Aktuell lassen Kritiker:innen aus dem gesamten politischen Spektrum an den Massenmedien kaum ein gutes Haar. Insbesondere der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist nicht zuletzt aufgrund diverser Korruptionsskandale in Misskredit geraten. Dabei ist Medienkritik so alt wie die Medien selbst. Schon Sokrates und Platon diskutierten vor etwa 2.500 Jahren über den Einfluss der Schrift auf unser Gedächtnis. Seitdem ist einiges passiert, zuletzt haben Internet und Digitalisierung die Nachrichtenverbreitung und die Medienlandschaft radikal verändert.

Theoretisch können heute Menschen auf der ganzen Welt rund um die Uhr Nachrichten empfangen. Medien sammeln und sortieren Informationen, ordnen sie ein und verbreiten sie. Mit ihren Erzählungen prägen sie unser Weltbild. Das macht sie zu mächtigen Akteur:innen, über deren Funktionsweise und Arbeit zu Recht gestritten wird. Nicht selten jedoch verdichtet sich die Kritik an den etablierten Medien zu einfachen Narrativen und Kampfbegriffen wie «Staatsfunk» oder «Lügenpresse». So wird zum Beispiel behauptet, ARD und ZDF würden systematisch Tatsachen verdrehen oder bewusst nicht über bestimmte Themen berichten. Dies kann so weit gehen, dass solch eine Fundamentalopposition hetzerische Züge annimmt und zugleich Sinn und sozialen Zusammenhalt stiftet, etwa wenn sich Gruppen gegen die angeblich (mediale) «Corona-Diktatur» formieren. Die Medien werden pauschal zum Sündenbock für gesellschaftliche Probleme erklärt, die tiefer liegen und umfassender sind.

In dieser Publikation werden einige der aktuell zentralen Kontroversen etwa um die Glaubwürdigkeit der Medienberichterstattung oder eine einseitige politische Instrumentalisierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten analysiert. Dabei werden gängige Positionen und Argumente auf ihre Aussagekraft und Gültigkeit hin überprüft. Es ist uns wichtig, bereits zu Beginn der Ausführungen drei Punkte hervorzuheben: Erstens, in fast jedem Vorwurf an die Massenmedien steckt auch ein Funken Wahrheit. Es geht also nicht so sehr darum, ob diese Vorwürfe gänzlich «wahr» oder «falsch» sind. Das Ziel sollte im aufklärerischen Sinne vielmehr sein, die in ihnen enthaltenen Kritikpunkte herauszuarbeiten und von offensichtlichen Falschaussagen und Verleumdungen zu trennen bzw. die Letzteren auf der Grundlage von Fakten als solche kenntlich zu machen. Es gibt etliche Beschwerden und Zweifel an der Funktionsweise der etablierten Medien, die einen berechtigten Unmut zum Ausdruck bringen oder auf bestehende Widersprüche verweisen.

Zweitens gibt es nicht die eine Medienkritik. Medienkritik wie Gesellschaftskritik allgemein kommt in vielen Formen daher. Entscheidend für eine fundierte Medienkritik sind die Grundannahmen, aus denen wir sie herleiten, und ihre (theoretischen) Perspektiven. So müssen wir uns fragen und klären: Betrachten wir Medienstrukturen oder die Menschen, die in diesen arbeiten, wenn wir die Medienberichterstattung kritisieren? Folgen wir dem Ideal der «journalistischen Objektivität» oder hinterfragen wir dieses Ideal und berücksichtigen die ökonomischen und institutionellen Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse, schauen danach, was sozial und institutionell machbar ist?

Drittens ist wichtig zu fragen, was wir mit Medienkritik eigentlich bezwecken. Also, für welche Ziele und Ideale stehen wir ein, wenn wir uns mit den Problemen der Medienwelt auseinandersetzen? Üben wir Kritik um der Kritik willen oder wollen wir einen produktiven Beitrag zur Transformation der Medienlandschaft leisten, damit diese sowohl ihrer grundlegenden Aufgabe in der Demokratie sowie den Krisen unserer Zeit (Klima, Armut usw.) gerecht wird? Eine fundierte Medienkritik ist aus unserer Sicht wie ein Puzzle: Sie setzt sich aus einer Reihe verschiedener Ansätze zusammen. Sie deckt Komplexität auf und bietet trotzdem klare Aussagen zum gesellschaftlichen oder institutionellen Versagen von Medienstrukturen, -institutionen oder -macher:innen.

Dogmatische Medienkritik hingegen beharrt meist auf einem exklusiven Gültigkeitsanspruch. Sie findet einfache Antworten auf schwierige Fragen und thematisiert oft weder Grundannahmen noch die eigenen theoretischen Perspektiven (wenn es diese überhaupt gibt). Häufig wird diese Art der Schwarz-Weiß-Medienkritik von einem Phänomen getrieben, das in der Forschung als Hostile-Media-Effekt bezeichnet wird. Gemeint ist damit der Konsum von Medien entsprechend bereits bestehender Überzeugungen. Das heißt: Finden Leser:innen bzw. Zuhörer:innen und Zuschauer:innen ihre Überzeugungen in den (Mainstream-)Medien nicht wieder, kann das zu einer Abwertung bis hin zu einer pauschal feindseligen Haltung ihnen gegenüber und den für sie arbeitenden Menschen führen. Im Extremfall kann diese Abwehrhaltung laut Armin Scholl, Kommunikationswissenschaftler aus Münster, als «paranoid oder verschwörungstheoretisch bezeichnet werden».[1] Die damit einhergehende Medienkritik ist dann eher Belehrung als Analyse und «sprachlicher Krieg» statt differenzierter Auseinandersetzung.

Aber auch inhaltlich differenzierte Medienkritik kann manchmal sprachlich über die Stränge schlagen. Denn hinter jeder Kritik steckt eine Emotion – ohne sie gäbe es ja keinen Anlass, überhaupt Kritik zu äußern. Deshalb sei es, so Scholl, nachvollziehbar, dass Kritik auch «mal harsch, polemisch, fundamental ausfällt».[2] Wichtig sei es deshalb, auf die Qualität der Kritik zu achten. Diese Qualität zeigt sich anhand der oben genannten Unterscheidungen. Sie zeigt sich auch anhand der Ziele, die diese Kritik verfolgt: beispielsweise mehr mediale Vielfalt, Beteiligung und Repräsentanz der verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Eine wissenschaftlich fundierte Medienkritik überprüft zudem «die Richtigkeit einer aufgestellten Theorie mit empirischen Daten, mit konkurrierenden Theorien oder mit argumentativen Einwänden».[3] Sie ist also substanziell, argumentativ fundiert und lässt sich auf konkrete, faktenbezogene Begründungen ein.

Allerdings fordern auch Medienkritiker:innen, die eher in Schwarz-Weiß-Kategorien argumentieren, regelmäßig mediale Vielfalt ein. Laut Scholl sind solche Forderungen aber meist rein instrumentell. Ihre Vertreter:innen wollen lediglich mehr Raum für die von ihnen als wichtig erachteten Themen und Positionen (beispielsweise Corona- und Impfskeptizismus). Zusätzlich werden sie häufig in einer Sprache vorgetragen, die andere Perspektiven und Interessen abwertet. Behauptet wird, die Medien ignorierten die Forderungen von Medienkritiker:innen, die diese seit Jahren erheben würden. Den Medien werden Uneinsichtigkeit, Borniertheit, Arroganz und Selbstgefälligkeit unterstellt. Außerdem wird so getan, als gebe es klare Linien zwischen einem «Wir» (den Kritiker:innen, die angeblich die Interessen der «einfachen Menschen» vertreten) und einem «ihr/sie» (den elitären Medien). Unklar aber bleibt, über wen oder was eigentlich überhaupt gesprochen wird. Wer oder was ist mit den Medien gemeint? Sind es regionale oder überregionale Zeitungen, kleine oder große Verleger:innen, Institutionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder einzelne Journalist:innen, die in ihnen arbeiten? Zudem können die Medien weder selbstgefällig noch arrogant sein, noch sonst eine Charaktereigenschaft haben. Denn das würde voraussetzen, dass sie in sich schlüssige, handelnde Subjekte sind. Die Medienlandschaft aber ist von unterschiedlichen Akteur:innen geprägt. Deren Interessen überschneiden sich (beispielsweise in ihrem Bestreben, ihre Macht zu behalten oder auszubauen), sie stehen einander aber auch entgegen (beispielsweise befinden sich Medienkonzerne in wirtschaftlicher Konkurrenz zueinander). Daraus folgt: Die Medien als ein einheitlich handelndes Subjekt gibt es nicht.

Dieses Beispiel zeigt, dass schon eine Analyse sprachlicher Mittel helfen kann, verallgemeinernde und einseitige Medienkritik kritisch auf ihren Realitätsgehalt hin zu überprüfen. Im Folgenden werden wir eine Reihe von gängigen Annahmen bezüglich der deutschen Medienlandschaft mithilfe verschiedener theoretischer Ansätze und Perspektiven analysieren und hinterfragen. Ziel ist ein besseres Verständnis dafür, wie Medien funktionieren, was wiederum eine grundlegende Voraussetzung dafür ist, um der politischen Instrumentalisierung von Medienkritik und damit ihrer Delegitimierung vorzubeugen.

 

Erster Auszug aus: Heiko Hilker, Jörg Langer und Mandy Tröger (2023). Einleitung, in: Zwischen Anspruch und Auftrag. Die öffentlich-rechtlichen Medien in der Kritik, Luxemburg Beiträge, Berlin: Rosa-Luxemburg-Stiftung.

[1] Scholl, Armin: Zwischen Kritik und Paranoia: Wo hört Medienkritik auf und wo fangen Verschwörungstheorien an?, Bundeszentrale für politische Bildung, 19.12.2016, unter: www. bpb.de/dialog/netzdebatte/235319/zwischen-kritik-und-paranoia-wo-hoert-medienkritik-auf-und-wo-fangen-verschwoerungstheorien-an.

[2] Ebd.

[3] Ebd.

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Teil 2: Medienkritik als Gesellschaftskritik – Medien vertrauen

Teil 3: Medienkritik als Gesellschaftskritik – Das Propagandamodell