Tesla in Grünheide. Alles, was viele Jahrzehnte sicher schien, ist unsicher geworden. Da hilft kein Pfeifen im dunklen Wald. Die Autoindustrie verschwindet – so oder so – zu einem großen Teil aus unserem Land. Die Arbeitsplatzvernichtung und – Verlagerung findet zunächst bei Zulieferern wie Conti, Bosch und Mahle, bei vielen kleinen Zulieferern sowie bei Opel und Ford statt.

Gewerkschaften, Belegschaften und Klimabewegung

Die Gewerkschaften haben sich dem Pariser Klimaziel verpflichtet. Hans-Jürgen Urban vom Vorstand der IG Metall reklamiert für seine Gewerkschaft: „Wir sind Teil der Umweltbewegung“ (OXI 9/2022). Ulrich Brand beschreibt das Dilemma gewerkschaftlicher Stärke und gut bezahlter Arbeitsplätze in der Autoindustrie einerseits und der ökologischen Notwendigkeit, eben hier zu schrumpfen andererseits: „Sozial-ökologische Aufgaben müssen zu Kernanliegen der Gewerkschaften werden“ (Blätter für deutsche und internationale Politik, 7/2019). Daraus ergibt sich: Die IG Metall muss mehr Energie auf Erhalt und Ausbau der Schienenfahrzeugproduktion legen. Es reicht nicht, wenn Alstom Standorte schließt oder Waggonfabriken in Niesky und Dessau geschlossen werden, nach Subventionen oder Investoren zu rufen.

Ist die Zustimmung von IG Metall und Betriebsräten zu neuen Auto- oder Batteriefabriken nur der Überlegung geschuldet, dass die Verkehrswende eventuell nicht funktionieren wird, dass Busse und Bahnen nicht im notwendigen Umfang durch Bund, Länder und Kommunen in Auftrag gegeben werden? Das ist unverständlich angesichts des vor sich gehenden Abbaus von Arbeitsplätzen in der Autoindustrie. Die Gewerkschaft könnte den Mitgliederschwund stoppen, würde Organisations- und Verhandlungsmacht gewinnen, wenn sie die Verkehrswende vorantreiben würde. Bei Beibehaltung der bisherigen Politik wird sie verlieren.

Der gewerkschaftliche Anspruch, Teil der Umweltbewegung zu sein, ist noch nicht eingelöst. Das Bündnis von Gewerkschaften, Umwelt- und Sozialverbänden gibt es bisher nur auf dem Papier (IG Metall, BUND, SoVD, EKD und andere) – dieses Bündnis hat noch keine Füße bekommen, ist noch nicht lokal verankert. Ein Hinweis auf die Ursachen findet sich in einer Erklärung linker Gewerkschafter:innen: „Unsere Macht kommt von unten. Bei der Industriepolitik müssen wir unsere Durchsetzungsfähigkeit durch den Schulterschluss mit der Umweltbewegung ausbauen. Dafür brauchen wir mehr Wissen bei unseren Funktionär*innen, warum und wie wir Industriepolitik machen. Der historisch notwendige Schulterschluss für eine sozialökologische Transformation kann uns nur gelingen, wenn wir die hierfür notwendige Kompetenz an unserer gewerkschaftlichen Basis durch unsere Bildungsarbeit ausbauen.“ (Zeitschrift SOZIALISMUS 11/22).

Die im mitteldeutschen Revier bei Naumburg gelegene Heimvolkshochschule Haus Sonneck entwickelt sich zur Transformationsakademie. Die vom DGB getragene Einrichtung der politischen Bildung „Arbeit und Leben“ und Haus Sonneck werden die Revierwende in der gewerkschaftlichen und beruflichen Fort- und Weiterbildung aktiv mitgestalten. Die Akademie wird durch bauliche und inhaltliche Modernisierung entstehen, finanziert aus dem Fond für den Kohleausstieg. Das müsste mit allen gewerkschaftlichen Bildungseinrichtungen ähnlich passieren. Gewerkschaftspolitische Grundlagenbildung ist kein Selbstzweck. Sie ermächtigt die Beschäftigten, die Welt aus ihren Klasseninteressen heraus zu erkennen und zielgerichtet in betriebliche und gesellschaftliche Veränderungsprozesse einzugreifen, nicht weiter als „Werker-Seele“ erniedrigt zu werden. Gewerkschaftspolitische Bildung hilft bei der Überwindung von Fatalismus und immunisiert ein Stück weit vor Technikgläubigkeit. Sie ist eine Voraussetzung, um rechten Hass und Hetze zurückzuweisen, sie ist eine Barrikade gegen autoritäre Wege aus der Krise. Politische Bildung ist nicht alles – aber ohne sie wird das alles nichts.

Transformationsräte

Schließlich sind hoffnungsvolle neue Ansätze in der Verteidigung sozialer Rechte in der Transformation zu beobachten, so bei GKN in Zwickau und beim Waggonbau in Niesky. In Niesky soll ein traditioneller Waggonbau geschlossen werden. IG Metall und Linke unterstützen die Belegschaft im Kampf um den Erhalt von Betrieb und Arbeitsplätzen. Die Linke erinnert daran, dass Mahnwachen nicht ausreichen werden: „Im Fall des Waggonbaus Niesky, wo mit der Geschäftsleitung kein Gespräch hergestellt werden kann, wäre eine Besetzung der Fabrik durch die Arbeiter ein weltweit erprobtes Mittel, um ihrem Kampf eine realistische Chance zu geben“, erklärte die Landtagsabgeordnete Antonia Mertsching weiter und versicherte: „Unsere Unterstützung ist ihnen sicher.“ Ihr Kollege Mirko Schulze fordert ein stärkeres Engagement des Landes Sachsen: „Die sächsische Lausitz erhält 7 Milliarden Euro für den Ausstieg aus der Kohleverstromung, um Industriearbeitsplätze zu schaffen oder zu erhalten. Mir ist völlig unklar, warum bisher nicht ein Cent in die Stärkung des vorhandenen Schienenfahrzeugbaus geht.“ (https://www.msn.com/de-de/finanzen/top-stories/linke-ermutigt-waggonbauer-in-niesky-zur-werksbesetzung/ar-AA191L0c).

Bei GKN in Zwickau haben die Beschäftigten mit der IG Metall zusammen einen Sozialtarifvertrag erstreikt, gehen jetzt „in die 2. Halbzeit“ und kümmern sich um einen Investor, der den Betrieb mit anderer Produktion fortführen kann. „Damit habt ihr auch eine Blaupause geliefert, wie wir Auseinandersetzungen gegen das Kapital führen können“, so die neue Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, zu dieser Auseinandersetzung. In Zwickau gibt es Kontakte und Gespräche mit den Aktiven der Klimabewegung (FFF) sowie nach Florenz, wo eine GKN-Fabrik von der Belegschaft besetzt wurde. Die Lehren daraus: Dem Klassenkampf des Kapitals gegen die Beschäftigten kann nur mit Klassenkampf von unten für Demokratie, gute Arbeit und ökologische, am Gebrauchswert orientierte Produktion begegnet werden. Die ökologische Krise ist Ergebnis der kapitalistischen Produktionsweise, dem damit verbundenen Konsum(zwang).

Vielleicht sind das die Pflänzchen, die sich zu regionalen Transformationsräten entwickeln. Zu Räten, in denen Beschäftigte, Gewerkschaften, Umwelt- und Verkehrsverbände, Klima- und Verkehrswendeinitiativen sowie regionale Politik direkten Einfluss auf die sozial-ökologische Transformation der Produkte und der Produktion in der gesamten Mobilitätsindustrie nehmen. So etwas ist durchaus möglich, wie Dario Azzinelli in einer Studie zum Transformationsprozess in Schottland beschreibt: „Auch wurde darin (im Climate Change Plan) die Einrichtung einer Just Transition Kommission und einer Bürgerversammlung zum Klimawandel beschlossen, die Empfehlungen erarbeiten soll, wie eine Null-Emissionen-Transition erfolgen soll und was dabei zu beachten ist, auch bezüglich Qualifikationen, Arbeitsmarkt und Bildung“.2

 

1https://www.volkswagenag.com/de/news/fleet-customer/2022/12/interview_group_innovation.html

2 Scottish Government 2019, file:///C:/Users/User/Downloads/Working%20Paper%201_%20Azzellini%202021_%20Nachhaltige%20Arbeit.pdf