Seltsame Wirtschaftsordnung: Allenthalben wird beklagt, dass zu wenige Impfstoffe da sind, und was sind die Forderungen, Vorwürfe, Alternativen? Die EU hätte mehr als die anderen bestellen müssen. Sie hätte früher, vor den anderen, bestellen müssen. Die Hersteller dürfen nicht in fremde Länder liefern. Die britischen Werke müssen auch nach Deutschland liefern. Die EU hätte einen höheren Preis als die anderen bieten müssen. Auch dem Scholz fällt nichts anderes ein als: „Es wäre gut gewesen, Europa hätte mehr Impfstoff bestellt“.
Seltsamerweise kommt seit Wochen niemand auf den Gedanken, dass die Produktion schnellstmöglich ausgeweitet werden sollte. Wenn das Zeug schon nicht für die EU reicht: die Weltbevölkerung ist fast 20mal so groß wie die EU. Was haben unsere Politiker nicht auf großen Konferenzen und auf diversen Sonntagspredigten heilige Versicherungen gemacht, dass die Corona-Pandemie ein Weltproblem sei, dass sie nur auf Weltebene impftechnisch gelöst werden könne, dass keinesfalls jemand zurückgelassen werden dürfe. Und jetzt: von 40 Millionen verbrauchter Impfdosen wurden gerade mal 25 (in Worten: fünfundzwanzig) in Gesamtafrika verimpft. Klar kriegt niemand von den Armen was ab, wenn's in den reichen Ländern schon knappt.
Das Einzige, was sie denken können, ist Konkurrenz: Du darfst nicht alles alleine haben, ich möchte auch was haben (und zwar ganz ganz viel). Dieser Mentalität liegt völlig fern zu sagen: Wenn wir nun endlich einen funktionierenden Impfstoff haben, dann ist es das Wichtigste, gemeinsam ausreichend hohe Produktionskapazitäten für uns alle, für letztlich 7 Milliarden Menschen aufzubauen.
Wenn wir die Entwicklung mit Milliarden Euro gefördert haben, dann ist Mitentscheidungsrecht selbstverständlich. Dann dürfen wir keinesfalls warten und zuschauen, bis Biontech & Co. ihre Marktanalysen gemacht haben und rausgebracht haben, ob für die Impfstoffe genügend Kaufkraft und Kaufwilligkeit auch in ärmeren Ländern da ist, und dann vorsichtig mal zwei Produktionsstraßen aufbauen. Nein, dann vergeben wir Zwangslizenzen, veranlassen den Bau von vielen, von Dutzenden Produktionsanlagen bzw. die Einbindung bestehender Pharmafabriken hier und weltweit. Dann sollen Biontech & Co gerne etliche Milliarden für die Lizenzen kriegen, das ist alles sehr viel billiger als der Lockdown. Und sehr viel menschlicher, mit weniger Corona-Toten. Und wenn nach zwei Jahren leerstehende Produktionshallen da sind, weil keiner mehr Corona-Impfstoffe braucht: auch das ist spottbillig im Vergleich zum Runterfahren der Wirtschaft und zu den vermiedenen Gesundheitskosten.
Marktwirtschaft, Wettbewerbswirtschaft, der Wettbewerb der Vielen führt zum Besten für Alle: Was für ein perverses, verlogenes Wirtschaftssystem!