Das Welternährungsprogramm der UN (WFP) erhält den diesjährigen Friedensnobelpreis. Das hat das weltweite Hungerproblem in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Bettina Lüscher vom Welternährungsprogramm am 9.10.2020 im ZDF:
Binnen eines Jahres stieg die Zahl der Hungernden um zehn Millionen, binnen fünf Jahren um 60 Millionen. Weitere 135 Millionen Menschen seien von einer akuten Ernährungskrise betroffen.
Zwei Milliarden Menschen zählen die UN-Statistiker zur Gruppe jener, deren Versorgung mit Lebensmittel unsicher ist. Das ist ein Anstieg um ein Viertel seit 2014. Bernhard Kowatsch, vom Münchner Büro des Welternährungsprogramms schätzt, „dass in Folge der Pandemie schon bald 30 Millionen Menschen an Hunger sterben werden, wenn die Geldmittel zur Bekämpfung von Hunger nicht drastisch erhöht werden“. Jahrelang hat das Wirtschaftswachstum in Südostasien die Zahl der Hungernden weltweit gesenkt. Allen voran China. (Siehe auch: Fred Schmid: “Chinas Nationaler Volkskongress 2020: Corona-Virus eingedämmt – Kampf gegen das Rezessions-Virus“.)
Aber seit 2014 geht die Zahl der Hungernden wieder nach oben. Jetzt wirken Covid-19, Klimawandel und militärische Konflikte wie Brandbeschleuniger für das weltweite Hungerproblem, sagt Marlehn Thieme bei der Vorstellung des Welthungerindex 2020 am 12.10.2020. In dem Bericht wird festgestellt, dass Kriege, Klimawandel und die wirtschaftliche Depression in vielen Staaten die Zahl der Hungernden weltweit weiter nach oben treiben. Die Prognose ist alarmierend: Bis 2030 werden es 840 Millionen Hungernde sein. Für das UNO-Ziel, bis zum Jahr 2030 den Hunger weltweit zu beseitigen gibt es keine Chance wenn der Trend sich fortsetzt. Besonders schlimm ist die Lage der Kinder. Jedes siebte Neugeborene weltweit ist untergewichtig, und auch der Anteil der Kinder unter fünf Jahren, deren Entwicklung wegen Unterernährung beeinträchtigt ist, lag 2018 mit gut 22 Prozent oder etwa 149 Millionen genauso hoch wie in den Vorjahren.
Die internationale Nothilfe- und Entwicklungsorganisation OXFAM weist darauf hin, dass infolge der Coronakrise eine halbe Milliarde Menschen zusätzlich in Armut geraten werden. In Folge der COVID-19-Pandemie könnten bis zum Jahresende möglicherweise sogar mehr Menschen an Hunger sterben als an der Krankheit selbst. Davor warnt Oxfam in seinem Bericht.
Schon vor Jahren stellte Jean Ziegler (ehem. UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung) fest: Alle fünf Sekunden stirbt ein Kind an Hunger oder leicht heilbaren Krankheiten. 17.000 Kinder, sterben täglich weltweit an den Folgen von Unterernährung. Ziegler weiter: Diese Kinder sterben nicht, sie werden ermordet, sie seien Opfer einer „kannibalischen Weltordnung“
Es geht aber nicht um eine kannibalische Weltordnung, sondern um einen „kannibalischen Kapitalismus“ der mit Kriegen, Waffenexporten, Landraub oder Sanktionen die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen zerstört und damit für millionenfachen Hunger verantwortlich ist.
Schuld am Hungertod von Millionen Menschen ist eine Produktions- und Konsumtionsweise, mit der die kapitalistischen Metropolen des globalen Nordens die Klimakatastrophe befeuern und mit ihrer imperialen Lebensweise systematisch die Lebensgrundlagen in Ländern des globalen Südens vernichten. „Wir machen uns große Sorgen, wo Gelder die nächsten Jahre herkommen. Allein in den nächsten sechs Monaten brauchen wir mehr als fünf Milliarden Dollar“ sagt Bettina Lüscher vom WFP. Diese Sorgen braucht sich die deutsche Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer nicht machen. Das geplante deutsch-französische Kampfflugzeug wird nach Schätzungen von Branchenkennern beide Staaten je 100 Milliarden kosten. Mit einem Bruchteil des Geldes könnte der Hunger besiegt werden. Wenn es denn politisch gewollt wäre.