Bloomberg, der Nachrichtendienst der Wall Street, zitierte als Fazit des G20-Gipfels einen Teilnehmer der US-Delegation: „Es war besser als nichts.“ Er beschwörte, wie die Mehrzahl der deutschen Medien, das Ausbleiben eines Eklats als das große Positivum. Aus Sicht der US-Regierung war es sogar mehr als das, es war im Großen und Ganzen ein Erfolg der Trump-Regierung. Für die Bundeskanzlerin Merkel, die meinte, in Buenos Aires gehe es darum, den „Multilaterismus“ zu verkünden, war der G20-Gipfel hingegen eine Enttäuschung auf der ganzen Linie.

Nehmen wir die Hauptpunkte des Gipfels. Erstens: Der vielbeschworene Multilateralismus. Das Gegenstück des von Trump betriebenen Protektionismus. Das Wort „Multilaterailismus“, Lieblingsbegriff aller bisherigen G20-Kommuniques, kommt in der jetzigen Abschlusserklärung gar nicht vor. Stattdessen wird behauptet, das bisherige „multilaterale Handelssystem (…) bleibt gegenwärtig hinter seinen Zielsetzungen zurück und es gibt durchaus Spielraum für Verbesserungen. Wir unterstützen daher die notwendige Reform der WTO, um ihre Arbeitsweise zu verbessern.“ Das bedeutet die Übernahme der Trumpschen Kritik und Wortwahl. Beim nächsten G20-Gipfel sollen die Wechsel im WTO-Regime bewertet werden. Die Beschlüsse, der „Geist“ von Buenos Aires weisen in Richtung einer internationalen Hinnahme protektionistischer Maßnahmen der USA. Die WTO in der alten Form wird nach Trumps Plan nicht mehr lange existieren.

In dieses Feld gehört auch die Auseinandersetzung USA-China. Eine große Erleichterung hob an, als sich Trump und Xi auf einen „Waffenstillstand“ einigten. In den nächsten drei Monaten wollen die USA die Zölle für chinesische Waren nicht erhöhen. China will die Importe aus den USA in dieser Zeit steigern. Danach werden die beiden Seiten die Entwicklung bewerten und neue Beschlüsse fassen. Es handelt sich also um ein Moratorium, ein auf drei Monate befristetes Stillhalteabkommen. Das ist sicher besser als ein Knall im internationalen Warenaustausch. Aber die Ergebnisse des Buenos Aires-Gipfels signalisieren, dass Trump die Sache in drei Monaten nicht anders angehen wird. Für Trump beweist dieser G20-Gipfel, dass er durchkommt mit seiner auf bilateralen Erpressungsdruck ausgerichteten Handelspolitik. Wenn Trump die Politik Chinas nicht passt, wird er die Zölle auf 25% hochschrauben. Der Handelskrieg wird heiß, wenn es nach dem Drehplan Trumps geht.

Der Imperativ von Buenos Aires und auch die Überschrift des Abschlussdokuments lautet: Einen Konsens über eine faire und nachhaltige Entwicklung herbeiführen. Wie absurd diese Selbst-Bezeichnung ist, beweist die Behandlung des Umwelt-Themas. Dort heißt es, dass „Unterzeichner des Abkommens von Paris (…) bekräftigen, dass das Übereinkommen von Paris unumkehrbar ist“. Wer aber die anonym bleibenden Unterzeichner und Bekräftiger sind, bleibt anonym. Klar wird dagegen sofort, wer nicht dazu gehört: nämlich die USA. Deren Widerstand wird ausführlich gewürdigt: „Die Vereinigten Staaten bekräftigen ihre Entscheidung, sich aus dem Übereinkommen von Paris zurückzuziehen und bestätigen ihr starkes Bekenntnis zu wirtschaftlichem Wachstum und Zugang zu Energie und Energiesicherheit unter Einsatz aller Energiequellen und -technologien und gleichzeitigem Schutz der Umwelt.“ Das G20-Kommuniqué als Propagandaplattform für die Leugner der Klimakatastrophe.

Ein zentrales Problem bleibt bezeichnenderweise gänzlich ausgespart: Das sich beschleunigende Auseinanderreißen von Arm und Reich. Es wird das Kernproblem der nächsten historischen Phase.

Dass die Einkommensverhältnisse nicht nur zwischen den Ländern – Industrie- und Schwellen- und Entwicklungsländer – auseinanderklaffen, sondern auch in den Ländern selbst, Industrie- wie Schwellenländer. Weltweit leben eine Milliarde Menschen auf der Welt von weniger als einem Dollar am Tag. Jeden Tag gehen mehr als 800 Millionen Menschen, mehr als jeder Zehnte, hungrig ins Bett. Mehr als 2,6 Milliarden Menschen – über 40% der Weltbevölkerung – fehlt es an grundlegenden sanitären Einrichtungen. Sowohl in den Industrie- wie in den Schwellenländern verstärken sich die Gegensätze Reich-Arm. Die Welt zerplatzt in krasse Unterscheide zwischen den ganz Reichen und den immer zahlreicheren Armen. Davon ist im Kommuniqué der G20 nichts zu lesen.

Buenos Aires war ein Zwischenschritt auf dem Weg in eine andere Zukunft der globalen Wirtschaft. Das Ziel, wie es jetzt aussieht, ist übler als der heutige Zustand.