„Trump sticht Chinas Wirtschaft ins Herz“ titelte die FAZ (17.5.19) anlässlich des Dekrets des US- Präsidenten, in dem er den nationalen Telekommunikations-Notstand ausrief und den chinesischen Telekom-Ausrüster Huawei samt 68 Tochterfirmen wegen angeblicher Gefährdung der „nationalen Sicherheit“ auf die schwarze Liste setzte. Beweise? Keine! Diese sogenannte Entity List enthält Firmen, die von den USA mit Sanktionen belegt werden, was u.a. bedeutet, dass sie für Zulieferkomponenten von US-Firmen künftig eine Genehmigung der US-Regierung benötigen. Die Attacke zielt in der Tat auf ein Herzstück der chinesischen High-Tech-Industrie. Huawei hatte sich in wenigen Jahren zum weltmarkt-führenden Telekom-Ausrüster entwickelt, mit erheblichem
Vorsprung in der neuen 5G–Technologie und hat im vergangenen Jahr den US-Vorzeigekonzern Apple (höchster Börsenwert der Welt) von Platz zwei im Absatz von Smartphones verdrängt. Der chinesische Tech-Konzern ist gewissermaßen der Prototyp der Strategie „Made in China 2025“, mit der die Volksrepublik in wenigen Jahren in weiteren neun Spitzentechnologien zur Weltmarktführung aufsteigen will. Und genau darin sieht Präsident Trump die chinesische „Bedrohung“, die er zum Vorteil der US-Technologieführerschaft in Wirtschaft und Militär blockieren will. Bereits mehrmals, zuletzt auch im Zusammenhang mit den laufenden Handelsgesprächen, verlangte er, dass China seinen Masterplan aufgeben und „rückabwickeln“ (US-Handelsbeauftragter Lighthizer) müsse. Zwar verwendet die chinesische Führung seither nicht mehr den Begriff „Made in China 2025“, machte aber umgekehrt klar, dass es hier um einen technologischen Aufholprozess gehe, den man im Interesse der Entwicklung des Landes keinesfalls aufgeben werde.
Trump erklärt den totalen Wirtschaftskrieg
Mit der Sanktionierung Huaweis und der Verschärfung der Strafzölle Anfang Mai erklärte Trump China den technologischen Kalten Krieg, mit dem Ziel, den weiteren Technologie-Aufstieg des Landes zu stoppen. Im Angriff auf Huawei ist er, zumindest vorübergehend, in der Vorhand. Der chinesische Champion weist zwei Stellen der Verwundbarkeit auf, die mit dem Vertrauen in die Verlässlichkeit globaler Lieferketten und internationaler Arbeitsteilung zusammenhängen. Vertrauen, das durch die Welthandelsorganisation (WTO) garantiert schien. Doch Trump mit seiner Strategie „America first“ und „Make America great again“ schert sich nicht um WTO-Bestimmungen bzw. umgeht sie mit der Behauptung, der Gefährdung der „innere Sicherheit“ und der Ausrufung des „Telekomnotstands“, was die WTO aus Gründen der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines Landes nicht überprüfen kann. Die WTO-Schiedsstelle darf einem souveränen Land nicht vorschreiben, wie es seine sicherheitspolitische Lage einzuschätzen hat.
Die zwei Achillesfersen bei Huawei sind Hochfrequenz-/High-End-Chips, die in Huawei-Smartphones und 5G-Telekom-Systemen verbaut werden, und das Android-Betriebssystem von Alphabet/Google, das in Huawei-Smartphones läuft. Google hat sogleich nach der Verkündung des Dekrets beflissen erklärt, dass es keine Systeme mehr ausliefern und gelieferte nicht mehr updaten werde. Gleiche Ergebenheitsadressen sind von den Chip-Lieferanten eingetroffen: Qualcomm, Intel, Wolfspeed, Broadcom, Quorvo u.a. Insgesamt gibt es 33 große amerikanische Firmen, die Zulieferer von Huawei sind.
Auch der niederländische Chip-Fabrikant NXP muss sich dem Dekret unterwerfen, weil er an der New Yorker Börse gelistet ist. Der deutsche Halbleiter-Hersteller Infineon erklärte, dass Produkte des Konzerns, die in den USA gefertigt würden, nicht mehr an Huawei geliefert würden, obwohl China für Infineon der größte Einzelmarkt, mit etwa ein Viertel des Geschäfts ist. Auch der japanische Panasonic-Konzern wird einige Bauteile an Huawei nicht mehr liefern können, da sie zu mehr als 25 Prozent ihres Wertes aus den USA kommen und damit unter die US-Boykottbestimmung fallen. Weitere Firmen haben ebenfalls die Liefereinstellung verkündet.
Zum Horror-Szenario für die Globalisierung und die gesamte Weltwirtschaft kommt es, wenn Trump den Boykott von Huawei zu exterritorialen Sekundär-Sanktionen erweitert, wie im Fall des Iran. Dann trifft der US-Bannstrahl jede Firma in der Welt, die mit Huawei Geschäfte macht. Sie müssen sich dann letztlich entscheiden, ob ihre die Geschäfte mit China oder den USA wichtiger sind. Bei der gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit könnte es zu einer Kettenreaktion in den globalen Lieferketten und Geschäftsbeziehungen kommen, was die Grundlagen der Globalisierung erschüttern würde. Die Folgen wären Re-Nationalisierung und Regionalisierung, das Streben nach autarken Wirtschaftsblöcken.
Das Entkoppeln (decoupling) der beiden größten Volkswirtschaften hat bereits begonnen. „Die Entflechtung der chinesischen und westlichen Wirtschaft läuft längst“, konstatiert Jörg Wuttke, früher Präsident der Europäischen Handelskammer in China (zit. nach FAZ, 25.5.19). „Der Kalte Techno-Krieg fängt jetzt erst richtig an“.
treFür Huawei (188.000 Beschäftigte, 2018:105 Mrd. $ Umsatz) dürfte es in den nächsten Monaten eng werden. ZTE, ein staatlicher chinesischer Telekomausrüster (70.000 Beschäftigte), dem Trump vor einem Jahr in einer Art Generalprobe die Chip-Zufuhr aus den USA sperrte, musste seinen Betrieb teilweise einstellen und war kurz vor dem Aus. Erst nach einer Intervention von Staatspräsident Xi beim US-Präsidenten, nahm dieser die Sanktionen wieder zurück, allerdings unter demütigenden Auflagen für ZTE (siehe report 115, S. 32).
Huawei hat sich besser gewappnet, und Chips auf Vorrat gekauft, womit es die nächsten Monate überbrücken kann. Mit Hochdruck treibt der Konzern mit seiner Chip-Sparte HiSilicon die Eigenentwicklung der benötigten Halbleiter voran. Anfang 2019 stellte Huawei den Hochleistungschip „Ascend 910“ vor, der den Konkurrenz-Prozessoren von Qualcomm, Intel und Nividia in Sachen Rechnerleistung ebenbürtig sein soll. Der Chip ist allerdings frühestens Mitte des Jahres serienreif, zur Aufnahme der Serienproduktion dürften weitere Monate vergehen. Und es gibt noch ein Problem: Angeblich muss Huawei bei seiner Eigenentwicklung auf die sogenannte ARM-Architektur zur Kommunikation der Elemente auf dem Chip-Satz zurückgreifen (vgl. FAZ, 24.5.19). Der britische Chipspezialist ARM unterliegt jedoch ebenfalls den US-Sanktionen, da Teile seiner Technologie in den USA entwickelt worden sind. Für Huawei eine prekäre Situation.
Huawei kündigte zudem an, dass es an einem eigenen Betriebssystem arbeite, das das Android-System von Google ersetzen könne. Die Fertigentwicklung war ursprünglich bis Frühjahr 2020 geplant, möglicherweise könne es aber bereits im Herbst dieses Jahres eingeführt werden.
Eine 90-Tage-Galgenfrist erlangt Huawei zudem, weil die US-Regierung amerikanischen Tech-Anbietern erlaubt, bis Mitte August mit dem chinesischen Technologieunternehmen zusammenzuarbeiten. Das soll den US-Firmen die Umstellung auf andere Kundenbeziehungen erleichtern.
Rivalität um Zukunftstechnologien
Huawei ist noch aus einem anderen Grund der Lieblingsfeind des US-Präsidenten. Dessen Administration hatte alles Erdenkliche unternommen, um zumindest die engsten US-Verbündeten beim Netzausbau des neuen Mobilfunk-Standards 5G-Technik von einer Hereinnahme Huaweis in die Konsortien abzuhalten (vgl. F. Schmid, Boykott gegen Huawei: Kalter Krieg um Frequenzen und Netze, isw-Newsletter, 26.2.19). Mit mäßigem Erfolg. Lediglich Australien und Neuseeland und natürlich die USA selbst boykottieren Huawei bei 5G gänzlich. Andere NATO-Verbündete schließen Huawei teilweise beim Aufbau der Kernnetze aus, aber nicht der Gesamtnetze. Würden sie umfassend auf die Huawei-Technologie und deren Vorsprung gegenüber den Konkurrenten verzichten, würde sich der Aufbau der 5G-Netze erheblich verzögern, wäre von minderer Qualität und käme erheblich teurer.
Die USA behaupten gerade im Fall der 5G-Telekommunikation Huaweis Spionage im Auftrag der chinesischen Regierung, ohne auch nur den Schimmer eines Beweises vorlegen zu können. Der Vorwurf ist grotesk und dreist zugleich, wenn man sich erinnert, wie die NSA (National Security Agency der USA) jahrelang Firmen, Behörden, Politiker und Privatpersonen in Deutschland und rund um den Globus ausspionierte, bis in das handy der Kanzlerin hinein (Merkel: „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht“ – es ging sehr wohl!). Anschließend verhandelte die Bundesregierung mit den USA über ein No-Spy-Abkommen: Erfolglos. Somit dürfte sich an den US-Praktiken nichts geändert haben.
Die 5G-Technik gilt als die Schlüsseltechnologie für zentrale Technologien der Zukunft: u. a. Künstliche Intelligenz (KI), Industrie 4.0, Robotik, vernetztes Fahren, Tele-Medizin, Biotechnik, und natürlich „Superwaffen“ und Kriegsroboter. Nach einem internen Papier des Weißen Hauses, das im vergangenen Jahr an die Presse durchsickerte, ist die 5G-Technik vergleichbar mit der Erfindung der Druckerpresse durch Gutenberg, und die Entwicklung der künstlichen Intelligenz wird mit dem Wettbewerb um den Bau der ersten Atombombe verglichen (Die Zeit, 23.5.19). Es geht um nicht weniger als um die künftige Technologieführerschaft und letztlich und damit zusammenhängend, um die Führung in der Welt.
Trump geht es bei dem von ihm angezettelten Handels- und Wirtschaftskrieg darum, China bei diesen Schlüsselindustrien die Schlüssel aus der Hand zu schlagen. Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, im HB-Interview (7.5.19): „Wir müssen uns in Europa darauf einstellen, dass der Konflikt der Weltmächte USA und China der beherrschende Konflikt des nächsten Jahrzehnts sein wird, und zwar auf allen Ebenen, nicht nur im Handel, sondern womöglich auch militärisch. Es geht um die Weltherrschaft“. Hierzu US-Außenminister Mike Pompeo in einer Art Bestätigung: „Unser Präsident ist bereit China zurückzudrängen. Sei es im Handel oder im militärischen Bereich“ (zit. nach HB, 7.5.19).
Die China-Korrespondentin des Handelsblatts, Sha Hua, schreibt: „Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass der Konflikt zwischen China und den USA weit mehr ist als ein Streit über Handel und Technologie. Es bahnt sich ein neuer kalter Krieg an“ (HB, 7.5.19). Und Stefan Kornelius berichtet in der SZ (14.5.19): Es herrscht „kein Handelskonflikt mehr, sondern ein Handelskrieg. Die Regierung Trump spricht von der Entscheidungsschlacht über die Führung der Welt“. Robert Daly, Direktor des Kissinger Institute on China and the United States sagt im FAZ-Gespräch (22.5.19) zu den aktuellen Auseinandersetzungen USA – China: „Es war nie nur ein Handelskonflikt. Es geht hier um die Neujustierung der Weltordnung. Den chinesischen Konzern Huawei als nationales Sicherheitsrisiko einzustufen ist ein klares Zeichen dafür, dass es um mehr geht als um Zölle. Trump hat gerade die größte Rakete gezündet“.
Kampf der Systeme
Trump baut gegenwärtig maximalen Druck gegen China auf, um Zugeständnisse prinzipieller Art zu erzwingen. Nach einem Bericht der New York Times prüft Washington, weitere chinesische Firmen auf die Strafliste zu setzen. Erster Kandidat sei Hikvision, eine Firma, die Überwachungstechnologie produziert (FAZ, 23.5.19). Zudem wurde dem chinesischen Netzbetreiber China Mobile der Marktzugang in den USA verwehrt – wieder mal wegen „Spionage“. Vorangegangen war die Erhöhung der Strafzölle von 10 auf 25% bei Wareneinfuhren aus China im Umfang von 200 Milliarden Dollar. Und Trumps Handelsbeauftragter Lighthizer kündigte an, er bereite gerade Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf sämtliche US-Importe aus China vor, das wären gut eine halbe Billion Dollar.
Das Vorgehen der Trump-Administration entspricht dem Leitfaden im Handbuch „economic warfare“ (ökonomische Kriegführung) und der geostrategischen Abhandlung von Robert D. Blackwill (Diplomat, ehemals Direktor des United States National Security Council und Berater von George Bush sen.) und Jennifer Harris „War by other Means“ (Krieg mit anderen Mitteln). Die Kernempfehlung an die Politik: Nicht zuvorderst auf die militärische Stärke zu vertrauen, sondern „vorwiegend geo-ökonomische Instrumente“, insbesondere Sanktionen, Boykotts, Embargos etc. „regelmäßiger und rigoroser“ einzusetzen.
Mit dem totalen Handels- und Wirtschaftskrieg wollen die USA China derart in die Knie zwingen, dass die chinesische Regierung letztlich bereit ist, ihr Wirtschaftsmodell zur Disposition zu stellen und umzukrempeln. Trump will China nicht primär einen regime change, sondern einen system-change, einen Wechsel des ökonomischen Systems aufzwingen. Robert Daly macht aus dieser Absicht keinen Hehl: „Ja, es geht nicht nur um Dinge wie den Schutz des geistigen Eigentums. Wir verlangen Änderungen, bei denen es um das chinesische Wirtschaftssystem geht – und damit auch um das politische System“ (a.a.O.).
Es geht ums Eingemachte für China: Die Volksrepublik soll vom Modell einer staatlich gelenkten Wirtschaft mit strukturbestimmenden staatlichen Konzernen abrücken. Andernfalls wird jeder weitere ökonomische Aufstieg, jeder Vorsprung eines chinesischen Champions als „unfairer Wettbewerb“, als „staatlich gedopte Wettbewerbsverzerrung“ und Subventions-Wirtschaft gebrandmarkt und der Willkür der US-Behörden preisgegeben und sanktioniert.
Peking aber will die USA diese „roten Linien“ nicht überschreiten lassen. Liu He, Vize-Ministerpräsident und Chefunterhändler bei den chinesisch-amerikanischen Handelsgesprächen, die bereits in die 11. Runde gingen, machte klar: „Wir glauben, dass diese Dinge (einige Schlüsselfragen – F.S.) grundlegende Fragen berühren. Daher hat jedes Land wichtige Grundsätze, und wir können in solchen Fragen absolut keine Zugeständnisse machen“ (Beijing Rundschau, 15.5.2019).
Der Widerspruch ist antagonistisch, nicht auflösbar. Auch, weil nicht sein kann, was nicht sein darf: dass eine staatlich gelenkte Wirtschaftsform effizienter ist, als die vielbeschworene und zum Fetisch erhobene „freie“ und kapitalistische „Marktwirtschaft“. Jahrzehntelang wurde gepredigt, die Marktwirtschaft sei die ultima ratio allen Wirtschaftens, ja das „Ende der Geschichte“. Der deutsche Wirtschaftsminister Altmaier in seiner Industriestrategie 2030: „Die Soziale Marktwirtschaft … hat sich als weltweit erfolgreichstes Wirtschaftsmodell durchgesetzt. Sie war und ist jeder Form von Planwirtschaft überlegen“ (S. 1). Und nun muss selbst die FAZ (18.3.19) feststellen: „Tatsächlich sorgt das enorme Wachstum Chinas in den vergangenen Jahren bei manchem für Zweifel an der lange Zeit als sicher geltenden Überlegenheit des marktwirtschaftlichen Modells“. Und ein Erzkapitalist vom Schlage Larry Fink, Boss von Blackrock, des größten Geldhauses der Welt muss umgekehrt eingestehen: „Es gibt eine gewisse gesellschaftliche Frustration, weil der Kapitalismus für immer weniger Leute funktioniert“ (HB, 18.4.2019).
Die tektonischen Macht-Verschiebungen zwischen China und den USA generieren ein politisches Dauer-Erdbeben mit nach oben offener Richterskala. „China ist eine grundsätzliche und langfristige Bedrohung“, sagte Kiron Skinner, Chefin des Planungsstabes des US-Außenministeriums, Ende April auf einer Sicherheitskonferenz in Washington. Der Kampf werde auf „historischer, ideologischer, kultureller und strategischer“ Ebene ausgetragen und ähnele in einigen Aspekten dem Zusammenstoß der Zivilisationen, den Samuel Huntington einst beschrieb (HB, 7.5.19). Kiron Skinner schreckt auch vor Chauvinismus und Rassismus nicht zurück: Der Konflikt mit China sei erstmals für die USA „ein Krieg gegen eine völlig andere Zivilisation und Ideologie“ (german.cri, 14.5.2019).
Die Volksrepublik sei nicht nur ein Wirtschaftsrivale, sondern die USA hätten es hier erstmals mit einer „nichtkaukasischen“ Macht zu tun; der Konflikt mit der Sowjetunion war nach Skinner immerhin noch „ein Kampf innerhalb der westlichen Familie“ (Tagesspiegel, 18.5.2019). Der Konflikt mit China wird offenbar auch noch rassistisch-chauvinistisch aufgeladen.
Die Trump-Administration will China durch brachialen Einsatz aller wirtschaftlichen, politischen und ideologischen Machtmittel zu einem Deal nach Vorgabe des Weißen Hauses zwingen. Was aber, wenn die chinesische Führung vor Trumps Drohung und Druck nicht einknickt, wenn sie nicht kapituliert? Wenn sie gar zu wirtschaftskriegerischen Gegenschlägen ausholt?
Das ökonomische Waffenarsenal der Chinesen ist nicht unbedeutend: Seltene Erden – die USA kaufen 80% ihres Bedarfs in China; Yuan-Abwertung, um die Zölle teilweise auszugleichen; US-Staatsanleihen – China hat eine gute Billion Dollar davon und könnte sie auf den Markt werfen und damit eine Abwertung des Dollars herbeiführen; Sanktionen gegen US-Konzerne in China: Apple z.B. ist abhängig von chinesischen Zulieferungen. Alle haben sie aber auch negative Rückwirkungen auf die chinesische Wirtschaft selbst, sind gewissermaßen die ökonomische Variante des „Gleichgewichts des Schreckens“. Und alle bergen die Gefahr in sich, dass der Wirtschaftskrieg eskaliert, sich zum politischen Schlagabtausch oder gar zum Schießkrieg aufschaukelt.
Was den Konflikt so gefährlich macht, ist der parteiübergreifende Rückenwind, den Trump für seinen Anti-China-Kurs in den USA erhält. Gerade demokratische Senatoren drängen ihn, „tough“ zu bleiben und „echte Änderungen zu erreichen und faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen“ (der demokratische Senator Sherrod Brown). Seit Oktober vergangenen Jahres hat sich Dan Coats , ehemaliger US-Botschafter in Berlin und heute Direktor der nationalen Nachrichtendienste mehrmals mit demokratischen und republikanischen Senatoren sowie führenden Managern von Technolgiefirmen getroffen und diese mit „Dossiers“ von NSA und FBI gefüttert, die angeblich Spionage und Diebstahl der Geschäftsgeheimnisse amerikanischer High-Tech-Firmen durch die Chinesen belegen. Dazu kommt die Anhäufung von kriegslüsternen Falken und China-Feinden in der US-Administration, allen voran Sicherheitsberater John Bolton (siehe auch report 115, S. 38), die auf eine harte bis kriegerische Gangart drängen. Zudem hat sich Trump im China-Konflikt bereits soweit aus dem Fenster gelehnt, dass er einen Rückzieher nur mit Gesichtsverlust antreten könnte. Der point of no return könnte bald erreicht sein.
Der chinesische Präsident Xi Jinping stimmt seine Bevölkerung jedenfalls bereits auf einen neuen „langen Marsch“ ein. Pekings Parteizeitung Renmin Ribao verglich das Vorgehen der USA mit den Opiumkriegen im 19. Jahrhundert. Damals hatte Großbritannien im Verein mit Frankreich, Russland und den USA das chinesische Kaiserreich besiegt und zur Öffnung seiner Märkte und Duldung des Opiumhandels gezwungen. Aus der demütigenden und schmerzlichen Erfahrung des „Jahrhunderts der Schande“ habe China gelernt, so die Zeitung: „Der Handelskrieg kann China nicht niederzwingen. Er wird uns nur härter machen“ (zit. nach HB, 21.5.19).
Es steht zu befürchten, dass sich Eric Hobsbawns düstere Prophezeiung, die der renommierte Historiker vor zehn Jahren im Stern-Interview (13.5.2009) aussprach, tragisch bewahrheitet: „Meine geschichtliche Erfahrung sagt mir, dass wir uns auf eine Tragödie zubewegen. Es wird Blut fließen, mehr als das, viel Blut, das Leid der Menschen wird zunehmen, auch die Zahl der Flüchtlinge. Und noch etwas möchte ich nicht ausschließen: einen Krieg, der dann zum Weltkrieg werden würde – zwischen USA und China. Im Augenblick scheinen sich China und die USA zu ergänzen, ja sich sogar zu stützen, sie erscheinen geradezu komplementär. Doch im pazifischen wie im asiatischen Raum wird ihr Konkurrenzkampf immer härter. Es gibt keine Basis für eine dauerhafte Freundschaft zwischen diesen beiden Großmächten“. – An „Chimerika“ glaubt heutzutage jedenfalls niemand mehr.
Weitere Literatur hierzu isw-report 115