Die chinesische Wirtschaft sah sich 2019 ernsthaften Herausforderungen ausgesetzt, insbesondere durch die sich verschlechternden Beziehungen mit den USA sowie den innenpolitischen Anstrengungen zur Eindämmung der Risiken im Finanzsystem. Das BIP-Wachstum 2019 hat sich dennoch gut gehalten. Im vierten Quartal 2019 stieg das BIP-Wachstum um 6 Prozent, nach einem Wachstum von 6,6 Prozent im Jahr 2018. Das BIP-Wachstum lag im 4. Quartal 2019 auf dem Niveau des Vorquartals. Im Jahresverlauf expandierte die Wirtschaft um 6,1 Prozent und lag damit deutlich im Rahmen des Wachstumsziels der Regierung von 6 bis 6,5 Prozent. Das nominale BIP-Wachstum verlangsamte sich von 7,6 auf 7,4 Prozent. Das nominale BIP-Wachstum war erneut geringer als das Wachstum der Gesamtkredite, die um 10,7 Prozent gewachsen ist. Das bedeutet, dass jede zusätzliche Einheit des BIP einen immer größeren Betrag an Schulden auslöst. Die 2019 schrittweise entfaltete expansive Finanz- und Geldpolitik trug wesentlich zur Stabilisierung der chinesischen Wirtschaft bei. Dies kann ein Wirtschaftswachstum auf einem komfortablen, elastischen Niveau bedeuten.
Stabilisierter Haushaltskonsum
Das Wachstum der Einzelhandelsausgaben verlangsamt sich auf 8 Prozent im Jahr 2019 gegenüber 9 Prozent im Jahr 2018. Eine auszumachende Kaufzurückhaltung ergibt sich durch ein etwas geringeres Lohnwachstum. Die Verbraucherausgaben sind trotz eines geringeren Wachstums, einer steigenden Teuerung für Verbraucher und eines geringeren Lohnwachstums belastbar geblieben. Ein stärkeres Wachstum von 8 Prozent im November und Dezember trug dazu bei, die Einzelhandelsumsätze gegen Ende des Jahres zu steigern.
Antrieb des Marktes durch geldpolitische Lockerung
Die Geldpolitik hat im 4. Quartal, 2019 weiterhin den Schwerpunkt auf wirtschaftliche Anreize gelegt und Liquidität in den Markt gebracht, und zwar um 0,5 Prozent. Um die Wirtschaft anzukurbeln, gibt die Zentralbank erneut mehr Bankreserven frei. Immobilien und Aktien profitieren von der zusätzlichen Liquidität. Sowohl Für große Banken als auch für kleinere Banken haben sich die Mindestreserven-Anforderungen gesenkt. Die Konzentration der Regierung auf die Verringerung des finanziellen Risikos in der Wirtschaft hat zu einer Belebung der Kreditvergabe und der Ausgabe von Anleihen geführt. Der Anteil der Verbraucherkredite an den gesamten ausstehenden Bankkrediten ist gestiegen. Im November hatte er 27,5 Prozent erreicht. Der Großteil davon waren Hypotheken, da die Immobilien-Preise in den letzten Jahren gestiegen sind und die privaten Haushalte für den Erwerb von Eigentum mehr leihen müssen.
Investition
Die Anlageinvestitionen erholten sich nach dem Tiefpunkt im November 2019 (5,2%). Sie betrugen zum Ende des Jahres 2019 5,4%. Das Investitionswachstum der staatlichen Unternehmen ging leicht um 0,1 Prozent auf 6,8 Prozent zurück. Der Anstieg des Investitionsvolumen war im Dezember hauptsächlich auf die Erholung des privaten Sektors zurückzuführen, da sich das Investitionswachstum von 4,5 auf 4,7 Prozent verbesserte. Das Investitionswachstum ging hauptsächlich auf die Industrie (gemeint sind hier für den Endverbrauch produzierte Industrieprodukte) zurück. Hier stieg im Dezember das Investitionswachstum von 2,4 auf 3,2 Prozent. Auch die Investitionen in die Energieproduktion zogen an und stiegen um 4,5 Prozent. Die Investitionen im Bergbau gingen leicht von 25,3 auf 24,1 Prozent. Das Investitionswachstum in dem wichtigen Immobiliensektor verlangsamte sich von 10,2 auf 9,9 Prozent. Die Landverkäufe erholten sich weiter, aber sie sanken seit Jahresbeginn um 8,7 Prozent. Die Verlangsamung ging Hand in Hand mit einem beginnenden Immobilienpreiswachstum.
Export
Das vergleichsweise schwächere Export- und Importwachstum im Jahr 2019 war ein nicht übersehbares Zeichen der Normalisierung nach dem noch zweistelligen Wachstum von 2018. Die auferlegten Zölle durch die Vereinigten Staaten und China waren dabei der Schlüssel-Indikator. Chinas Exporte in die USA sanken um 12,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr, während die Importe von US-Waren um 20,0 Prozent zurückgingen. Das jährliche Exportwachstum verlangsamte sich um 0,5 Prozentpunkte, während die Importe um 2,8 Prozentpunkte zurückgingen. Sowohl das Import- als auch das Exportwachstum haben sich im letzten Quartal 2019 deutlich verbessert, auch wenn sich der Außenhandel noch nicht gänzlich erholt hat. Die Unterzeichnung des „Phase One“-Handelsabkommens ist Teil einer komplexen Neuausrichtung der Beziehungen zwischen China und den USA. Die erhobenen Zölle bleiben teilweise bestehen, und die Umsetzung des Abkommens wird in den kommenden Jahren zu weiteren Konflikten führen. Die chinesische Regierung war in letzter Zeit bestrebt, das Investitionsumfeld für ausländische Unternehmen zu verbessern, um dem zunehmenden internationalen Misstrauen gegenüber chinesischen Unternehmen, insbesondere Technologiegiganten wie Huawei, entgegenzuwirken. Chinas Kaufverpflichtungen in Höhe von 200 Milliarden USD, die im Rahmen des „Phase One“-Handelsabkommens mit den USA eingegangen wurden, werden sich wahrscheinlich auf die chinesischen Einfuhren aus anderen Handelspartnern, einschließlich der EU, auswirken.
Arbeitsmarkt: Staatliche Unterstützung hilft bei der Stabilisierung der Beschäftigung
Im Jahr 2019 wurden mehr als 13 Mio. neue städtische Arbeitsplätze geschaffen, womit das Jahresziel der Regierung von 11 Millionen bei weitem übertroffen wurde. China hat damit in sieben aufeinander folgenden Jahren mehr als 13 Mio. Arbeitsplätze geschaffen. Der Arbeitsmarkt ist trotz des langsameren BIP-Wachstums und der Unsicherheiten, die durch die Handelsspannungen zwischen den USA und China verursacht werden, weiterhin widerstandsfähig. Im Jahr 2019 führte Peking zahlreiche Unterstützungsmaßnahmen ein, darunter Ausbildungsprogramme und Einschnitte bei der sozialen Sicherheit der Unternehmen. Das langsamere Lohnwachstum trug dazu bei, die Beschäftigung stabil zu halten. Das Wachstum des verfügbaren Einkommens blieb dadurch unter dem Niveau des realen BIP-Wachstums. Bis zum Ende des vierten Quartals wuchs es um 5,8 Prozent, nach 6,1 Prozent in den ersten drei Quartalen. Die Spannungen zwischen den USA und China werden die globalen Lieferketten vermutlich dazu veranlassen, ihre Anpassungen im Jahr 2020 zu beschleunigen, was sich auf die Beschäftigung in der exportorientierten Produktion auswirken wird.
Anstieg der Verbraucherpreise aufgrund steigender Lebensmittelpreise
Die Erzeugerpreise begannen sich im 4. Quartal zu erholen. So sanken die Preise im Dezember um 0,5 Prozent, nachdem im Oktober mit -2,6 Prozent eine Talsohle durchschritten war. Der Verbraucherpreisindex (CPI) blieb erhöht, stabilisierte sich aber in den letzten beiden Monaten des Jahres 2019 bei 4,5 Prozent. Die Inflation für das gesamte Jahr lag jedoch innerhalb des Regierungsziel von 3 Prozent; sie wuchs um 2,9 Prozent. Die erfolgten Produktionsdrosselungen in der Stahlindustrie waren die primäre Stütze für eine Erholung der Erzeugerpreise, während die Auswirkungen der Afrikanischen Schweinegrippe die Schweinefleischpreise und somit gesamt betrachtet die Verbraucherpreise in die Höhe trieben. Die Inflation verlangsamte sich im Dezember auf 1,4 Prozent. Der durchschnittliche Preisanstieg war in den letzten beiden Quartalen in 70 Städten rückläufig und betrug im Jahresvergleich 7,3 Prozent.
Ausblick
Chinas Wirtschaft wird sich 2020 in einem vergleichsweise moderateren Tempo als noch 2019 verlangsamen. Es ist anzunehmen, dass die chinesische Regierung weitere Konjunkturmaßnahmen einsetzt, um sicherzustellen, dass die Weichen gestellt werden für eine angestrebte Verdoppelung der wirtschaftlichen Entwicklungsziele für die kommenden zwei Jahre. Für einen starken Wachstumsrückgang gibt es aktuell keine Anzeichen, wenngleich ein Wiederanstieg des BIP-Wachstums trotz der Verbesserungen der makroökonomischen Schlüsseldaten moderater als in der Vergangenheit wahrscheinlich ist. Eine Umgestaltung der globalen Lieferketten dürfte sich ergeben, die in der chinesischen Wirtschaft ihre Spuren hinterlassen wird. Umfang und Ausmaß des Entkopplungsprozesses werden im Laufe des Jahres klarer werden, wenn die Unternehmen versuchen, ihre Exposition gegenüber politischen Risiken zu verringern. Innenpolitisch sollte es Chinas Regierung gelingen, eine Balance zwischen wirtschaftlichen Anreizen und der Verpflichtung zur Risikoreduzierung innerhalb des Landes zu erreichen. Die zunehmende Verschuldung birgt für die politischen Entscheidungsträger das Risiko, die Wirtschaft weiterhin durch geldpolitische Maßnahmen zu unterstützen.
Auswirkungen des Coronavirus
Einschränkend ist anzumerken, dass der Ausbruch des Coronavirus schon jetzt zu Beginn des 1. Quartals einen rückläufigen Verbrauch ausgelöst hat, demzufolge das BIP-Wachstum um 2 Prozentpunkte sank. Branchenkenner gehen davon aus, dass gerade zu Beginn des neuen Jahres der rückläufige Konsum und insbesondere die eingeschränkte Reisetätigkeit die chinesische Wirtschaft stark belasten. Der stellvertretende Direktor der Beijing Economic Operation Association, Tian Yun, gibt sich dennoch optimistisch und prognostiziert, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der Epidemie auf China nach dem 1. Quartal nicht andauern und das chinesische BIP-Wachstum in den folgenden drei Quartalen sich verbessern und stabilisieren wird. Chinesen würden nach dem Abklingen der Epidemie mehr konsumieren, essen und einkaufen, um die versäumten Bedarfe nachzuholen.