„Als offene demokratische Gesellschaften und Marktwirtschaften sind sich EU und die USA über die strategische Herausforderung einig, die Chinas wachsendes internationales Durchsetzungsvermögen darstellt, auch wenn wir uns nicht immer darüber einig sind, wie wir dies am besten angehen können“ - das ist der Kernsatz eines Planentwurfs der EU für „Eine neue EU-US-Agenda für globalen Wandel“, aus dem die Financial Times zitiert. Nachdem die Strategie des „Wandels durch Handel“ gegenüber China in den vergangenen Jahren nicht aufging, will man einen „system change“ nun offenbar mit härteren Bandagen erreichen. Der detaillierte siebenseitige Entwurf wird den nationalen Staats- und Regierungschefs der EU bei ihrem Gipfeltreffen am 10. und 11. Dezember vorgelegt; zusammen mit einem eigenen zweiseitigen Strategiepapier von Ratspräsident Charles Michel, „zur Erneuerung der EU-US-Beziehungen“. Beide Papiere richten sich gegen die „große chinesische Herausforderung“. Vorgeschlagen wird ein Gipfel der Vereinigten Staaten und der EU in der ersten Hälfte des kommenden Jahres, anknüpfend an die Idee von Joe Biden eines „Summit of Democracies“ im nächsten Jahr. Auf diesem Gipfel sollen beide Seiten – EU und USA – eine gemeinsame Agenda festlegen. Ziel soll sein, die gemeinsamen Interessen gegen „autoritäre Kräfte“ und „geschlossene Volkswirtschaften, die die Offenheit unserer Gesellschaften ausnutzen“, wieder zu bündeln. Unter anderem wird vorgeschlagen, gemeinsame Positionen für die globale digitale Regulierung, das Kartellrecht und den Datenschutz zu entwickeln.

Das Papier spiegle nicht nur die Erleichterung über den Regierungswechsel in den USA wider, so die Financial Times, sondern vor allem die Sorge um den zunehmenden globalen Einfluss Chinas. Die EU-Kommission wirbt für einen gemeinsamen transatlantischen Ansatz für die Kontrolle ausländischer Investitionen in sensiblen Geschäftsfeldern. Eine zentrale Rolle soll ein transatlantischer Handels- und Technologierat spielen, zur Koordinierung des Digitalsektors und der Entwicklung gemeinsamer Standards. Auf diese Normen- und Standardsetzung weist auch Manfred Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) unermüdlich hin. Denn noch habe der Westen das größere ökonomische Gewicht. USA und EU brachten 2019 zusammen 42,5% der Weltwirtschaftsleistung auf die Waage, Asien 40 Prozent (RCEP 30%). 2020 mit einem positiven Wachstum in China und dem Schrumpfen des Bruttoinlandprodukts (BIP) in allen kapitalistischen Industrieländern, dürfte sich der Abstand erheblich verringern. Dennoch meint Weber: „Wir haben heute noch die Kraft als Westen, gemeinsam weiterhin Standards für den Welthandel zu entwickeln und zu setzen. Doch dafür müssen Europa und die USA ihre Kräfte bündeln“.

Das neue Bündnis soll also auch die handelspolitische Hegemonie des Westens absichern. Als Schwerpunkt für eine engere Kooperation mit den USA wird neben der Handelspolitik der Kampf gegen die Corona-Pandemie, der Klimaschutz, Multilateralismus und „Friedenssicherung“ genannt. Beim letzten Punkt regt Charles Michel eine gemeinsame Linie mit den USA nicht nur gegenüber China, sondern auch Russland, der Türkei, Iran und weiteren Weltregionen an. Die EU-Kommission wiederum sagt zu, „abgestimmt mit der NATO in der Verteidigungspolitik mehr Verantwortung zu übernehmen“. Die künftige Dauerpräsenz einer deutschen Fregatte und anderer europäischer Kriegsschiffe im Südchinesischen Meer, vor der Haustüre Chinas, sehen eher nach Provokation, denn nach „Verantwortung“ aus. Einen solchen Aufmarsch europäischer und amerikanischer Flotten vor den Häfen Chinas gab es zuletzt vor 120 Jahren zur blutigen Niedermetzelung des chinesischen „Boxeraufstands“ (1899 – 1901), eine chinesische Bewegung gegen den europäischen, US-amerikanischen und japanischen Imperialismus.

„Atlantikbrücke vor Seidenstraße“

Auch Vertreter des transatlantischen Kapitals scheinen sich auf die neue Konfrontation des Westens mit China, auf die geopolitische Rivalität, einzustellen. Christian Sewing, Chef der Deutschen Bank zum geopolitischen Machtkonflikt USA gegen China: „Wir Europäer sind in diesem Konflikt nicht vollkommen neutral und wir sollten es auch nicht sein. Wenn wir eine liberale Gesellschaft bleiben wollen, muss im Zweifel Atlantikbrücke vor Seidenstraße gehen“. Eine Position, die angesichts der Eigentümerstruktur der Deutschen Bank nicht erstaunt. Bei dem Bankhaus sind allenfalls noch der Name und die Zwillingstürme deutsch, ansonsten ist es fest in den Händen angelsächsischer Vermögensverwalter und Capital Groups. 53 Prozent der Aktien sind im Ausland, insgesamt 72 Prozent in den Händen institutioneller Anleger. Entscheidend aber sind die Großaktionäre: Vier der sechs sind US-amerikanische Fonds: BlackRock 4,72%, The Capital Group 3,74%, Hudson Executive Capital LP 3,18%, Cerberus Capital Management 3,00%; die restlichen zwei Großaktionäre kommen aus Großbritannien: Paramount Services Holdings 3,05%, Supreme Universal Holdings 3,05%. Zusammen halten die Sechs 20,74% des Aktienkapitals – gegen sie geht nichts in dem Bankhaus. Sewing geht davon aus, dass die Globalisierung künftig konfrontativer verlaufe „und in Wirtschaftsfragen immer öfter das Recht des Stärkeren gilt“. A propos „Atlantikbrücke“. Der jetzige Vorsitzende und Ex-Außen- und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, Nachfolger von BlackRock-Merz in dem Job, hatte sich bereits im Juli 2020 seine transatlantischen Bündnis-Gedanken zum Verhältnis des Westens zu China gemacht.

Für das Global Challenges Institut Handelsblatt) schrieb er einen Artikel unter der Überschrift: „Ein neues Bündnis muss China einhegen“. Auch er stellte sich die Frage, „wie man sich dem wachsenden Druck Chinas widersetzen“ könne. „Die richtige Antwort wäre eine abgestimmte Politik der demokratischen Industriestaaten gegenüber China: Die USA, Europa, Japan, Australien, Neuseeland und Südkorea könnten die neuen D 6 (Demokratischen) bilden und eine gemeinsame China-Strategie entwickeln“. Trumps Vorschlag einer G 11 lässt grüßen.