Die weltweit 100 größten Rüstungshersteller verkauften im Jahr 2020 Waffensysteme und militärische Dienstleistungen im Wert von 531 Milliarden US Dollar – ein Zuwachs von 1,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Es handelt sich um das sechste Jahr in Folge mit gesteigerten Umsätzen. Seit 2015 – das Jahr in dem SIPRI erstmals chinesische Firmen in die Rangliste aufnahm – sind die Rüstungsverkäufe der Top 100 Hersteller um 17 Prozent gestiegen. Das berichtet das Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) in einem am Montag (6.12.) veröffentlichtem Bericht.

US-Rüstungskonzerne machen mehr Umsatz als alle anderen zusammen

Mit Abstand führend sind US-Rüstungskonzerne. Seit 2018 sind die fünf größten Rüstungsfirmen allesamt in den Vereinigten Staaten ansässig. Unter den Top-100 der weltweiten Rüstungsindustrie befinden sich 41 US-Unternehmen, die zusammen einen Umsatz von 285 Milliarden US-Dollar machten – ein Anstieg um 1,9 Prozent im Vergleich zu 2019. Auf die US-Rüstungsproduzenten entfielen 54 Prozent der gesamten Waffenverkäufe der 100 größten Rüstungskonzerne. Abgeschlagen auf Platz zwei liegen die fünf chinesischen Rüstungsfirmen, die in der Rangliste geführt werden. Sie verkauften im Jahr 2020 Rüstungsgüter im Wert von 66,8 Milliarden US Dollar (+1,5 Prozent) und kommen damit auf rund 13 Prozent der gesamten Rüstungsumsätze der Top 100 Hersteller. Auf die 26 europäischen Rüstungsunternehmen entfielen zusammen 21 Prozent der gesamten Waffenverkäufe (109 Milliarden Dollar). An der europäischen Spitze liegt Großbritannien mit sieben Rüstungskonzernen, die im Jahr 2020 Rüstungsverkäufe in Höhe von 37,5 Milliarden US Dollar verzeichneten. Ein Jahresplus von 6,2 Prozent. Damit liegt das Vereinigte Königreich auf Platz 3 der Rüstungsweltmeister. Die sechs französischen Unternehmen mussten einen Umsatzrückgang von insgesamt um 7,7 Prozent hinnhemen. „Dieser Rückgang ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass Dassault im Jahr 2020 weniger Rafale Kampfflugzeuge ausgeliefert hat“, sagt Dr Lucie Béraud-Sudreau, Direktorin des SIPRI Programms für Militärausgaben und Rüstungsproduktion. Doch die Delle wird dieses jahr wieder gutgemacht. Am 3.12.2021 unterzeichnete Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron in Dubai einen Vertrag mit den in den Jemen-Krieg verwickelten Vereinigten Arabischen Emiraten. Der französische Rüstungskonzern Dassault Aviation wird 80 Kampfflugzeuge des Typs Rafale liefern, Airbus zwölf taktische Mehrzweck- und Transporthubschrauber vom Typ Caracal. Die Vereinbarung hat ein Volumen von mindestens 15 Milliarden Euro[1].

Gesamtwaffenverkäufe der Unternehmen in den SIPRI Top 100, 2002-20

Quelle: SIPRI

Die vier deutschen Unternehmen in der SIPRI-Liste der 100 größten Rüstungsfirmen generierten im Jahr 2020 einen Umsatz von 8,9 Milliarden US Dollar (+1,3 Prozent), wobei der größte deutsche Waffenhersteller Rheinmetall einen Anstieg von 5,2 Prozent verzeichnete. Auch die in der Liste aufgeführten Rüstungsfirmen, die außerhalb der USA, China, Russland und Europa registriert sind (u.a. Türkei, Israel, Japan, Indien, Südkorea), verbuchten im Jahr 2020 mit 43,1 Milliarden US Dollar einen Zuwachs von 3,4 Prozent.  

Russland: Rüstungsproduktion rückläufig

Aus dem Rahmen fällt Russland. Zwar liegt Russland mit seinen Rüstungskonzernen immer noch auf Platz vier der Rangliste, erlebte allerdings keinen Zuwachs, sondern einen deutlichen Rückgang um 6,5 Prozent auf 26,4 Milliarden US-Dollar. Dies ist eine Fortsetzung des Abwärtstrends, der bereits seit 2017 beobachtet wird. Russische Unternehmen kommen nur noch auf 5,0 Prozent der gesamten Rüstungsverkäufe der Top 100.

„Lückenpresse“

Für die deutschen „Leitmedien“ ist der Hinweis darauf, dass Russland zum dritten Mal in Folge gegen den Trend handelt und die Rüstungsproduktion herunterfährt, allenfalls eine Randnotiz wert. Sie berichten, wenn überhaupt, dass dieser Rückgang „laut SIPRI an pandemiebedingten Lieferverzögerungen und dem Ende des staatlichen Rüstungsprogramms“ gelegen hätte[2] – und lassen einen wesentlichen Teil der Erklärung von SIPRI unter den Tisch fallen. SIPRI schreibt:

Einige der stärksten Rückgänge in den Rüstungsumsätzen unter den Top 100 wurden von russischen Herstellern verzeichnet. Im Jahr 2020 wurde ein milliardenschweres staatliches Rüstungsprogramm abgeschlossen, und es kam zudem zu coronabedingten Lieferstörungen. (...) Eine weitere nennenswerte Entwicklung in der russischen Rüstungsindustrie ist die Diversifizierung von Produktportfolien. Russische Firmen implementieren zurzeit eine vom Staat angegebene Richtlinie, die besagt, dass zivile Güter bis zum Jahre 2025 30 Prozent und bis 2030 50 Prozent der Umsätze der russischen Rüstungshersteller ausmachen müssen.

Diese Information fällt unter den Tisch, weil sie nicht zu den täglichen Meldungen passt über „die russische Aggression“ und der nach US-Geheimdienstmeldungen angeblich bald bevorstehenden militärischen Invasion Russlands in der Ukraine. Wobei unbestritten ist, dass ein Beitritt der Ukraine zur NATO aller Wahrscheinlichkeit nach eine Reaktion des Kremls hervorrufen würde, die weit über die normalen diplomatischen Regeln hinausgeht.

Hilfsorganisationen und Linke verurteilen Hochrüstung

Es ist bitter, dass internationale Waffengeschäfte florieren, während Kriege und Konflikte Millionen Menschen in die Flucht treiben. Dagmar Pruin, Brot für die Welt

Die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks „Brot für die Welt“, Dagmar Pruin, sagte, es sei schwer nachzuvollziehen, dass staatliche Rüstungsausgaben weltweit ausgerechnet in einer Zeit stiegen, in der die Weltwirtschaft um 3,1 Prozent geschrumpft sei: „Es ist bitter, dass internationale Waffengeschäfte florieren, während Kriege und Konflikte Millionen Menschen in die Flucht treiben.“ Das katholische Hilfswerk Misereor kritisierte die Rüstungsgeschäfte ebenfalls. Der Bericht zeige einmal mehr, dass „die Staaten dieser Welt in Krisenzeiten falsche Prioritäten setzen“, sagte dessen Hauptgeschäftsführer, Pirmin Spiegel. Die Pandemie bedeute für viele Menschen den Verlust ihrer Lebensgrundlagen. „Gleichzeitig boomt die Rüstungsindustrie, und auch deutsche Hersteller machen gute Geschäfte zulasten von Menschen in Konfliktregionen und auf Kosten zahlreicher Gewaltopfer.“ Die neue Bundesregierung müsse nun „Ernst machen mit ihren Ankündigungen zur Exportkontrolle und Abrüstung“. Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Amira Mohamed Ali, forderte die Ampel-Koalition zur Abrüstung auf: „Statt pauschaler Lippenbekenntnisse zu Rüstungszielen braucht es ein verbindliches Verbot von Rüstungsexporten, erst recht in alle Krisengebiete.“


[1] zu den gemeinsamen Interessen Farnkreichs und der Vereinigten Arabischen Emirate: Im Süden des Jemen, in Balhaf, gibt es eine von der französischen Total-Gruppe betriebene Fabrik für die Verflüssigung von Gas. Diese Region wird von den Streitkräften der Vereinigten Arabischen Emirate und ihren örtlichen Verbündeten kontrolliert. [2] DIE ZEIT, 6.12.2021; Tagesschau, 6.12.2021, Süddeutsche Zeitung, 6.12.2021 aber auch: neues deutschland, 6.12.2021